Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

ARTIC. IV. SECT. XII.
übrigen kirchen von den obern ständen ihre zu sich gezogene rechte widerum erstat-
tet/ darzu aber eine mehr als menschliche krafft gehöret/ und wir vielmehr diese
mängel beseuffzen müssen/ als viel zu ändern vermögen. Was die collegia pie-
tatis
anlangt/ bin ich nicht in abrede/ daß dieselbe mehrmal unter die mittel der
verbesserung gerechnet: ich bekenne aber dabey/ daß ich sie selbs nicht in allen or-
ten rathen oder einführen wolte: wie ich dann zwar dergleichen zu Franckfurt ge-
halten/ und michs nicht reuen lassen: in Dreßden und hier habe ich nichts gefun-
den/ daß mich darzu nöthigte/ oder nur starck persvadirte. Wie ich dann die
eigentlich also genannte collegia pietatis nur bey solchen gemeinden rathsam ach-
te/ in denen bereits ein mehrer eiffer zu GOttes wort sich hervor thut/ und unter-
schiedliche leute sind/ die schon dergleichen gaben haben/ daß sie mit erbauung et-
was vortragen mögen. So könten auch andre ursachen seyn/ die dieselbe miß-
rathen/ sonderlich wo man ziemlicher massen vor augen siehet/ daß dergleichen ler-
men und unruhe daraus entstehen möchte/ so grösserwären/ als der darauff ver-
nünfftig hoffende nutzen. Dieses halte aber an den meisten orten dienlicher/ wo
ein Prediger unter denen seiner seelen sorge anvertrauten lernet zum fördersten die-
jenige genauer kennen/ bey welchen der HErr bereits einen ziemlichen anfang des
guten gemacht/ und fernern eiffer entzündet hat/ sich mit denselben vertraulich be-
kant zumachen/ mehrmal zu ihnen zu kommen/ oder sie zu sich kommen zu lassen/
und zu ihrer fernern erbauung anleitung zugeben/ so dann unter denselben selbs
auch eine genauere kundschafft und umgang zuveranlassen/ damit durch christliche
zusprüche und exempel immer das gute an einem/ auch an den andern frucht schaff-
te. Wo nun in einer gemeinde mehrere personen auff diese weise bereitet sind/
so ist es zeit/ darvon sich zuberathen/ ob eines orts collegia anzustellen seyen oder
nicht. Jenes mittel aber an sich selbs kan weniger einem Prediger/ wo nur gebüh-
rende vorsichtigkeit gebraucht wird/ verarget/ oder er darinne gehindert werden/
hingegen wirds wohl nirgend ohne seegen bleiben. Den HErrn aber haben
wir demüthigst anzuruffen/ der sich des verwirrten und in vielen stücken elenden zu-
standes unsrer kirchen erbarme/ und dero brüche/ wo menschliche hülffe zu
schwach ist/ heile: sonderlich uns/ die er zu lehrern und hirten verordnet hat/ sei-
nen willen an uns und unsre gemeinden in allen stücken zuerkennen/ so dann muth/
krafft und seegen zuverrichten/ verleihe; wie wir dann alles von ihm allein her-
haben müssen. 1694.

ES-
g 3

ARTIC. IV. SECT. XII.
uͤbrigen kirchen von den obern ſtaͤnden ihre zu ſich gezogene rechte widerum erſtat-
tet/ darzu aber eine mehr als menſchliche krafft gehoͤret/ und wir vielmehr dieſe
maͤngel beſeuffzen muͤſſen/ als viel zu aͤndern vermoͤgen. Was die collegia pie-
tatis
anlangt/ bin ich nicht in abrede/ daß dieſelbe mehrmal unter die mittel der
verbeſſerung gerechnet: ich bekenne aber dabey/ daß ich ſie ſelbs nicht in allen or-
ten rathen oder einfuͤhren wolte: wie ich dann zwar dergleichen zu Franckfurt ge-
halten/ und michs nicht reuen laſſen: in Dreßden und hier habe ich nichts gefun-
den/ daß mich darzu noͤthigte/ oder nur ſtarck perſvadirte. Wie ich dann die
eigentlich alſo genannte collegia pietatis nur bey ſolchen gemeinden rathſam ach-
te/ in denen bereits ein mehrer eiffer zu GOttes wort ſich hervor thut/ und unter-
ſchiedliche leute ſind/ die ſchon dergleichen gaben haben/ daß ſie mit erbauung et-
was vortragen moͤgen. So koͤnten auch andre urſachen ſeyn/ die dieſelbe miß-
rathen/ ſonderlich wo man ziemlicher maſſen vor augen ſiehet/ daß dergleichen ler-
men und unruhe daraus entſtehen moͤchte/ ſo groͤſſerwaͤren/ als der darauff ver-
nuͤnfftig hoffende nutzen. Dieſes halte aber an den meiſten orten dienlicher/ wo
ein Prediger unter denen ſeiner ſeelen ſorge anvertrauten lernet zum foͤrderſten die-
jenige genauer kennen/ bey welchen der HErr bereits einen ziemlichen anfang des
guten gemacht/ und fernern eiffer entzuͤndet hat/ ſich mit denſelben vertraulich be-
kant zumachen/ mehrmal zu ihnen zu kommen/ oder ſie zu ſich kommen zu laſſen/
und zu ihrer fernern erbauung anleitung zugeben/ ſo dann unter denſelben ſelbs
auch eine genauere kundſchafft und umgang zuveranlaſſen/ damit durch chriſtliche
zuſpruͤche und exempel immer das gute an einem/ auch an den andern frucht ſchaff-
te. Wo nun in einer gemeinde mehrere perſonen auff dieſe weiſe bereitet ſind/
ſo iſt es zeit/ darvon ſich zuberathen/ ob eines orts collegia anzuſtellen ſeyen oder
nicht. Jenes mittel aber an ſich ſelbs kan weniger einem Prediger/ wo nur gebuͤh-
rende vorſichtigkeit gebraucht wird/ verarget/ oder er darinne gehindert werden/
hingegen wirds wohl nirgend ohne ſeegen bleiben. Den HErrn aber haben
wir demuͤthigſt anzuruffen/ der ſich des verwirrten und in vielen ſtuͤcken elenden zu-
ſtandes unſrer kirchen erbarme/ und dero bruͤche/ wo menſchliche huͤlffe zu
ſchwach iſt/ heile: ſonderlich uns/ die er zu lehrern und hirten verordnet hat/ ſei-
nen willen an uns und unſre gemeinden in allen ſtuͤcken zuerkennen/ ſo dann muth/
krafft und ſeegen zuverrichten/ verleihe; wie wir dann alles von ihm allein her-
haben muͤſſen. 1694.

ES-
g 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0853" n="53"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">ARTIC. IV. SECT.</hi> XII.</hi></hi></fw><lb/>
u&#x0364;brigen kirchen von den obern &#x017F;ta&#x0364;nden ihre zu &#x017F;ich gezogene rechte widerum er&#x017F;tat-<lb/>
tet/ darzu aber eine mehr als men&#x017F;chliche krafft geho&#x0364;ret/ und wir vielmehr die&#x017F;e<lb/>
ma&#x0364;ngel be&#x017F;euffzen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ als viel zu a&#x0364;ndern vermo&#x0364;gen. Was die <hi rendition="#aq">collegia pie-<lb/>
tatis</hi> anlangt/ bin ich nicht in abrede/ daß die&#x017F;elbe mehrmal unter die mittel der<lb/>
verbe&#x017F;&#x017F;erung gerechnet: ich bekenne aber dabey/ daß ich &#x017F;ie &#x017F;elbs nicht in allen or-<lb/>
ten rathen oder einfu&#x0364;hren wolte: wie ich dann zwar dergleichen zu Franckfurt ge-<lb/>
halten/ und michs nicht reuen la&#x017F;&#x017F;en: in Dreßden und hier habe ich nichts gefun-<lb/>
den/ daß mich darzu no&#x0364;thigte/ oder nur &#x017F;tarck <hi rendition="#aq">per&#x017F;vadir</hi>te. Wie ich dann die<lb/>
eigentlich al&#x017F;o genannte <hi rendition="#aq">collegia pietatis</hi> nur bey &#x017F;olchen gemeinden rath&#x017F;am ach-<lb/>
te/ in denen bereits ein mehrer eiffer zu GOttes wort &#x017F;ich hervor thut/ und unter-<lb/>
&#x017F;chiedliche leute &#x017F;ind/ die &#x017F;chon dergleichen gaben haben/ daß &#x017F;ie mit erbauung et-<lb/>
was vortragen mo&#x0364;gen. So ko&#x0364;nten auch andre ur&#x017F;achen &#x017F;eyn/ die die&#x017F;elbe miß-<lb/>
rathen/ &#x017F;onderlich wo man ziemlicher ma&#x017F;&#x017F;en vor augen &#x017F;iehet/ daß dergleichen ler-<lb/>
men und unruhe daraus ent&#x017F;tehen mo&#x0364;chte/ &#x017F;o gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erwa&#x0364;ren/ als der darauff ver-<lb/>
nu&#x0364;nfftig hoffende nutzen. Die&#x017F;es halte aber an den mei&#x017F;ten orten dienlicher/ wo<lb/>
ein Prediger unter denen &#x017F;einer &#x017F;eelen &#x017F;orge anvertrauten lernet zum fo&#x0364;rder&#x017F;ten die-<lb/>
jenige genauer kennen/ bey welchen der HErr bereits einen ziemlichen anfang des<lb/>
guten gemacht/ und fernern eiffer entzu&#x0364;ndet hat/ &#x017F;ich mit den&#x017F;elben vertraulich be-<lb/>
kant zumachen/ mehrmal zu ihnen zu kommen/ oder &#x017F;ie zu &#x017F;ich kommen zu la&#x017F;&#x017F;en/<lb/>
und zu ihrer fernern erbauung anleitung zugeben/ &#x017F;o dann unter den&#x017F;elben &#x017F;elbs<lb/>
auch eine genauere kund&#x017F;chafft und umgang zuveranla&#x017F;&#x017F;en/ damit durch chri&#x017F;tliche<lb/>
zu&#x017F;pru&#x0364;che und exempel immer das gute an einem/ auch an den andern frucht &#x017F;chaff-<lb/>
te. Wo nun in einer gemeinde mehrere per&#x017F;onen auff die&#x017F;e wei&#x017F;e bereitet &#x017F;ind/<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t es zeit/ darvon &#x017F;ich zuberathen/ ob eines orts <hi rendition="#aq">collegia</hi> anzu&#x017F;tellen &#x017F;eyen oder<lb/>
nicht. Jenes mittel aber an &#x017F;ich &#x017F;elbs kan weniger einem Prediger/ wo nur gebu&#x0364;h-<lb/>
rende vor&#x017F;ichtigkeit gebraucht wird/ verarget/ oder er darinne gehindert werden/<lb/>
hingegen wirds wohl nirgend ohne &#x017F;eegen bleiben. Den HErrn aber haben<lb/>
wir demu&#x0364;thig&#x017F;t anzuruffen/ der &#x017F;ich des verwirrten und in vielen &#x017F;tu&#x0364;cken elenden zu-<lb/>
&#x017F;tandes un&#x017F;rer kirchen erbarme/ und dero bru&#x0364;che/ wo men&#x017F;chliche hu&#x0364;lffe zu<lb/>
&#x017F;chwach i&#x017F;t/ heile: &#x017F;onderlich uns/ die er zu lehrern und hirten verordnet hat/ &#x017F;ei-<lb/>
nen willen an uns und un&#x017F;re gemeinden in allen &#x017F;tu&#x0364;cken zuerkennen/ &#x017F;o dann muth/<lb/>
krafft und &#x017F;eegen zuverrichten/ verleihe; wie wir dann alles von ihm allein her-<lb/>
haben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. 1694.</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">g 3</fw>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">ES-</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0853] ARTIC. IV. SECT. XII. uͤbrigen kirchen von den obern ſtaͤnden ihre zu ſich gezogene rechte widerum erſtat- tet/ darzu aber eine mehr als menſchliche krafft gehoͤret/ und wir vielmehr dieſe maͤngel beſeuffzen muͤſſen/ als viel zu aͤndern vermoͤgen. Was die collegia pie- tatis anlangt/ bin ich nicht in abrede/ daß dieſelbe mehrmal unter die mittel der verbeſſerung gerechnet: ich bekenne aber dabey/ daß ich ſie ſelbs nicht in allen or- ten rathen oder einfuͤhren wolte: wie ich dann zwar dergleichen zu Franckfurt ge- halten/ und michs nicht reuen laſſen: in Dreßden und hier habe ich nichts gefun- den/ daß mich darzu noͤthigte/ oder nur ſtarck perſvadirte. Wie ich dann die eigentlich alſo genannte collegia pietatis nur bey ſolchen gemeinden rathſam ach- te/ in denen bereits ein mehrer eiffer zu GOttes wort ſich hervor thut/ und unter- ſchiedliche leute ſind/ die ſchon dergleichen gaben haben/ daß ſie mit erbauung et- was vortragen moͤgen. So koͤnten auch andre urſachen ſeyn/ die dieſelbe miß- rathen/ ſonderlich wo man ziemlicher maſſen vor augen ſiehet/ daß dergleichen ler- men und unruhe daraus entſtehen moͤchte/ ſo groͤſſerwaͤren/ als der darauff ver- nuͤnfftig hoffende nutzen. Dieſes halte aber an den meiſten orten dienlicher/ wo ein Prediger unter denen ſeiner ſeelen ſorge anvertrauten lernet zum foͤrderſten die- jenige genauer kennen/ bey welchen der HErr bereits einen ziemlichen anfang des guten gemacht/ und fernern eiffer entzuͤndet hat/ ſich mit denſelben vertraulich be- kant zumachen/ mehrmal zu ihnen zu kommen/ oder ſie zu ſich kommen zu laſſen/ und zu ihrer fernern erbauung anleitung zugeben/ ſo dann unter denſelben ſelbs auch eine genauere kundſchafft und umgang zuveranlaſſen/ damit durch chriſtliche zuſpruͤche und exempel immer das gute an einem/ auch an den andern frucht ſchaff- te. Wo nun in einer gemeinde mehrere perſonen auff dieſe weiſe bereitet ſind/ ſo iſt es zeit/ darvon ſich zuberathen/ ob eines orts collegia anzuſtellen ſeyen oder nicht. Jenes mittel aber an ſich ſelbs kan weniger einem Prediger/ wo nur gebuͤh- rende vorſichtigkeit gebraucht wird/ verarget/ oder er darinne gehindert werden/ hingegen wirds wohl nirgend ohne ſeegen bleiben. Den HErrn aber haben wir demuͤthigſt anzuruffen/ der ſich des verwirrten und in vielen ſtuͤcken elenden zu- ſtandes unſrer kirchen erbarme/ und dero bruͤche/ wo menſchliche huͤlffe zu ſchwach iſt/ heile: ſonderlich uns/ die er zu lehrern und hirten verordnet hat/ ſei- nen willen an uns und unſre gemeinden in allen ſtuͤcken zuerkennen/ ſo dann muth/ krafft und ſeegen zuverrichten/ verleihe; wie wir dann alles von ihm allein her- haben muͤſſen. 1694. ES- g 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/853
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/853>, abgerufen am 25.11.2024.