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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
nicht austrücklich ausgemachten räuen dieses oder das gegentheil dißmahl zu
thun/ dem götrl. rath/ welchem man gerne nachkommen will/ das gemässeste seye.
Und zwahr erfordert solches selbs das gewissen/ welches die sünde nach ver-
mögen meiden muß/ nun ist so wohl eine sünde/ uns und die kirche um den
gebrauch unsrer gaben ohne noth (denn ich rede hie nicht davon/ daß man
seiner austrücklichen Instruction zu wider leben dörffe/ sondern erkenne/ daß
in solchem fall alles gewagt werden muß) zu bringen/ mehrere sünde zu ver-
ursachen/ und also göttliche ehr mehr zu verletzen/ als zu befördern/ als
auff der andern seiten die versäumung einiges guten sünde seyn mag. Da
muß wahrhafftig nicht eben allezeit/ was dem ersten ansehen nach das schein-
barste/ sondern das jenige/ was nach gottseliger überlegung/ das in wahr-
heit der kirchen und allgemeinen besten ersprießlichste ist/ gewehlet/ und mit
Christlicher vorsichtigkeit alles gethan/ diese aber von dem HErrn erbethen
werden. 3. Weil die sache/ woran auch Christliche gemüther sich meistens
stossen vornemlich auff die Communion und vor derselben in der kirchen üb-
liche absolution ankommet: so bitte wohl zu erwegen/ eines theils/ daß das
heilige Abendmahl ein gut der gesamten kirchen seye/ und aber nicht bey
einem stand in der kirchen das urtheil stehe/ wen man vor ein glied der eus-
serlichen kirchen noch erkennen wolle oder nicht/ anders theils/ daß unsre
itzige beicht und absolution in itzigen umständen keine eigentliche göttliche
einsetzung/ sondern wohlgemeinte kirchen-Ceremonie seye: Das erste rich-
tet so viel aus/ daß also ein prediger/ wo er zu besserung seines beicht-kin-
des/ welches zu dem tisch des HERRN gehen will/ alles nach besserm ge-
wissen gethan/ auch demselben die gefahr/ wo es in unbußfertigkeit dahin
ginge/ vorgestellet/ auff die eusserliche bezeugung der buß (denn wo einer
so gar frevel wäre/ trotziglich zu bekennen/ daß er sich nicht bessern wolte/ so
hat die kirche in solcher undisputirlichen unbußfertigkeit in ihren kirchen-ord-
nungen aller orten ihren willen bezeuget/ deme der prediger in ausschlies-
sung dessen folget) dasselbe admittiren muß/ ob er wohl sehr sorget/ daß
das hertz unbußfertig seye/ weil bey dem prediger die macht solches urtheils
nicht stehet/ noch demselben von GOTT jemahls austrücklich gegeben ist/
sondern eines der rechten ist/ welche der gantzen kirchen zustehen. Daher
darff der prediger sich der macht nicht gebrauchen/ die ihm nicht zukommet/
sondern die kirche selbs allein darüber zu urtheilen hätte/ wen sie noch vor
einen bruder erkennen wolle oder nicht; denn so lang einer noch von der brü-
derschafft nicht ausgeschlossen ist/ hat er das recht zu allen der brüder-
schaft gemeinschafftlichen gütern/ und also auch zu diesem Sacrament. Dabey
wir fleißig in acht zu nehmen haben/ daß deßwegen zwahr den communican-

ten

Das andere Capitel.
nicht austruͤcklich ausgemachten raͤuen dieſes oder das gegentheil dißmahl zu
thun/ dem goͤtrl. rath/ welchem man geꝛne nachkom̃en will/ das gemaͤſſeſte ſeye.
Und zwahr erfordert ſolches ſelbs das gewiſſen/ welches die ſuͤnde nach ver-
moͤgen meiden muß/ nun iſt ſo wohl eine ſuͤnde/ uns und die kirche um den
gebrauch unſrer gaben ohne noth (denn ich rede hie nicht davon/ daß man
ſeiner austruͤcklichen Inſtruction zu wider leben doͤrffe/ ſondern erkenne/ daß
in ſolchem fall alles gewagt werden muß) zu bringen/ mehrere ſuͤnde zu ver-
urſachen/ und alſo goͤttliche ehr mehr zu verletzen/ als zu befoͤrdern/ als
auff der andern ſeiten die verſaͤumung einiges guten ſuͤnde ſeyn mag. Da
muß wahrhafftig nicht eben allezeit/ was dem erſten anſehen nach das ſchein-
barſte/ ſondern das jenige/ was nach gottſeliger uͤberlegung/ das in wahr-
heit der kirchen und allgemeinen beſten erſprießlichſte iſt/ gewehlet/ und mit
Chriſtlicher vorſichtigkeit alles gethan/ dieſe aber von dem HErrn erbethen
werden. 3. Weil die ſache/ woran auch Chriſtliche gemuͤther ſich meiſtens
ſtoſſen vornemlich auff die Communion und vor derſelben in der kirchen uͤb-
liche abſolution ankommet: ſo bitte wohl zu erwegen/ eines theils/ daß das
heilige Abendmahl ein gut der geſamten kirchen ſeye/ und aber nicht bey
einem ſtand in der kirchen das urtheil ſtehe/ wen man vor ein glied der euſ-
ſerlichen kirchen noch erkennen wolle oder nicht/ anders theils/ daß unſre
itzige beicht und abſolution in itzigen umſtaͤnden keine eigentliche goͤttliche
einſetzung/ ſondern wohlgemeinte kirchen-Ceremonie ſeye: Das erſte rich-
tet ſo viel aus/ daß alſo ein prediger/ wo er zu beſſerung ſeines beicht-kin-
des/ welches zu dem tiſch des HERRN gehen will/ alles nach beſſerm ge-
wiſſen gethan/ auch demſelben die gefahr/ wo es in unbußfertigkeit dahin
ginge/ vorgeſtellet/ auff die euſſerliche bezeugung der buß (denn wo einer
ſo gar frevel waͤre/ trotziglich zu bekennen/ daß er ſich nicht beſſern wolte/ ſo
hat die kirche in ſolcher undiſputirlichen unbußfertigkeit in ihren kirchen-ord-
nungen aller orten ihren willen bezeuget/ deme der prediger in ausſchlieſ-
ſung deſſen folget) daſſelbe admittiren muß/ ob er wohl ſehr ſorget/ daß
das hertz unbußfertig ſeye/ weil bey dem prediger die macht ſolches urtheils
nicht ſtehet/ noch demſelben von GOTT jemahls austruͤcklich gegeben iſt/
ſondern eines der rechten iſt/ welche der gantzen kirchen zuſtehen. Daher
darff der prediger ſich der macht nicht gebrauchen/ die ihm nicht zukommet/
ſondern die kirche ſelbs allein daruͤber zu urtheilen haͤtte/ wen ſie noch vor
einen bruder erkennen wolle oder nicht; denn ſo lang einer noch von der bruͤ-
derſchafft nicht ausgeſchloſſen iſt/ hat er das recht zu allen der bruͤder-
ſchaft gemeinſchafftlichen guͤtern/ und alſo auch zu dieſem Sacrament. Dabey
wir fleißig in acht zu nehmen haben/ daß deßwegen zwahr den communican-

ten
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[618/0634] Das andere Capitel. nicht austruͤcklich ausgemachten raͤuen dieſes oder das gegentheil dißmahl zu thun/ dem goͤtrl. rath/ welchem man geꝛne nachkom̃en will/ das gemaͤſſeſte ſeye. Und zwahr erfordert ſolches ſelbs das gewiſſen/ welches die ſuͤnde nach ver- moͤgen meiden muß/ nun iſt ſo wohl eine ſuͤnde/ uns und die kirche um den gebrauch unſrer gaben ohne noth (denn ich rede hie nicht davon/ daß man ſeiner austruͤcklichen Inſtruction zu wider leben doͤrffe/ ſondern erkenne/ daß in ſolchem fall alles gewagt werden muß) zu bringen/ mehrere ſuͤnde zu ver- urſachen/ und alſo goͤttliche ehr mehr zu verletzen/ als zu befoͤrdern/ als auff der andern ſeiten die verſaͤumung einiges guten ſuͤnde ſeyn mag. Da muß wahrhafftig nicht eben allezeit/ was dem erſten anſehen nach das ſchein- barſte/ ſondern das jenige/ was nach gottſeliger uͤberlegung/ das in wahr- heit der kirchen und allgemeinen beſten erſprießlichſte iſt/ gewehlet/ und mit Chriſtlicher vorſichtigkeit alles gethan/ dieſe aber von dem HErrn erbethen werden. 3. Weil die ſache/ woran auch Chriſtliche gemuͤther ſich meiſtens ſtoſſen vornemlich auff die Communion und vor derſelben in der kirchen uͤb- liche abſolution ankommet: ſo bitte wohl zu erwegen/ eines theils/ daß das heilige Abendmahl ein gut der geſamten kirchen ſeye/ und aber nicht bey einem ſtand in der kirchen das urtheil ſtehe/ wen man vor ein glied der euſ- ſerlichen kirchen noch erkennen wolle oder nicht/ anders theils/ daß unſre itzige beicht und abſolution in itzigen umſtaͤnden keine eigentliche goͤttliche einſetzung/ ſondern wohlgemeinte kirchen-Ceremonie ſeye: Das erſte rich- tet ſo viel aus/ daß alſo ein prediger/ wo er zu beſſerung ſeines beicht-kin- des/ welches zu dem tiſch des HERRN gehen will/ alles nach beſſerm ge- wiſſen gethan/ auch demſelben die gefahr/ wo es in unbußfertigkeit dahin ginge/ vorgeſtellet/ auff die euſſerliche bezeugung der buß (denn wo einer ſo gar frevel waͤre/ trotziglich zu bekennen/ daß er ſich nicht beſſern wolte/ ſo hat die kirche in ſolcher undiſputirlichen unbußfertigkeit in ihren kirchen-ord- nungen aller orten ihren willen bezeuget/ deme der prediger in ausſchlieſ- ſung deſſen folget) daſſelbe admittiren muß/ ob er wohl ſehr ſorget/ daß das hertz unbußfertig ſeye/ weil bey dem prediger die macht ſolches urtheils nicht ſtehet/ noch demſelben von GOTT jemahls austruͤcklich gegeben iſt/ ſondern eines der rechten iſt/ welche der gantzen kirchen zuſtehen. Daher darff der prediger ſich der macht nicht gebrauchen/ die ihm nicht zukommet/ ſondern die kirche ſelbs allein daruͤber zu urtheilen haͤtte/ wen ſie noch vor einen bruder erkennen wolle oder nicht; denn ſo lang einer noch von der bruͤ- derſchafft nicht ausgeſchloſſen iſt/ hat er das recht zu allen der bruͤder- ſchaft gemeinſchafftlichen guͤtern/ und alſo auch zu dieſem Sacrament. Dabey wir fleißig in acht zu nehmen haben/ daß deßwegen zwahr den communican- ten

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 618. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/634>, abgerufen am 22.11.2024.