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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. III. SECTIO XL.
SECTIO XL.
Von des Ministerii verhalten bey nacht-begräbnüssen.

ES ist mir leyd gewesen/ die jenige ungelegenheit zu vernehmen/ in wel-
che dieselbe wegen der nächtlichen begräbnüssen gerathen zu seyn
klagen/ und hätte sie solcher entübriget zu seyn von hertzen gewünschet.
Weilen sie aber auff 2. vorgelegte fragen mein Christliches bedencken erfor-
dern/ so habe dasselbe hiemit in der forcht des Herrn mittheilen wollen. Was
denn anlangt die 1. frage: Ob die herrn geistliche zu Berlin denen
nächtlichen sänckungen mitfolgen?
So dienet zur antwort/ daß die nacht-
sepulturen hier auch sehr gemein sind/ und ohne einige dispensation oder be-
fragung des Ministerii von jedem vornehmen und geringen nach belieben ange-
stellet werden: Nur allein wo abends bey einer solchen geleutet werden solle/
darff solches nicht geschehen ohne unmittelbahren befehl Sr. Churfl. Durchl.
daher auch die ehr nicht anders als hohen Ministris und adelichen geschihet.
Es ist aber alsdenn keine formliche procession/ noch wüste ich/ daß ein predi-
ger als ein prediger dazu erbethen würde. So ist unterschiedliche mahl von
mir verlangt worden/ bey einigen mittler-stands-leuten in der kirche eine
stand-rede zuzulassen/ wie dergleichen zeit der vacantz etliche mahl geschehen/
und in Cölln noch geschihet: ich habe mich aber noch allezeit gewehret/ wegen
besorglicher vieler unordnung und mißstands/ so in dem finstern vorgehen
könte: Was nun die sepulturen und beysetzungen anlangt/ so gehet bey keiner
amts wegen das ministerium mit/ wie bey tag da sie die deduction haben/
wie auch keine schule dabey sich findet: Aber bey einigen vornehmen gescht-
het es wohl/ daß die prediger als gute freunde mit gebeten werden/ da sie denn
in der procession mit zufolgen kein bedenckens sich bisher gemacht; Wie ich
selbst einmahl bey eines Collegae kindes-leich/ sodann bey einem andern/ da die
trauerleute mir etwas bekant/ mich eingefunden habe: Doch dörffte eben die-
ses letzte exempel/ weilen man so lange sitzen müssen/ und sich die sache verzö-
gert hat/ verursachen/ daß künfftig seltener einer von uns kommen möchte/ wie
es insgesammt einem geladenen frey stehet zu kommen oder nicht. Die 2.
frage lautet: Ob ein Ministerium könne gezwungen werden/ bey sol-
chen nacht-
sepulturen sich einzufinden. Diese bekenne/ daß sie ihre ziemli-
che difficultäten habe. Jch will mich aber auff folgende art erklähren. 1. Die
nacht-begräbnüssen liebe ich an sich selbst nicht/ wie sie an einigen orten auch
nicht anders gebräuchlich sind/ als daß einige personen zur straff/ als
eines offentlichen conductus nicht würdig/ bey abend begraben müssen
werden. So hat Herr D. Kortholt in einem absonderlichen tractätlein wi-
der dieselbige geschrieben; Wie ich nicht weniger noch auff neulichen 16.
Sonntag nach Trinit. sie meinen auditoribus mißrathen habe als einen

miß-
E e e e e 2
ARTIC. III. SECTIO XL.
SECTIO XL.
Von des Miniſterii verhalten bey nacht-begraͤbnuͤſſen.

ES iſt mir leyd geweſen/ die jenige ungelegenheit zu vernehmen/ in wel-
che dieſelbe wegen der naͤchtlichen begraͤbnuͤſſen gerathen zu ſeyn
klagen/ und haͤtte ſie ſolcher entuͤbriget zu ſeyn von hertzen gewuͤnſchet.
Weilen ſie aber auff 2. vorgelegte fragen mein Chriſtliches bedencken erfor-
dern/ ſo habe daſſelbe hiemit in der forcht des Herrn mittheilen wollen. Was
denn anlangt die 1. frage: Ob die herrn geiſtliche zu Berlin denen
naͤchtlichen ſaͤnckungen mitfolgen?
So dienet zur antwort/ daß die nacht-
ſepulturen hier auch ſehr gemein ſind/ und ohne einige diſpenſation oder be-
fragung des Miniſterii von jedem vornehmen uñ geringen nach belieben ange-
ſtellet werden: Nur allein wo abends bey einer ſolchen geleutet werden ſolle/
darff ſolches nicht geſchehen ohne unmittelbahren befehl Sr. Churfl. Durchl.
daher auch die ehr nicht anders als hohen Miniſtris und adelichen geſchihet.
Es iſt aber alsdenn keine formliche procesſion/ noch wuͤſte ich/ daß ein predi-
ger als ein prediger dazu erbethen wuͤrde. So iſt unterſchiedliche mahl von
mir verlangt worden/ bey einigen mittler-ſtands-leuten in der kirche eine
ſtand-rede zuzulaſſen/ wie dergleichen zeit der vacantz etliche mahl geſchehen/
und in Coͤlln noch geſchihet: ich habe mich aber noch allezeit gewehret/ wegen
beſorglicher vieler unordnung und mißſtands/ ſo in dem finſtern vorgehen
koͤnte: Was nun die ſepulturen und beyſetzungen anlangt/ ſo gehet bey keiner
amts wegen das miniſterium mit/ wie bey tag da ſie die deduction haben/
wie auch keine ſchule dabey ſich findet: Aber bey einigen vornehmen geſcht-
het es wohl/ daß die prediger als gute freunde mit gebeten werden/ da ſie denn
in der procesſion mit zufolgen kein bedenckens ſich bisher gemacht; Wie ich
ſelbſt einmahl bey eines Collegæ kindes-leich/ ſodann bey einem andern/ da die
trauerleute mir etwas bekant/ mich eingefunden habe: Doch doͤrffte eben die-
ſes letzte exempel/ weilen man ſo lange ſitzen muͤſſen/ und ſich die ſache verzoͤ-
gert hat/ verurſachen/ daß kuͤnfftig ſeltener einer von uns kommen moͤchte/ wie
es insgeſammt einem geladenen frey ſtehet zu kommen oder nicht. Die 2.
frage lautet: Ob ein Miniſterium koͤnne gezwungen werden/ bey ſol-
chen nacht-
ſepultuꝛen ſich einzufinden. Dieſe bekenne/ daß ſie ihre ziemli-
che difficultaͤten habe. Jch will mich aber auff folgende art erklaͤhren. 1. Die
nacht-begraͤbnuͤſſen liebe ich an ſich ſelbſt nicht/ wie ſie an einigen orten auch
nicht anders gebraͤuchlich ſind/ als daß einige perſonen zur ſtraff/ als
eines offentlichen conductus nicht wuͤrdig/ bey abend begraben muͤſſen
werden. So hat Herr D. Kortholt in einem abſonderlichen tractaͤtlein wi-
der dieſelbige geſchrieben; Wie ich nicht weniger noch auff neulichen 16.
Sonntag nach Trinit. ſie meinen auditoribus mißrathen habe als einen

miß-
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[771/0787] ARTIC. III. SECTIO XL. SECTIO XL. Von des Miniſterii verhalten bey nacht-begraͤbnuͤſſen. ES iſt mir leyd geweſen/ die jenige ungelegenheit zu vernehmen/ in wel- che dieſelbe wegen der naͤchtlichen begraͤbnuͤſſen gerathen zu ſeyn klagen/ und haͤtte ſie ſolcher entuͤbriget zu ſeyn von hertzen gewuͤnſchet. Weilen ſie aber auff 2. vorgelegte fragen mein Chriſtliches bedencken erfor- dern/ ſo habe daſſelbe hiemit in der forcht des Herrn mittheilen wollen. Was denn anlangt die 1. frage: Ob die herrn geiſtliche zu Berlin denen naͤchtlichen ſaͤnckungen mitfolgen? So dienet zur antwort/ daß die nacht- ſepulturen hier auch ſehr gemein ſind/ und ohne einige diſpenſation oder be- fragung des Miniſterii von jedem vornehmen uñ geringen nach belieben ange- ſtellet werden: Nur allein wo abends bey einer ſolchen geleutet werden ſolle/ darff ſolches nicht geſchehen ohne unmittelbahren befehl Sr. Churfl. Durchl. daher auch die ehr nicht anders als hohen Miniſtris und adelichen geſchihet. Es iſt aber alsdenn keine formliche procesſion/ noch wuͤſte ich/ daß ein predi- ger als ein prediger dazu erbethen wuͤrde. So iſt unterſchiedliche mahl von mir verlangt worden/ bey einigen mittler-ſtands-leuten in der kirche eine ſtand-rede zuzulaſſen/ wie dergleichen zeit der vacantz etliche mahl geſchehen/ und in Coͤlln noch geſchihet: ich habe mich aber noch allezeit gewehret/ wegen beſorglicher vieler unordnung und mißſtands/ ſo in dem finſtern vorgehen koͤnte: Was nun die ſepulturen und beyſetzungen anlangt/ ſo gehet bey keiner amts wegen das miniſterium mit/ wie bey tag da ſie die deduction haben/ wie auch keine ſchule dabey ſich findet: Aber bey einigen vornehmen geſcht- het es wohl/ daß die prediger als gute freunde mit gebeten werden/ da ſie denn in der procesſion mit zufolgen kein bedenckens ſich bisher gemacht; Wie ich ſelbſt einmahl bey eines Collegæ kindes-leich/ ſodann bey einem andern/ da die trauerleute mir etwas bekant/ mich eingefunden habe: Doch doͤrffte eben die- ſes letzte exempel/ weilen man ſo lange ſitzen muͤſſen/ und ſich die ſache verzoͤ- gert hat/ verurſachen/ daß kuͤnfftig ſeltener einer von uns kommen moͤchte/ wie es insgeſammt einem geladenen frey ſtehet zu kommen oder nicht. Die 2. frage lautet: Ob ein Miniſterium koͤnne gezwungen werden/ bey ſol- chen nacht-ſepultuꝛen ſich einzufinden. Dieſe bekenne/ daß ſie ihre ziemli- che difficultaͤten habe. Jch will mich aber auff folgende art erklaͤhren. 1. Die nacht-begraͤbnuͤſſen liebe ich an ſich ſelbſt nicht/ wie ſie an einigen orten auch nicht anders gebraͤuchlich ſind/ als daß einige perſonen zur ſtraff/ als eines offentlichen conductus nicht wuͤrdig/ bey abend begraben muͤſſen werden. So hat Herr D. Kortholt in einem abſonderlichen tractaͤtlein wi- der dieſelbige geſchrieben; Wie ich nicht weniger noch auff neulichen 16. Sonntag nach Trinit. ſie meinen auditoribus mißrathen habe als einen miß- E e e e e 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 771. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/787>, abgerufen am 18.12.2024.