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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
kinder zu mir nach hauß kommen/ so viel länger extendiren/ und desto mehr
fleiß bey ihnen anwenden (wozu eben keine absonderliche constitution und
erlaubnüß nöthig ist) damit sie nicht nur selbst ein desto festeres fundament
auff ihr lebelang legen/ wann sie gewöhnet worden/ ihre catechetische materien
selbst aus der schrifft zuerweisen/ und sich zu gründen/ sondern es wäre auch
dahin zutrachten/ daß man einige der eltern beredete/ zu weilen dabey zuseyn/
ob sie auch einen anmuthdazu bekämen. Wozu auch dienlich wäre/ wofern
die öffentliche confirmation und vorstellung bey ihnen nicht üblich/ daß der
pfarrer um öfftere gelegenheit zuhaben die mühe nicht schonete/ und nicht alle
confirmandos auf einmal examinirte/ sondern singulos mit nothwendiger
erforderung/ daß die eltern alsdenn dabey seyn/ da etwa mit guten worten die
der übrigen candidatorum eltern und etliche davon möchten bewogen werden/
daß sie auch bey solchem examine wären/ auff daß also dergleichen und zwahr
unverdächtige/ auch keiner publicae autoritatis bedürfftige/ privati con-
gressus
mehrmahl mögen angestellet/ und in denselben allemahl gelegenheit
gegeben werden/ nicht nur immer solche stunden bey den zuhörern wol zuzubrin-
gen/ sondern auch den leuten allezeit eine neue anmuth zu dem guten zumachen/
welches insgemein eben deßwegen von den meisten so wenig geachtet wird/ weil
sie nichts davon zuschmecken angefangen haben. Wären dann etliche der ge-
meinde zu einer rechten liebe des göttlichen worts gebracht/ so wäre alsdann
erst zuversuchen/ wie zuweilen einige von solchen bey gegebener oder gesuchter
gelegenheit zu dem pfarrer kämen/ und sich weiter erbauen liessen: und da
möchte GOtt alsdann immer eine thür nach der andern öffnen/ die wir jetzo
noch nicht sehen. Dann die regel bleibet stets/ wer da hat/ und also/ dasselbe
treulich gebraucht/ dem wird gegeben. Wo man darnach dergleichen leute/ die
nun mehr gleichsam auffs neue sich resolvirt/ und von sich sehen lassen/ daß
sie gern wollen gute Christen seyn/ unterschiedliche in seiner gemeinde/ und sie
also durch göttliche gnade zu einem eyffer gebracht hat/ da mag alsdann das
geistliche priesterthum bey ihnen mit nachdruck getrieben/ und ihnen ihr
recht und schuldigkeit gezeigt werden. Welches ich gern gestehe/ daß die je-
nige/ so in dem welt-sood meistentheils stecken/ und an denen ohne den nahmen
und eusserliche gemeinschafft nichts Christliches ist/ weder fassen noch GOtt
gefällig üben können. Was mein drittes mittel anlanget/ so ists so be-
wandt/ daß es auff gleiche art aller orten getrieben werden mag und soll: also
auch das vierdte/ so fern man anderer religion leute unter sich wohnen hat.
Dann da muß das bauers volck eben so wohl gelehret werden/ wie sie zwahr

an

Das andere Capitel.
kinder zu mir nach hauß kommen/ ſo viel laͤnger extendiren/ und deſto mehr
fleiß bey ihnen anwenden (wozu eben keine abſonderliche conſtitution und
erlaubnuͤß noͤthig iſt) damit ſie nicht nur ſelbſt ein deſto feſteres fundament
auff ihr lebelang legen/ wann ſie gewoͤhnet worden/ ihre catechetiſche materien
ſelbſt aus der ſchrifft zuerweiſen/ und ſich zu gruͤnden/ ſondern es waͤre auch
dahin zutrachten/ daß man einige der eltern beredete/ zu weilen dabey zuſeyn/
ob ſie auch einen anmuthdazu bekaͤmen. Wozu auch dienlich waͤre/ wofern
die oͤffentliche confirmation und vorſtellung bey ihnen nicht uͤblich/ daß der
pfarrer um oͤfftere gelegenheit zuhaben die muͤhe nicht ſchonete/ und nicht alle
confirmandos auf einmal examinirte/ ſondeꝛn ſingulos mit nothwendiger
erforderung/ daß die eltern alsdenn dabey ſeyn/ da etwa mit guten worten die
der uͤbrigen candidatorum eltern uñ etliche davon moͤchten bewogen weꝛden/
daß ſie auch bey ſolchem examine waͤren/ auff daß alſo dergleichen und zwahr
unverdaͤchtige/ auch keiner publicæ autoritatis beduͤrfftige/ privati con-
greſſus
mehrmahl moͤgen angeſtellet/ und in denſelben allemahl gelegenheit
gegeben werden/ nicht nur im̃er ſolche ſtunden bey den zuhoͤrern wol zuzubrin-
gen/ ſondeꝛn auch den leuten allezeit eine neue anmuth zu dem guten zumachen/
welches insgemein eben deßwegen von den meiſten ſo wenig geachtet wird/ weil
ſie nichts davon zuſchmecken angefangen haben. Waͤren dann etliche der ge-
meinde zu einer rechten liebe des goͤttlichen worts gebracht/ ſo waͤre alsdann
erſt zuverſuchen/ wie zuweilen einige von ſolchen bey gegebener oder geſuchter
gelegenheit zu dem pfarrer kaͤmen/ und ſich weiter erbauen lieſſen: und da
moͤchte GOtt alsdann immer eine thuͤr nach der andern oͤffnen/ die wir jetzo
noch nicht ſehen. Dann die regel bleibet ſtets/ wer da hat/ und alſo/ daſſelbe
treulich gebraucht/ dem wird gegeben. Wo man darnach deꝛgleichen leute/ die
nun mehr gleichſam auffs neue ſich reſolvirt/ und von ſich ſehen laſſen/ daß
ſie gern wollen gute Chriſten ſeyn/ unterſchiedliche in ſeiner gemeinde/ und ſie
alſo durch goͤttliche gnade zu einem eyffer gebracht hat/ da mag alsdann das
geiſtliche prieſterthum bey ihnen mit nachdruck getrieben/ und ihnen ihr
recht und ſchuldigkeit gezeigt werden. Welches ich gern geſtehe/ daß die je-
nige/ ſo in dem welt-ſood meiſtentheils ſtecken/ und an denen ohne den nahmen
und euſſerliche gemeinſchafft nichts Chriſtliches iſt/ weder faſſen noch GOtt
gefaͤllig uͤben koͤnnen. Was mein drittes mittel anlanget/ ſo iſts ſo be-
wandt/ daß es auff gleiche art aller orten getrieben werden mag und ſoll: alſo
auch das vierdte/ ſo fern man anderer religion leute unter ſich wohnen hat.
Dann da muß das bauers volck eben ſo wohl gelehret werden/ wie ſie zwahr

an
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[714/0730] Das andere Capitel. kinder zu mir nach hauß kommen/ ſo viel laͤnger extendiren/ und deſto mehr fleiß bey ihnen anwenden (wozu eben keine abſonderliche conſtitution und erlaubnuͤß noͤthig iſt) damit ſie nicht nur ſelbſt ein deſto feſteres fundament auff ihr lebelang legen/ wann ſie gewoͤhnet worden/ ihre catechetiſche materien ſelbſt aus der ſchrifft zuerweiſen/ und ſich zu gruͤnden/ ſondern es waͤre auch dahin zutrachten/ daß man einige der eltern beredete/ zu weilen dabey zuſeyn/ ob ſie auch einen anmuthdazu bekaͤmen. Wozu auch dienlich waͤre/ wofern die oͤffentliche confirmation und vorſtellung bey ihnen nicht uͤblich/ daß der pfarrer um oͤfftere gelegenheit zuhaben die muͤhe nicht ſchonete/ und nicht alle confirmandos auf einmal examinirte/ ſondeꝛn ſingulos mit nothwendiger erforderung/ daß die eltern alsdenn dabey ſeyn/ da etwa mit guten worten die der uͤbrigen candidatorum eltern uñ etliche davon moͤchten bewogen weꝛden/ daß ſie auch bey ſolchem examine waͤren/ auff daß alſo dergleichen und zwahr unverdaͤchtige/ auch keiner publicæ autoritatis beduͤrfftige/ privati con- greſſus mehrmahl moͤgen angeſtellet/ und in denſelben allemahl gelegenheit gegeben werden/ nicht nur im̃er ſolche ſtunden bey den zuhoͤrern wol zuzubrin- gen/ ſondeꝛn auch den leuten allezeit eine neue anmuth zu dem guten zumachen/ welches insgemein eben deßwegen von den meiſten ſo wenig geachtet wird/ weil ſie nichts davon zuſchmecken angefangen haben. Waͤren dann etliche der ge- meinde zu einer rechten liebe des goͤttlichen worts gebracht/ ſo waͤre alsdann erſt zuverſuchen/ wie zuweilen einige von ſolchen bey gegebener oder geſuchter gelegenheit zu dem pfarrer kaͤmen/ und ſich weiter erbauen lieſſen: und da moͤchte GOtt alsdann immer eine thuͤr nach der andern oͤffnen/ die wir jetzo noch nicht ſehen. Dann die regel bleibet ſtets/ wer da hat/ und alſo/ daſſelbe treulich gebraucht/ dem wird gegeben. Wo man darnach deꝛgleichen leute/ die nun mehr gleichſam auffs neue ſich reſolvirt/ und von ſich ſehen laſſen/ daß ſie gern wollen gute Chriſten ſeyn/ unterſchiedliche in ſeiner gemeinde/ und ſie alſo durch goͤttliche gnade zu einem eyffer gebracht hat/ da mag alsdann das geiſtliche prieſterthum bey ihnen mit nachdruck getrieben/ und ihnen ihr recht und ſchuldigkeit gezeigt werden. Welches ich gern geſtehe/ daß die je- nige/ ſo in dem welt-ſood meiſtentheils ſtecken/ und an denen ohne den nahmen und euſſerliche gemeinſchafft nichts Chriſtliches iſt/ weder faſſen noch GOtt gefaͤllig uͤben koͤnnen. Was mein drittes mittel anlanget/ ſo iſts ſo be- wandt/ daß es auff gleiche art aller orten getrieben werden mag und ſoll: alſo auch das vierdte/ ſo fern man anderer religion leute unter ſich wohnen hat. Dann da muß das bauers volck eben ſo wohl gelehret werden/ wie ſie zwahr an

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 714. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/730>, abgerufen am 23.11.2024.