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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. III. SECTIO XXXI.
den halten sollen/ als es ihnen verdencken mögen/ wenn einige ihrer zu-
hörer/ von dero reinigkeit der lehr und wahrer ungefärbter gottseligkeit
sie versichert sind/ die pflichten ihres geistlichen priesterthums ihnen mit
ernst lassen angelegen seyn/ und was andere an denselben leider ver-
säumen (da sie doch allen angelegen seyn solten) an ihrem theil nach ver-
mögen ersetzen. Weil es gleichwol eine gewisse wahrheit ist/ daß GOtt
das priesterthum und predigamt in seiner kirchen also neben einander ge-
setzt habe/ daß wie das priesterthum ohne regierung des predigamts we-
nig ausrichtet/ noch in rechter ordnung leicht erhalten werden kan/ also
hingegen das predigamt ohne beyhülffe des priesterthums seinen völligen
zweck in gnugsamer erbauung der gantzen gemeinde auch nicht erreichet.
Der HERR erhalte solche beyde kleinoder aller orten seiner kirchen/ und
vereinige sie in einigkeit des Geistes mit dem bande des friedens zu ge-
meinschafftlicher erbauung des leibes CHristi. Jch komme nun auff das
letzte wegen des elenchi und der versprüche in den Brandenburgischen
kirchen/ die von den vocandis sollen erfodert werden: Jch kan aber auch
nicht eigentlich davon urtheilen/ da ich keine solche vor augen habe/ noch
sie also gnug betrachten kan. Jch erklähre aber meine meynung davon
insgemein 1. Kan sich kein Christlicher prediger verbinden lassen/ einigen
irrigen articul/ oder den er in seinem gewissen vor irrig hält/ seiner gemein-
de vorzutragen/ als welches ausdrücklich hiesse liegen in dem nahmen des
HERRN/ und ihn also öffentlich entheiligen. 2. Er kan sich auch nicht
verbinden lassen/ einige der jenigen wahrheiten/ die er erkannt hat/
und sie seiner gemeinde erbaulich zu seyn findet/ auszulassen/ und sie der-
selben zu verschweigen/ den widrigen zu gefallen/ da er doch allen rath
Gottes zu ihrer seligkeit ihnen zu offenbahren gehalten ist. 3. Er kan sich auch
nicht verbinden lassen/ diejenige irrige lehren/ von denen er zu sorgen hat/
daß seine gemeinde möchte eingenommen werden und daher schaden leiden/
unberührt zu lassen/ sondern er hat vielmehr ursach/ in solchem puncte
so wol die wahrheiten zu befestigen/ als auch durch vorstellung der derselben
zu widerstreitenden irrthume/ und dero gefahr/ so dann jener widerlegung
seine zuhörer davor zu bewahren: und zwahr muß er solches thun mit benen-
nung der jenigen/ die also lehren/ oder doch solcher beschreibung/ daß achtge-
bende zuhörer verstehen mögen/ was vor irrthume sie zu meiden haben/ damit
nicht aus seiner schuld jemand verführet werde. 4. Er kan sich wol dazu ver-

binden

ARTIC. III. SECTIO XXXI.
den halten ſollen/ als es ihnen verdencken moͤgen/ wenn einige ihrer zu-
hoͤrer/ von dero reinigkeit der lehr und wahrer ungefaͤrbter gottſeligkeit
ſie verſichert ſind/ die pflichten ihres geiſtlichen prieſterthums ihnen mit
ernſt laſſen angelegen ſeyn/ und was andere an denſelben leider ver-
ſaͤumen (da ſie doch allen angelegen ſeyn ſolten) an ihrem theil nach ver-
moͤgen erſetzen. Weil es gleichwol eine gewiſſe wahrheit iſt/ daß GOtt
das prieſterthum und predigamt in ſeiner kirchen alſo neben einander ge-
ſetzt habe/ daß wie das prieſterthum ohne regierung des predigamts we-
nig ausrichtet/ noch in rechter ordnung leicht erhalten werden kan/ alſo
hingegen das predigamt ohne beyhuͤlffe des prieſterthums ſeinen voͤlligen
zweck in gnugſamer erbauung der gantzen gemeinde auch nicht erreichet.
Der HERR erhalte ſolche beyde kleinoder aller orten ſeiner kirchen/ und
vereinige ſie in einigkeit des Geiſtes mit dem bande des friedens zu ge-
meinſchafftlicher erbauung des leibes CHriſti. Jch komme nun auff das
letzte wegen des elenchi und der verſpruͤche in den Brandenburgiſchen
kirchen/ die von den vocandis ſollen erfodert werden: Jch kan aber auch
nicht eigentlich davon urtheilen/ da ich keine ſolche vor augen habe/ noch
ſie alſo gnug betrachten kan. Jch erklaͤhre aber meine meynung davon
insgemein 1. Kan ſich kein Chriſtlicher prediger verbinden laſſen/ einigen
irrigen articul/ oder den er in ſeinem gewiſſen vor irrig haͤlt/ ſeiner gemein-
de vorzutragen/ als welches ausdruͤcklich hieſſe liegen in dem nahmen des
HERRN/ und ihn alſo oͤffentlich entheiligen. 2. Er kan ſich auch nicht
verbinden laſſen/ einige der jenigen wahrheiten/ die er erkannt hat/
und ſie ſeiner gemeinde erbaulich zu ſeyn findet/ auszulaſſen/ und ſie der-
ſelben zu verſchweigen/ den widrigen zu gefallen/ da er doch allen rath
Gottes zu ihrer ſeligkeit ihnen zu offenbahren gehalten iſt. 3. Er kan ſich auch
nicht verbinden laſſen/ diejenige irrige lehren/ von denen er zu ſorgen hat/
daß ſeine gemeinde moͤchte eingenommen werden und daher ſchaden leiden/
unberuͤhrt zu laſſen/ ſondern er hat vielmehr urſach/ in ſolchem puncte
ſo wol die wahrheiten zu befeſtigen/ als auch durch vorſtellung der derſelben
zu widerſtreitenden irrthume/ und dero gefahr/ ſo dann jener widerlegung
ſeine zuhoͤrer davor zu bewahren: und zwahr muß er ſolches thun mit benen-
nung der jenigen/ die alſo lehren/ oder doch ſolcher beſchreibung/ daß achtge-
bende zuhoͤrer verſtehen moͤgen/ was vor irrthume ſie zu meiden haben/ damit
nicht aus ſeiner ſchuld jemand verfuͤhret werde. 4. Er kan ſich wol dazu ver-

binden
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[743/0759] ARTIC. III. SECTIO XXXI. den halten ſollen/ als es ihnen verdencken moͤgen/ wenn einige ihrer zu- hoͤrer/ von dero reinigkeit der lehr und wahrer ungefaͤrbter gottſeligkeit ſie verſichert ſind/ die pflichten ihres geiſtlichen prieſterthums ihnen mit ernſt laſſen angelegen ſeyn/ und was andere an denſelben leider ver- ſaͤumen (da ſie doch allen angelegen ſeyn ſolten) an ihrem theil nach ver- moͤgen erſetzen. Weil es gleichwol eine gewiſſe wahrheit iſt/ daß GOtt das prieſterthum und predigamt in ſeiner kirchen alſo neben einander ge- ſetzt habe/ daß wie das prieſterthum ohne regierung des predigamts we- nig ausrichtet/ noch in rechter ordnung leicht erhalten werden kan/ alſo hingegen das predigamt ohne beyhuͤlffe des prieſterthums ſeinen voͤlligen zweck in gnugſamer erbauung der gantzen gemeinde auch nicht erreichet. Der HERR erhalte ſolche beyde kleinoder aller orten ſeiner kirchen/ und vereinige ſie in einigkeit des Geiſtes mit dem bande des friedens zu ge- meinſchafftlicher erbauung des leibes CHriſti. Jch komme nun auff das letzte wegen des elenchi und der verſpruͤche in den Brandenburgiſchen kirchen/ die von den vocandis ſollen erfodert werden: Jch kan aber auch nicht eigentlich davon urtheilen/ da ich keine ſolche vor augen habe/ noch ſie alſo gnug betrachten kan. Jch erklaͤhre aber meine meynung davon insgemein 1. Kan ſich kein Chriſtlicher prediger verbinden laſſen/ einigen irrigen articul/ oder den er in ſeinem gewiſſen vor irrig haͤlt/ ſeiner gemein- de vorzutragen/ als welches ausdruͤcklich hieſſe liegen in dem nahmen des HERRN/ und ihn alſo oͤffentlich entheiligen. 2. Er kan ſich auch nicht verbinden laſſen/ einige der jenigen wahrheiten/ die er erkannt hat/ und ſie ſeiner gemeinde erbaulich zu ſeyn findet/ auszulaſſen/ und ſie der- ſelben zu verſchweigen/ den widrigen zu gefallen/ da er doch allen rath Gottes zu ihrer ſeligkeit ihnen zu offenbahren gehalten iſt. 3. Er kan ſich auch nicht verbinden laſſen/ diejenige irrige lehren/ von denen er zu ſorgen hat/ daß ſeine gemeinde moͤchte eingenommen werden und daher ſchaden leiden/ unberuͤhrt zu laſſen/ ſondern er hat vielmehr urſach/ in ſolchem puncte ſo wol die wahrheiten zu befeſtigen/ als auch durch vorſtellung der derſelben zu widerſtreitenden irrthume/ und dero gefahr/ ſo dann jener widerlegung ſeine zuhoͤrer davor zu bewahren: und zwahr muß er ſolches thun mit benen- nung der jenigen/ die alſo lehren/ oder doch ſolcher beſchreibung/ daß achtge- bende zuhoͤrer verſtehen moͤgen/ was vor irrthume ſie zu meiden haben/ damit nicht aus ſeiner ſchuld jemand verfuͤhret werde. 4. Er kan ſich wol dazu ver- binden

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 743. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/759>, abgerufen am 22.11.2024.