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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
Gott von seinem willen bezeuget/ die welt glaube es oder nicht. Absonderl. das
tantzen anlangend habe ich in der vorrede der verleideten weltliebe meine
meinung zur gnüge vorgestellet/ wie ich freylich auch davor halte/ ob einiger
unsträfl. gebrauch des tantzens seyn/ und in der theoria eingebildet werden
könte/ daß dannoch auffs wenigste alles unser gemeines tantzen zu dem miß-
brauch gehöre. Jndessen gehörets unter die jenige stücke/ derer mehrere sind/
welche wir nicht abzuschaffen vermögen/ und wir allezeit unsren gemeinden
den willen Gottes von allem also vorzustellen haben/ daß auffs wenigste die
seelen/ welche GOtt fürchten/ und ihr heil suchen/ sich dergl. eitelkeit enthal-
ten/ u. sich nicht damit beflecken: Bey den übrigen/ bey denen auch sonst nichts
rechtschaffenes von dem Christenthum ist/ werden wir ohnedas nichts aus-
richten/ noch sie sich ihre lust nehmen lassen: ja ob sie dieses unterliessen/ wäre
dannoch nichts ausgerichtet/ da nicht vorher auch in den hauptstücken ein rech-
ter grund bey ihnen geleget wäre. Hiebey was die wirthe anlanget/ fället mir
ein/ daß jetzt ein tractat eines Lausitzischen pfarrherrn allhier gedruckt wird/
von dem guten und bösen Scholtzen wie sie die wirthe/ schencken oder
caupones nennen) da also solcher profession pflichten und sünden weitläuff-
tig fürgestellet werden. Jst noch übrig der punct wegen der sontagsmärckte/
welche ich auch erkenne ein ärgernüß und stück der sabbaths-entheiligung zu
seyn. Nun ists an dem/ daß Christl. obrigkeiten am besten rathen könten/ und
auch solten/ durch verlegung derselben auff die wochen-tage (dergl. auch in
hiesigen landes-gesetzen heilsamlich verordnet/ ob zwahr solche verordnung
nicht aller orten in schwang gekommen/ oder wiederum abgegangen/ hinge-
gen hoffnung ist/ daß kürtzl. der sache kräfftiger gerathen werden möchte) wo
aber solches nicht geschihet/ sondern die obrigkeit verstattet die sache/ können
wir nicht weiter/ als die gewissen gründl. zu unterrichten/ und ihnen den scha-
den und verlust/ welchen sie durch versäumniß des göttl. an solchem tage an
der seele leiden/ ob solcher oder der hoffende zeitliche gewinn grösser seye/ be-
weglich vorzustellen/ auch mit diesem erinnern nicht müde zu werden/ ob end-
lich der HErr auffs wenigste dieses und jenes hertz noch kräfftig rühren möch-
te. Wir haben aber in solcher materie auch so viel behutsamer zu gehen/ nach
dem unter unsern vornehmen Theologen einige sind/ welche die sontags-
märckte nicht vor verboten achten/ ja fast gar alle sabbaths-pflicht kaum auff
etwas anders setzen/ als die öffentl. versamlungen und dero besuchung; so mich
manchmal nicht wenig betrübet/ der ich hingegen glaube/ nachdem alles geist-
liche gute durch das göttliche wort in uns gewircket werden muß/ zu dessen
frucht aber/ wo es gnugsam durchtringen solle/ eine beständigere betrachtung
als in einem stündlein/ so man vor mittags in der kirche zubringet/ ausgerich-
tet werden kan/ nothwendig ist/ daß die völlige anwendung des gantzen tages
zu geistl. übungen eines der treflichsten beforderungs-mittel des Christen-

thums

Das andere Capitel.
Gott von ſeinem willen bezeuget/ die welt glaube es oder nicht. Abſonderl. das
tantzen anlangend habe ich in der vorrede der verleideten weltliebe meine
meinung zur gnuͤge vorgeſtellet/ wie ich freylich auch davor halte/ ob einiger
unſtraͤfl. gebrauch des tantzens ſeyn/ und in der theoria eingebildet werden
koͤnte/ daß dannoch auffs wenigſte alles unſer gemeines tantzen zu dem miß-
brauch gehoͤre. Jndeſſen gehoͤrets unter die jenige ſtuͤcke/ derer mehrere ſind/
welche wir nicht abzuſchaffen vermoͤgen/ und wir allezeit unſren gemeinden
den willen Gottes von allem alſo vorzuſtellen haben/ daß auffs wenigſte die
ſeelen/ welche GOtt fuͤrchten/ und ihr heil ſuchen/ ſich dergl. eitelkeit enthal-
ten/ u. ſich nicht damit beflecken: Bey den uͤbrigen/ bey denen auch ſonſt nichts
rechtſchaffenes von dem Chriſtenthum iſt/ werden wir ohnedas nichts aus-
richten/ noch ſie ſich ihre luſt nehmen laſſen: ja ob ſie dieſes unterlieſſen/ waͤre
dannoch nichts ausgeꝛichtet/ da nicht voꝛher auch in den hauptſtuͤcken ein rech-
ter grund bey ihnen geleget waͤre. Hiebey was die wirthe anlanget/ faͤllet mir
ein/ daß jetzt ein tractat eines Lauſitziſchen pfarrherrn allhier gedruckt wird/
von dem guten und boͤſen Scholtzen wie ſie die wirthe/ ſchencken oder
caupones nennen) da alſo ſolcher profeſſion pflichten und ſuͤnden weitlaͤuff-
tig fuͤrgeſtellet werden. Jſt noch uͤbrig der punct wegen der ſontagsmaͤꝛckte/
welche ich auch erkenne ein aͤrgernuͤß und ſtuͤck der ſabbaths-entheiligung zu
ſeyn. Nun iſts an dem/ daß Chriſtl. obrigkeiten am beſten rathen koͤnten/ und
auch ſolten/ durch verlegung derſelben auff die wochen-tage (dergl. auch in
hieſigen landes-geſetzen heilſamlich verordnet/ ob zwahr ſolche verordnung
nicht aller orten in ſchwang gekommen/ oder wiederum abgegangen/ hinge-
gen hoffnung iſt/ daß kuͤrtzl. der ſache kraͤfftiger gerathen werden moͤchte) wo
aber ſolches nicht geſchihet/ ſondern die obrigkeit verſtattet die ſache/ koͤnnen
wir nicht weiter/ als die gewiſſen gruͤndl. zu unterrichten/ und ihnen den ſcha-
den und verluſt/ welchen ſie durch verſaͤumniß des goͤttl. an ſolchem tage an
der ſeele leiden/ ob ſolcher oder der hoffende zeitliche gewinn groͤſſer ſeye/ be-
weglich vorzuſtellen/ auch mit dieſem erinnern nicht muͤde zu werden/ ob end-
lich der HErr auffs wenigſte dieſes und jenes hertz noch kraͤfftig ruͤhren moͤch-
te. Wir haben aber in ſolcher materie auch ſo viel behutſamer zu gehen/ nach
dem unter unſern vornehmen Theologen einige ſind/ welche die ſontags-
maͤrckte nicht vor verboten achten/ ja faſt gar alle ſabbaths-pflicht kaum auff
etwas anders ſetzen/ als die oͤffentl. verſamlungen und dero beſuchung; ſo mich
manchmal nicht wenig betruͤbet/ der ich hingegen glaube/ nachdem alles geiſt-
liche gute durch das goͤttliche wort in uns gewircket werden muß/ zu deſſen
frucht aber/ wo es gnugſam durchtringen ſolle/ eine beſtaͤndigere betrachtung
als in einem ſtuͤndlein/ ſo man vor mittags in der kirche zubringet/ ausgerich-
tet werden kan/ nothwendig iſt/ daß die voͤllige anwendung des gantzen tages
zu geiſtl. uͤbungen eines der treflichſten beforderungs-mittel des Chriſten-

thums
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[682/0698] Das andere Capitel. Gott von ſeinem willen bezeuget/ die welt glaube es oder nicht. Abſonderl. das tantzen anlangend habe ich in der vorrede der verleideten weltliebe meine meinung zur gnuͤge vorgeſtellet/ wie ich freylich auch davor halte/ ob einiger unſtraͤfl. gebrauch des tantzens ſeyn/ und in der theoria eingebildet werden koͤnte/ daß dannoch auffs wenigſte alles unſer gemeines tantzen zu dem miß- brauch gehoͤre. Jndeſſen gehoͤrets unter die jenige ſtuͤcke/ derer mehrere ſind/ welche wir nicht abzuſchaffen vermoͤgen/ und wir allezeit unſren gemeinden den willen Gottes von allem alſo vorzuſtellen haben/ daß auffs wenigſte die ſeelen/ welche GOtt fuͤrchten/ und ihr heil ſuchen/ ſich dergl. eitelkeit enthal- ten/ u. ſich nicht damit beflecken: Bey den uͤbrigen/ bey denen auch ſonſt nichts rechtſchaffenes von dem Chriſtenthum iſt/ werden wir ohnedas nichts aus- richten/ noch ſie ſich ihre luſt nehmen laſſen: ja ob ſie dieſes unterlieſſen/ waͤre dannoch nichts ausgeꝛichtet/ da nicht voꝛher auch in den hauptſtuͤcken ein rech- ter grund bey ihnen geleget waͤre. Hiebey was die wirthe anlanget/ faͤllet mir ein/ daß jetzt ein tractat eines Lauſitziſchen pfarrherrn allhier gedruckt wird/ von dem guten und boͤſen Scholtzen wie ſie die wirthe/ ſchencken oder caupones nennen) da alſo ſolcher profeſſion pflichten und ſuͤnden weitlaͤuff- tig fuͤrgeſtellet werden. Jſt noch uͤbrig der punct wegen der ſontagsmaͤꝛckte/ welche ich auch erkenne ein aͤrgernuͤß und ſtuͤck der ſabbaths-entheiligung zu ſeyn. Nun iſts an dem/ daß Chriſtl. obrigkeiten am beſten rathen koͤnten/ und auch ſolten/ durch verlegung derſelben auff die wochen-tage (dergl. auch in hieſigen landes-geſetzen heilſamlich verordnet/ ob zwahr ſolche verordnung nicht aller orten in ſchwang gekommen/ oder wiederum abgegangen/ hinge- gen hoffnung iſt/ daß kuͤrtzl. der ſache kraͤfftiger gerathen werden moͤchte) wo aber ſolches nicht geſchihet/ ſondern die obrigkeit verſtattet die ſache/ koͤnnen wir nicht weiter/ als die gewiſſen gruͤndl. zu unterrichten/ und ihnen den ſcha- den und verluſt/ welchen ſie durch verſaͤumniß des goͤttl. an ſolchem tage an der ſeele leiden/ ob ſolcher oder der hoffende zeitliche gewinn groͤſſer ſeye/ be- weglich vorzuſtellen/ auch mit dieſem erinnern nicht muͤde zu werden/ ob end- lich der HErr auffs wenigſte dieſes und jenes hertz noch kraͤfftig ruͤhren moͤch- te. Wir haben aber in ſolcher materie auch ſo viel behutſamer zu gehen/ nach dem unter unſern vornehmen Theologen einige ſind/ welche die ſontags- maͤrckte nicht vor verboten achten/ ja faſt gar alle ſabbaths-pflicht kaum auff etwas anders ſetzen/ als die oͤffentl. verſamlungen und dero beſuchung; ſo mich manchmal nicht wenig betruͤbet/ der ich hingegen glaube/ nachdem alles geiſt- liche gute durch das goͤttliche wort in uns gewircket werden muß/ zu deſſen frucht aber/ wo es gnugſam durchtringen ſolle/ eine beſtaͤndigere betrachtung als in einem ſtuͤndlein/ ſo man vor mittags in der kirche zubringet/ ausgerich- tet werden kan/ nothwendig iſt/ daß die voͤllige anwendung des gantzen tages zu geiſtl. uͤbungen eines der treflichſten beforderungs-mittel des Chriſten- thums

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 682. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/698>, abgerufen am 22.11.2024.