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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. IV. SECT. XIIX.
gehrt/ daß man erst den beichtvater fordern solte/ wo derselbe sein amt erstlich
verrichtet hätte/ so wolte als denn auch herlich gern/ zu zeiten wenn der beichtva-
ter nicht zugegen sein werde/ auch meinen liebesdienst denselben erweisen/ wie
ich dann solche leute nachmal willig/ und wo ich es angelegt gesehen/ zu weilen
mehrmal/ besucht habe. Hingegen konte wieder dieses von niemand nichts ge-
sprochen werden/ so viel mehr weil ohne daß in Franckfurt die ordenliche amts
verrichtungen ohne entgeld zugeschehen/ und keine accidentia verlangt zu wer-
den pflegen. Wie dann (4 damit auch zu continuiren seyn wird/ daß nichts von
solcher ausser ordentlichen bedienung genommen/ und damit aller böser schein/ so
sonsten das gute durch ärgernüuß allerdings verderben würde/ vermeidet werde.
7. Wann aber auff diese weise alles angerichtet wird/ sehe ich nicht/ mein gelieb-
ter bruder hierinnen entweder sein gewissen beschwehrte/ oder da da ihn GOtt
(davor zwar hertzlich bitte/ das es nicht geschehe) nach seinem weisen rath über
seiner liebe in kranckheit fallen lassen solte er in demselben einen vorwurff haben
würde (indem dagegen die reine absicht des wercks so aus der liebe Gottes und des
nechsten geschehen/ siehe 1. joh. 3/ 16. einen unbeweglichen trost giebet/ und das
gewissen stillet) oder andern leuten dawieder zu reden ziemliche ursach gegeben
würde. Daher er sich davon nicht abwendig machen zu lassen hätte/ wann an-
dere/ so die krafft der liebe und dero pflicht nicht gnug verstehen/ und unzeitig vor
denselben sorgen/ oder durch solch exempel/ daß sie dergleichen nicht thäten/ be-
schämet zu werden förchten/ mit ihrem urtheil solches bestrafften. Dann dessen
müssen wir in der weltgewohnen/ so bald wir auch das allerbeste thun/ was man
nicht eben von allen täglich siehet/ darüber uns beurtheilen und richten zu lassen:
weil wir aber/ was wir in der forcht des Herrn thun/ nicht thun der welt/ sondern
dem Herrn zugefallen/ kehren wir uns/ so unser gewissen wol gegründet ist/ an sol-
ches urtheil nicht/ sondern sind zu frieden/ daß GOtt unser hertz kennet/ und un-
ser thun in seiner gnade gethan billichet/ so dann rechtschaffene christen/ die tief-
fer einsehen auch nicht übel davon halten. Der himmlische vater zeige auch dem-
selben hierinnen seinen heil. willen/ mit gungsamer überzeugung der seelen densel-
ben zuerkennen/ regiere ihn mit christlicher klugheit/ verbinde mit ihm das hertz
der amts-brüder/ bewahre ihn in aller geist- und leiblichen gefahr/ und seegne wie
seine übrige ordentliche amts- also auch liebes-wercke zu vieler seelen gewinn. 1690.

SECTIO XIX.
Von einer geistlichen übung eines Predigers mit
einiger Jugend in seinem Hause.

WAs die gethane frage anlangt/ wegen der haus-andacht mit den kin-
dern: So ists betrübt/ daß wir zu einer solchen zeit leben/ da man
gutes zu thun mehr sorge tragen/ und sich dabey fürchten muß/ als

wo
k

ARTIC. IV. SECT. XIIX.
gehrt/ daß man erſt den beichtvater fordern ſolte/ wo derſelbe ſein amt erſtlich
verrichtet haͤtte/ ſo wolte als denn auch herlich gern/ zu zeiten wenn der beichtva-
ter nicht zugegen ſein werde/ auch meinen liebesdienſt denſelben erweiſen/ wie
ich dann ſolche leute nachmal willig/ und wo ich es angelegt geſehen/ zu weilen
mehrmal/ beſucht habe. Hingegen konte wieder dieſes von niemand nichts ge-
ſprochen werden/ ſo viel mehr weil ohne daß in Franckfurt die ordenliche amts
verrichtungen ohne entgeld zugeſchehen/ und keine accidentia verlangt zu wer-
den pflegen. Wie dann (4 damit auch zu continuiren ſeyn wird/ daß nichts von
ſolcher auſſer ordentlichen bedienung genommen/ und damit aller boͤſer ſchein/ ſo
ſonſten das gute durch aͤrgernuͤuß allerdings verderben wuͤrde/ vermeidet werde.
7. Wann aber auff dieſe weiſe alles angerichtet wird/ ſehe ich nicht/ mein gelieb-
ter bruder hierinnen entweder ſein gewiſſen beſchwehrte/ oder da da ihn GOtt
(davor zwar hertzlich bitte/ das es nicht geſchehe) nach ſeinem weiſen rath uͤber
ſeiner liebe in kranckheit fallen laſſen ſolte er in demſelben einen vorwurff haben
wuͤrde (indem dagegen die reine abſicht des wercks ſo aus der liebe Gottes und des
nechſten geſchehen/ ſiehe 1. joh. 3/ 16. einen unbeweglichen troſt giebet/ und das
gewiſſen ſtillet) oder andern leuten dawieder zu reden ziemliche urſach gegeben
wuͤrde. Daher er ſich davon nicht abwendig machen zu laſſen haͤtte/ wann an-
dere/ ſo die krafft der liebe und dero pflicht nicht gnug verſtehen/ und unzeitig vor
denſelben ſorgen/ oder durch ſolch exempel/ daß ſie dergleichen nicht thaͤten/ be-
ſchaͤmet zu werden foͤrchten/ mit ihrem urtheil ſolches beſtrafften. Dann deſſen
muͤſſen wir in der weltgewohnen/ ſo bald wir auch das allerbeſte thun/ was man
nicht eben von allen taͤglich ſiehet/ daruͤber uns beurtheilen und richten zu laſſen:
weil wir aber/ was wir in der forcht des Herrn thun/ nicht thun der welt/ ſondern
dem Herrn zugefallen/ kehren wir uns/ ſo unſer gewiſſen wol gegruͤndet iſt/ an ſol-
ches urtheil nicht/ ſondern ſind zu frieden/ daß GOtt unſer hertz kennet/ und un-
ſer thun in ſeiner gnade gethan billichet/ ſo dann rechtſchaffene chriſten/ die tief-
fer einſehen auch nicht uͤbel davon halten. Der himmliſche vater zeige auch dem-
ſelben hierinnen ſeinen heil. willen/ mit gungſamer uͤberzeugung der ſeelen denſel-
ben zuerkennen/ regiere ihn mit chriſtlicher klugheit/ verbinde mit ihm das hertz
der amts-bruͤder/ bewahre ihn in aller geiſt- und leiblichen gefahr/ und ſeegne wie
ſeine uͤbrige ordentliche amts- alſo auch liebes-wercke zu vieler ſeelen gewinn. 1690.

SECTIO XIX.
Von einer geiſtlichen uͤbung eines Predigers mit
einiger Jugend in ſeinem Hauſe.

WAs die gethane frage anlangt/ wegen der haus-andacht mit den kin-
dern: So iſts betruͤbt/ daß wir zu einer ſolchen zeit leben/ da man
gutes zu thun mehr ſorge tragen/ und ſich dabey fuͤrchten muß/ als

wo
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[73/0873] ARTIC. IV. SECT. XIIX. gehrt/ daß man erſt den beichtvater fordern ſolte/ wo derſelbe ſein amt erſtlich verrichtet haͤtte/ ſo wolte als denn auch herlich gern/ zu zeiten wenn der beichtva- ter nicht zugegen ſein werde/ auch meinen liebesdienſt denſelben erweiſen/ wie ich dann ſolche leute nachmal willig/ und wo ich es angelegt geſehen/ zu weilen mehrmal/ beſucht habe. Hingegen konte wieder dieſes von niemand nichts ge- ſprochen werden/ ſo viel mehr weil ohne daß in Franckfurt die ordenliche amts verrichtungen ohne entgeld zugeſchehen/ und keine accidentia verlangt zu wer- den pflegen. Wie dann (4 damit auch zu continuiren ſeyn wird/ daß nichts von ſolcher auſſer ordentlichen bedienung genommen/ und damit aller boͤſer ſchein/ ſo ſonſten das gute durch aͤrgernuͤuß allerdings verderben wuͤrde/ vermeidet werde. 7. Wann aber auff dieſe weiſe alles angerichtet wird/ ſehe ich nicht/ mein gelieb- ter bruder hierinnen entweder ſein gewiſſen beſchwehrte/ oder da da ihn GOtt (davor zwar hertzlich bitte/ das es nicht geſchehe) nach ſeinem weiſen rath uͤber ſeiner liebe in kranckheit fallen laſſen ſolte er in demſelben einen vorwurff haben wuͤrde (indem dagegen die reine abſicht des wercks ſo aus der liebe Gottes und des nechſten geſchehen/ ſiehe 1. joh. 3/ 16. einen unbeweglichen troſt giebet/ und das gewiſſen ſtillet) oder andern leuten dawieder zu reden ziemliche urſach gegeben wuͤrde. Daher er ſich davon nicht abwendig machen zu laſſen haͤtte/ wann an- dere/ ſo die krafft der liebe und dero pflicht nicht gnug verſtehen/ und unzeitig vor denſelben ſorgen/ oder durch ſolch exempel/ daß ſie dergleichen nicht thaͤten/ be- ſchaͤmet zu werden foͤrchten/ mit ihrem urtheil ſolches beſtrafften. Dann deſſen muͤſſen wir in der weltgewohnen/ ſo bald wir auch das allerbeſte thun/ was man nicht eben von allen taͤglich ſiehet/ daruͤber uns beurtheilen und richten zu laſſen: weil wir aber/ was wir in der forcht des Herrn thun/ nicht thun der welt/ ſondern dem Herrn zugefallen/ kehren wir uns/ ſo unſer gewiſſen wol gegruͤndet iſt/ an ſol- ches urtheil nicht/ ſondern ſind zu frieden/ daß GOtt unſer hertz kennet/ und un- ſer thun in ſeiner gnade gethan billichet/ ſo dann rechtſchaffene chriſten/ die tief- fer einſehen auch nicht uͤbel davon halten. Der himmliſche vater zeige auch dem- ſelben hierinnen ſeinen heil. willen/ mit gungſamer uͤberzeugung der ſeelen denſel- ben zuerkennen/ regiere ihn mit chriſtlicher klugheit/ verbinde mit ihm das hertz der amts-bruͤder/ bewahre ihn in aller geiſt- und leiblichen gefahr/ und ſeegne wie ſeine uͤbrige ordentliche amts- alſo auch liebes-wercke zu vieler ſeelen gewinn. 1690. SECTIO XIX. Von einer geiſtlichen uͤbung eines Predigers mit einiger Jugend in ſeinem Hauſe. WAs die gethane frage anlangt/ wegen der haus-andacht mit den kin- dern: So iſts betruͤbt/ daß wir zu einer ſolchen zeit leben/ da man gutes zu thun mehr ſorge tragen/ und ſich dabey fuͤrchten muß/ als wo k

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/873>, abgerufen am 25.11.2024.