Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.ARTIC. IV. SECT. X. dig sind/ und worinnen wir nicht uns (dann des unsern mögen und sollen wir unsleicht begeben) sondern des nechsten ewiges heil suchen/ so fället dessen schuld nicht auf diejenige/ welche nach erforderung amts und gewissens das gute thun/ sondern auff die andere/ so sich daran ohne ursach zu eigenem schaden stossen. Und um solches ärgernisses willen muß das gute nicht unterlassen werden/ oder man ver- sündigte sich damit wider GOtt/ dessen befehl man hindansetzte/ und an dem nech- sten/ dem wir dasjenige/ so seine seligkeit befördern kan/ zuerzeigen schuldig seynd/ und also nicht unterlassen dörffen. Der casus ist decidiret Matth. 15/ 12. 13. 14. Wo die jünger dem HErren auch das genommene ärgernis der Pharisäer vorhal- ten/ aber diejenige antwort bekommen/ welche diese sache völlig ausmachet/ und zeigt/ man müsse nichts desjenigen unterlassen/ um anderer ärgernüssen willen was göttliche ehre erfordert. Die zweyte frag ist diese: Ob nicht die änderung und neuerung in der Die dritte frage: Ob es unrecht und ärgerlich sey/ den bey leich pro- der f 2
ARTIC. IV. SECT. X. dig ſind/ und worinnen wir nicht uns (dann des unſern moͤgen und ſollen wir unsleicht begeben) ſondern des nechſten ewiges heil ſuchen/ ſo faͤllet deſſen ſchuld nicht auf diejenige/ welche nach erforderung amts und gewiſſens das gute thun/ ſondern auff die andere/ ſo ſich daran ohne urſach zu eigenem ſchaden ſtoſſen. Und um ſolches aͤrgerniſſes willen muß das gute nicht unterlaſſen werden/ oder man ver- ſuͤndigte ſich damit wider GOtt/ deſſen befehl man hindanſetzte/ und an dem nech- ſten/ dem wir dasjenige/ ſo ſeine ſeligkeit befoͤrdern kan/ zuerzeigen ſchuldig ſeynd/ und alſo nicht unterlaſſen doͤrffen. Der caſus iſt decidiret Matth. 15/ 12. 13. 14. Wo die juͤnger dem HErren auch das genommene aͤrgernis der Phariſaͤer vorhal- ten/ aber diejenige antwort bekommen/ welche dieſe ſache voͤllig ausmachet/ und zeigt/ man muͤſſe nichts desjenigen unterlaſſen/ um anderer aͤrgernuͤſſen willen was goͤttliche ehre erfordert. Die zweyte frag iſt dieſe: Ob nicht die aͤnderung und neuerung in der Die dritte frage: Ob es unrecht und aͤrgerlich ſey/ den bey leich pro- der f 2
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ARTIC. IV. SECT. X.
dig ſind/ und worinnen wir nicht uns (dann des unſern moͤgen und ſollen wir uns
leicht begeben) ſondern des nechſten ewiges heil ſuchen/ ſo faͤllet deſſen ſchuld nicht
auf diejenige/ welche nach erforderung amts und gewiſſens das gute thun/ ſondern
auff die andere/ ſo ſich daran ohne urſach zu eigenem ſchaden ſtoſſen. Und um
ſolches aͤrgerniſſes willen muß das gute nicht unterlaſſen werden/ oder man ver-
ſuͤndigte ſich damit wider GOtt/ deſſen befehl man hindanſetzte/ und an dem nech-
ſten/ dem wir dasjenige/ ſo ſeine ſeligkeit befoͤrdern kan/ zuerzeigen ſchuldig ſeynd/
und alſo nicht unterlaſſen doͤrffen. Der caſus iſt decidiret Matth. 15/ 12. 13. 14.
Wo die juͤnger dem HErren auch das genommene aͤrgernis der Phariſaͤer vorhal-
ten/ aber diejenige antwort bekommen/ welche dieſe ſache voͤllig ausmachet/ und
zeigt/ man muͤſſe nichts desjenigen unterlaſſen/ um anderer aͤrgernuͤſſen willen
was goͤttliche ehre erfordert.
Die zweyte frag iſt dieſe: Ob nicht die aͤnderung und neuerung in der
kleidung/ welche gedachte perſon ſamt ihrer tochter/ ohnerachtet ſelbi-
biger privatim in meiner behauſung ſolches unterſaget worden/ bey em-
phahung des H. Abendmahls fuͤrgenommen/ von mir als dem verord-
neten prediger oͤffentlich habe muͤſſen beſtrafft werden? Auff dieſelbe er-
klaͤre mich alſo/ das præſupponiret deſſen/ ſo in der facti ſpecie ſtehet/ das ſol-
che beſtraffung ſeye geſchehen blos in genere ohne meldung einer gewiſſen tracht/
und ſo daß die ſchrancken unſers befohlen ſtraffamts nicht ſind uͤberſchritten wor-
den/ in der beſtraffung nichts ſtraͤffliches ſeye begangen. Den 1. iſt die privata
admonitio vorgegangen. 2. iſt kleiderpracht (ich præſupponire auch/ daß ſol-
che aͤnderung etwas notabels betreffe/ und wie es lautet/ die gemeinde geaͤr-
gert habe.) eben ſo wohl eine ſuͤnde/ die beſtraffungs wuͤrdig iſt 3. ſo gehoͤrt das
oͤffentliche aͤrgernuͤß offentlich geſtrafft 1. Tim. 5. 20. damit andere nicht zur nach-
folge gereitzet werden.
Die dritte frage: Ob es unrecht und aͤrgerlich ſey/ den bey leich pro-
ceſſionen treibenden pracht ſo bald in den leichpredigten/ wie wohl mit
wenigem und nur insgemein zuſtraffen? und ob viel mehr damit biß zu ander
gelegenheit gewartet werden ſolle? Wo der text anlaß zu einigen der gleichen
materie gegeben/ ſo hat auch ſolcher elenchus nicht wohl unterbleiben koͤnnen/
in dem demſelben billig ein genuͤgen gethan werden ſolle; und ſind nicht eben die
leichpredigten vor andern eximiret/ das darinnen der H. Geiſt ſein ſtraffamt
nicht fuͤhren doͤrffte/ indem die noͤthige erbauung bey allen gelegenheiten zu ſuchen
iſt: ja vielmahl iſt zu hoffen/ das die zuſpruͤche und beſtraffungen um die zeit/ da
die gemuͤther durch vor augen ligende erinnerungen der menſchlichen ſterblichkeit
etwas mehr bewogen und gleichſam bereitet ſind/ mehr platz finden und frucht
ſchaffen moͤchten. Waͤre es aber ſache/ daß ohne einige anlaß des texts zu einer
der
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