Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.ARTIC. III. SECTIO XI. man ohne das schuldig/ und nicht in unsrer macht ist/ ob wir uns solchen odernicht bequemen wollen. Welcherley anstalten kaum unter den nahmen der neuerungen gezogen werden sollen. Bey den täglichen betstunden alle- mahl ein capitel aus der Bibel zu lesen/ ist eine an sich selbsten sehr nützliche und zur erbauung dienliche sache/ auch in so viel andern Evangelischen kirchen gebräuchlich/ daß nicht einmal viel bedenckens dabey zu machen/ so wenig als bey einführung des bekanten gesangs: Erhalt uns HErr bey deinem wort/ welches zu beten/ und wo solche erlaubnüß noch ist/ offentlich zu singen/ wir zu unsern zeiten mehr als etwa zu andernmahlen ursach haben. Das ge- sang-buch belangend/ wie solches aus andern unsern Evangelischen gesang- büchern und autoribus zusammen getragen/ so viel liebe/ schöne und erbauli- che gesänge in sich fasset/ meritiret abermal/ daß man dessen einführung nicht straffe/ in dem wir dabey gleichwohl diese behutsamkeit gebraucht zu seyn uns versehen wollen/ daß die leute weder mit kostbarer erkauffung desselben be- schwehret/ noch mit einmahliger einführung vieler vorhin ihnen unbekandt gewesener lieder irre gemacht/ und also von dem mit singen in der offentlichen gemeinde/ daran ein ziemliches stück des lobes GOttes hänget/ abgehalten worden seyen. An sich selbs dienen mehrere geistreiche psalmen und lobge- fänge und geistliche liebliche lieder viel dazu/ daß das wort Christi reich- lich unter uns wohne mit aller weißheit Col. 3/ 16. Das niederknien des pfarrherrns gegen der gemeinde ist ohne das von weniger wichtig- keit/ und weil es ein werck der liebe/ dessen gesundheit mehr zu schonen/ hat es damit leicht seinen geweisten weg. Von den änderungen in dem schul- wesen wird die sache nicht deutlich angezeiget/ indessen weil es mit der ge- meinde belieben geschehen/ ist abermal kein anstand daran. Wie auch insge- samt alle dieselbige gegen unsre erste regel nicht streiten/ wenn wir berichtet werden/ daß in selbigen allen neben dem Hrn. Collatore und also der obrigkeit/ das predig amt seine hand mit angeleget/ sich alles wohl gefallen lassen/ ja gar gelobet. So sehen wir auch unter allen nichts/ dessen sich iemand in der gemeinde nur mit einigem Christlichen schein beschwehren hätte können oder noch könte. Was ferner die ienige änderungen anlangt/ davon nur discur- riret aber noch nicht resolviret worden/ wissen wir nicht/ ob wir nicht selb- sten/ dafern nicht andere uns unbekante hindernüssen bey ihrer kirchen sich finden möchten/ dieselbe eher in geziehmender ordnung und bequemer zeit ein- zuführen rathen/ als sie vor gefährlich achten solten. Jst der Erfurtische Catechismus zu weitläufftig und dem gemeinen volck zu schwehr/ hingegen dieses noch nicht etwa sonderlich daran gewehnet (als worauff sehr zu sehen ist) so ists der kirchen je nicht schädlich/ da man ihn etwa lieber mit dem blos- sen
ARTIC. III. SECTIO XI. man ohne das ſchuldig/ und nicht in unſrer macht iſt/ ob wir uns ſolchen odernicht bequemen wollen. Welcherley anſtalten kaum unter den nahmen der neuerungen gezogen werden ſollen. Bey den taͤglichen betſtunden alle- mahl ein capitel aus der Bibel zu leſen/ iſt eine an ſich ſelbſten ſehr nuͤtzliche und zur erbauung dienliche ſache/ auch in ſo viel andern Evangeliſchen kirchen gebraͤuchlich/ daß nicht einmal viel bedenckens dabey zu machen/ ſo wenig als bey einfuͤhrung des bekanten geſangs: Erhalt uns HErr bey deinem wort/ welches zu beten/ und wo ſolche erlaubnuͤß noch iſt/ offentlich zu ſingen/ wir zu unſern zeiten mehr als etwa zu andernmahlen urſach haben. Das ge- ſang-buch belangend/ wie ſolches aus andern unſern Evangeliſchen geſang- buͤchern und autoribus zuſammen getragen/ ſo viel liebe/ ſchoͤne und erbauli- che geſaͤnge in ſich faſſet/ meritiret abermal/ daß man deſſen einfuͤhrung nicht ſtraffe/ in dem wir dabey gleichwohl dieſe behutſamkeit gebraucht zu ſeyn uns verſehen wollen/ daß die leute weder mit koſtbarer erkauffung deſſelben be- ſchwehret/ noch mit einmahliger einfuͤhrung vieler vorhin ihnen unbekandt geweſener lieder irre gemacht/ und alſo von dem mit ſingen in der offentlichen gemeinde/ daran ein ziemliches ſtuͤck des lobes GOttes haͤnget/ abgehalten worden ſeyen. An ſich ſelbs dienen mehrere geiſtreiche pſalmen und lobge- faͤnge und geiſtliche liebliche lieder viel dazu/ daß das wort Chriſti reich- lich unter uns wohne mit aller weißheit Col. 3/ 16. Das niederknien des pfarrherrns gegen der gemeinde iſt ohne das von weniger wichtig- keit/ und weil es ein werck der liebe/ deſſen geſundheit mehr zu ſchonen/ hat es damit leicht ſeinen geweiſten weg. Von den aͤnderungen in dem ſchul- weſen wird die ſache nicht deutlich angezeiget/ indeſſen weil es mit der ge- meinde belieben geſchehen/ iſt abermal kein anſtand daran. Wie auch insge- ſamt alle dieſelbige gegen unſre erſte regel nicht ſtreiten/ wenn wir berichtet werden/ daß in ſelbigen allen neben dem Hrn. Collatore und alſo der obrigkeit/ das predig amt ſeine hand mit angeleget/ ſich alles wohl gefallen laſſen/ ja gar gelobet. So ſehen wir auch unter allen nichts/ deſſen ſich iemand in der gemeinde nur mit einigem Chriſtlichen ſchein beſchwehren haͤtte koͤnnen oder noch koͤnte. Was ferner die ienige aͤnderungen anlangt/ davon nur diſcur- riret aber noch nicht reſolviret worden/ wiſſen wir nicht/ ob wir nicht ſelb- ſten/ dafern nicht andere uns unbekante hindernuͤſſen bey ihrer kirchen ſich finden moͤchten/ dieſelbe eher in geziehmender ordnung und bequemer zeit ein- zufuͤhren rathen/ als ſie vor gefaͤhrlich achten ſolten. Jſt der Erfurtiſche Catechiſmus zu weitlaͤufftig und dem gemeinen volck zu ſchwehr/ hingegen dieſes noch nicht etwa ſonderlich daran gewehnet (als worauff ſehr zu ſehen iſt) ſo iſts der kirchen je nicht ſchaͤdlich/ da man ihn etwa lieber mit dem bloſ- ſen
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ARTIC. III. SECTIO XI.
man ohne das ſchuldig/ und nicht in unſrer macht iſt/ ob wir uns ſolchen oder
nicht bequemen wollen. Welcherley anſtalten kaum unter den nahmen der
neuerungen gezogen werden ſollen. Bey den taͤglichen betſtunden alle-
mahl ein capitel aus der Bibel zu leſen/ iſt eine an ſich ſelbſten ſehr nuͤtzliche
und zur erbauung dienliche ſache/ auch in ſo viel andern Evangeliſchen kirchen
gebraͤuchlich/ daß nicht einmal viel bedenckens dabey zu machen/ ſo wenig als
bey einfuͤhrung des bekanten geſangs: Erhalt uns HErr bey deinem wort/
welches zu beten/ und wo ſolche erlaubnuͤß noch iſt/ offentlich zu ſingen/ wir
zu unſern zeiten mehr als etwa zu andernmahlen urſach haben. Das ge-
ſang-buch belangend/ wie ſolches aus andern unſern Evangeliſchen geſang-
buͤchern und autoribus zuſammen getragen/ ſo viel liebe/ ſchoͤne und erbauli-
che geſaͤnge in ſich faſſet/ meritiret abermal/ daß man deſſen einfuͤhrung nicht
ſtraffe/ in dem wir dabey gleichwohl dieſe behutſamkeit gebraucht zu ſeyn uns
verſehen wollen/ daß die leute weder mit koſtbarer erkauffung deſſelben be-
ſchwehret/ noch mit einmahliger einfuͤhrung vieler vorhin ihnen unbekandt
geweſener lieder irre gemacht/ und alſo von dem mit ſingen in der offentlichen
gemeinde/ daran ein ziemliches ſtuͤck des lobes GOttes haͤnget/ abgehalten
worden ſeyen. An ſich ſelbs dienen mehrere geiſtreiche pſalmen und lobge-
faͤnge und geiſtliche liebliche lieder viel dazu/ daß das wort Chriſti reich-
lich unter uns wohne mit aller weißheit Col. 3/ 16. Das niederknien
des pfarrherrns gegen der gemeinde iſt ohne das von weniger wichtig-
keit/ und weil es ein werck der liebe/ deſſen geſundheit mehr zu ſchonen/ hat
es damit leicht ſeinen geweiſten weg. Von den aͤnderungen in dem ſchul-
weſen wird die ſache nicht deutlich angezeiget/ indeſſen weil es mit der ge-
meinde belieben geſchehen/ iſt abermal kein anſtand daran. Wie auch insge-
ſamt alle dieſelbige gegen unſre erſte regel nicht ſtreiten/ wenn wir berichtet
werden/ daß in ſelbigen allen neben dem Hrn. Collatore und alſo der obrigkeit/
das predig amt ſeine hand mit angeleget/ ſich alles wohl gefallen laſſen/ ja
gar gelobet. So ſehen wir auch unter allen nichts/ deſſen ſich iemand in der
gemeinde nur mit einigem Chriſtlichen ſchein beſchwehren haͤtte koͤnnen oder
noch koͤnte. Was ferner die ienige aͤnderungen anlangt/ davon nur diſcur-
riret aber noch nicht reſolviret worden/ wiſſen wir nicht/ ob wir nicht ſelb-
ſten/ dafern nicht andere uns unbekante hindernuͤſſen bey ihrer kirchen ſich
finden moͤchten/ dieſelbe eher in geziehmender ordnung und bequemer zeit ein-
zufuͤhren rathen/ als ſie vor gefaͤhrlich achten ſolten. Jſt der Erfurtiſche
Catechiſmus zu weitlaͤufftig und dem gemeinen volck zu ſchwehr/ hingegen
dieſes noch nicht etwa ſonderlich daran gewehnet (als worauff ſehr zu ſehen
iſt) ſo iſts der kirchen je nicht ſchaͤdlich/ da man ihn etwa lieber mit dem bloſ-
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