Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.SECTIO XII. vielem gefolget/ und sich auff ihn bezogen. Daher er das buch mit nach hau-se nahm/ und nach einiger zeit mir alles entdeckte/ wie es eine zeitlang mit ihm gestanden/ aber daß/ als er nach Varenio Taulerum mit weniger sorge wieder zu lesen angefangen/ und seinem anweisen gefolget hätte/ er nunmehr der göttlichen krafft der schrifft in dero lesung selbs gewahr/ auch seine vorige buchstäbliche erkäntnüß recht lebendig in ihm worden seye. Welches sich auch in seinem ferneren leben gnugsam geoffenbahret hat. Aus welchem exempel auch erhellen kan/ wie gemüther/ die auch nicht böse sind/ bey allem buchstäb- lichen wissen in die gefahr des Atheismi gerathen können/ wo sie nicht sonder- lich von GOtt davor bewahret/ oder wieder heraus gerissen werden. §. XIV. Es kan aber nicht allein so zureden natürlich geschehen/ daß ein daß G 3
SECTIO XII. vielem gefolget/ und ſich auff ihn bezogen. Daher er das buch mit nach hau-ſe nahm/ und nach einiger zeit mir alles entdeckte/ wie es eine zeitlang mit ihm geſtanden/ aber daß/ als er nach Varenio Taulerum mit weniger ſorge wieder zu leſen angefangen/ und ſeinem anweiſen gefolget haͤtte/ er nunmehr der goͤttlichen krafft der ſchrifft in dero leſung ſelbs gewahr/ auch ſeine vorige buchſtaͤbliche erkaͤntnuͤß recht lebendig in ihm worden ſeye. Welches ſich auch in ſeinem ferneren leben gnugſam geoffenbahret hat. Aus welchem exempel auch erhellen kan/ wie gemuͤther/ die auch nicht boͤſe ſind/ bey allem buchſtaͤb- lichen wiſſen in die gefahr des Atheiſmi gerathen koͤnnen/ wo ſie nicht ſonder- lich von GOtt davor bewahret/ oder wieder heraus geriſſen werden. §. XIV. Es kan aber nicht allein ſo zureden natuͤrlich geſchehen/ daß ein daß G 3
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SECTIO XII.
vielem gefolget/ und ſich auff ihn bezogen. Daher er das buch mit nach hau-
ſe nahm/ und nach einiger zeit mir alles entdeckte/ wie es eine zeitlang mit
ihm geſtanden/ aber daß/ als er nach Varenio Taulerum mit weniger ſorge
wieder zu leſen angefangen/ und ſeinem anweiſen gefolget haͤtte/ er nunmehr
der goͤttlichen krafft der ſchrifft in dero leſung ſelbs gewahr/ auch ſeine vorige
buchſtaͤbliche erkaͤntnuͤß recht lebendig in ihm worden ſeye. Welches ſich auch
in ſeinem ferneren leben gnugſam geoffenbahret hat. Aus welchem exempel
auch erhellen kan/ wie gemuͤther/ die auch nicht boͤſe ſind/ bey allem buchſtaͤb-
lichen wiſſen in die gefahr des Atheiſmi gerathen koͤnnen/ wo ſie nicht ſonder-
lich von GOtt davor bewahret/ oder wieder heraus geriſſen werden.
§. XIV. Es kan aber nicht allein ſo zureden natuͤrlich geſchehen/ daß ein
menſch/ der bloß in natuͤrlichem wiſſen ſtehet/ in ſolche gefahr gerathe/ ſondern
wir bemercken auch dabey ein gerechtes goͤttliches gericht/ das ſich darzu
ſchlaͤget/ wann GOtt denjenigen/ welche gleichwie das natuͤrliche liecht/ da-
von §. VII. gehandelt/ alſo auch das liecht des worts/ das er ihnen gegeben/
nicht recht gebrauchen/ wie ſie ſolten/ daß es nemlich nicht allein in die gedan-
cken kaͤme/ ſondern in das hertz getruckt wuͤrde/ daher ihm auch die fruͤchten
nicht bringen/ auch dasjenige was ſie gehabt/ nemlich das vergnuͤgen eines
buchſtaͤblichen wiſſens wieder genommen werden laͤſſet. Matth. 25/ 29. So
viel mehr wo ſie mit allerley ſuͤnden wider ihr gewiſſen/ demjenigen ſchnur-
ſtracks entgegen leben/ was ſie noch in ſolchem zuſtand goͤttlichen willen zu
ſeyn erachtet. Und beſtehet das goͤttliche ſtraff-gericht ſonderlich darinn/
daß einmahl zwahr/ weil das gewiſſen/ das ſie noch vorhin nicht ſo gar in alle
laſter ausbrechen laſſen/ ſondern ſie noch zu weilen zuruͤck gehalten/ alsdann
wenn ſie allen concept von GOtt und deſſen ſtraff verliehren/ damit auch ei-
ne weil geſchweiget und ſtille wird/ ſie deſto ungeſcheuter in alle boßheit aus-
brechen/ ihr maaß fein bald voll machen/ und die hoͤlle ja recht verdienen/ nach-
dem ſie ſich den himmel nicht ernſtlicher angelegen ſeyn laſſen. Welches ge-
wiß ein ſchreckliches gericht iſt. Nechſt dem iſt das gericht auch darinn zu er-
kennen/ daß ſie auch nicht mehr mit einem falſchen troſt/ wie andre aus ihrer
buchſtaͤblichen erkaͤntnuͤß zu weilen thun/ ihr gemuͤth beruhigen koͤnnen/ ſon-
dern ihr elend deſto mehr fuͤhlen muͤſſen. Wie dann die ruhe/ die ſich ſolche
gottloſe mit ausbannung aller furcht GOttes machen wollen/ ihnen auch
nicht gedeyen/ ſondern offte aber allezeit mit mangel alles troſtes/ verſtoͤhret
werden muß. Wie ich einen vertraulich gekennt/ der mir ſeinen Atheiſmũ inge-
heim geſtund/ und auch ſich nicht helffen laſſen wolte/ aber auch bekannte/ daß
er dabey miſerabel ſeye/ und diejenige gluͤcklicher achtete/ die einen troſt von
goͤttlichen dingen ihnen ſelbs machen koͤnten/ ob er wol denſelben falſch hielte.
Daher er mich verſicherte/ da er weib und kind dermaleins bekommen wuͤrde/
daß
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