Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.ARTIC. III. SECTIO V. den könne. Was nun unsre amts-verrichtung anlangt/ hat unser Hey-land uns befohlen zu predigen gesetz und Evangelium/ die sünde anzuzei- gen/ öffentlich und absonderlich zu straffen/ und die sünder mit ernstli- chem zuspruch und auch mit flehen zur busse zu ruffen/ hingegen das Ev- angelium so wohl allen vorzutragen/ damit jederman die liebe und gü- te GOttes erkenne/ ob sich die hertzen dadurch rühren lassen wolten/ als absonderlich den bußfertigen und glaubigen dasselbe zu appliciren: also stehet mir nicht frey/ daß ich einen sünder ungestrafft (so viel an mir ist) lasse/ oder ihn wissentlich in der unbußfertigkeit tröste/ oder einigen trost ihm anders zuspreche/ als mit anzeigung/ wann und in welcher ordnung solcher trost ihm zukomme/ oder er sich damit betriegen würde/ und was dergleichen ist. Jch bin ferner die Sacramenten denen/ die die kirche vor glieder erkennet/ zu reichen verbunden. So dann auch verpflichtet/ alle gelegen- heit/ die ich haben kan/ gern zu ergreiffen/ daß ich die mir anvertraute auff alle weise mit lehr und leben öffentlich und absonderlich erbauen/ bessern und stärcken möge. Von diesen allgemeinen und deutlich befohlnen stücken ste- het mir nicht frey jemahls abzu weichen. 2. Was aber itzt andre absonderliche stücke anlangt/ wie man in die- nicht J i i i
ARTIC. III. SECTIO V. den koͤnne. Was nun unſre amts-verrichtung anlangt/ hat unſer Hey-land uns befohlen zu predigen geſetz und Evangelium/ die ſuͤnde anzuzei- gen/ oͤffentlich und abſonderlich zu ſtraffen/ und die ſuͤnder mit ernſtli- chem zuſpruch und auch mit flehen zur buſſe zu ruffen/ hingegen das Ev- angelium ſo wohl allen vorzutragen/ damit jederman die liebe und guͤ- te GOttes erkenne/ ob ſich die hertzen dadurch ruͤhren laſſen wolten/ als abſonderlich den bußfertigen und glaubigen daſſelbe zu appliciren: alſo ſtehet mir nicht frey/ daß ich einen ſuͤnder ungeſtrafft (ſo viel an mir iſt) laſſe/ oder ihn wiſſentlich in der unbußfertigkeit troͤſte/ oder einigen troſt ihm anders zuſpreche/ als mit anzeigung/ wann und in welcher ordnung ſolcher troſt ihm zukomme/ oder er ſich damit betriegen wuͤrde/ und was deꝛgleichen iſt. Jch bin ferner die Sacramenten denen/ die die kiꝛche vor gliedeꝛ erkennet/ zu reichen verbunden. So dann auch verpflichtet/ alle gelegen- heit/ die ich haben kan/ gern zu ergreiffen/ daß ich die mir anvertraute auff alle weiſe mit lehr und leben oͤffentlich und abſonderlich erbauen/ beſſern und ſtaͤrcken moͤge. Von dieſen allgemeinen und deutlich befohlnen ſtuͤcken ſte- het mir nicht frey jemahls abzu weichen. 2. Was aber itzt andre abſonderliche ſtuͤcke anlangt/ wie man in die- nicht J i i i
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ARTIC. III. SECTIO V.
den koͤnne. Was nun unſre amts-verrichtung anlangt/ hat unſer Hey-
land uns befohlen zu predigen geſetz und Evangelium/ die ſuͤnde anzuzei-
gen/ oͤffentlich und abſonderlich zu ſtraffen/ und die ſuͤnder mit ernſtli-
chem zuſpruch und auch mit flehen zur buſſe zu ruffen/ hingegen das Ev-
angelium ſo wohl allen vorzutragen/ damit jederman die liebe und guͤ-
te GOttes erkenne/ ob ſich die hertzen dadurch ruͤhren laſſen wolten/ als
abſonderlich den bußfertigen und glaubigen daſſelbe zu appliciren: alſo
ſtehet mir nicht frey/ daß ich einen ſuͤnder ungeſtrafft (ſo viel an mir iſt)
laſſe/ oder ihn wiſſentlich in der unbußfertigkeit troͤſte/ oder einigen troſt
ihm anders zuſpreche/ als mit anzeigung/ wann und in welcher ordnung
ſolcher troſt ihm zukomme/ oder er ſich damit betriegen wuͤrde/ und was
deꝛgleichen iſt. Jch bin ferner die Sacramenten denen/ die die kiꝛche vor gliedeꝛ
erkennet/ zu reichen verbunden. So dann auch verpflichtet/ alle gelegen-
heit/ die ich haben kan/ gern zu ergreiffen/ daß ich die mir anvertraute
auff alle weiſe mit lehr und leben oͤffentlich und abſonderlich erbauen/ beſſern
und ſtaͤrcken moͤge. Von dieſen allgemeinen und deutlich befohlnen ſtuͤcken ſte-
het mir nicht frey jemahls abzu weichen.
2. Was aber itzt andre abſonderliche ſtuͤcke anlangt/ wie man in die-
ſem oder jenem fall ſich zu verhalten habe/ wo wir keinen austruͤcklichen und
allgemeinen befehl unſers Heylands und ſeiner Apoſtel haben/ ſondern wel-
che aus jenen allgemeinen regeln erſt durch folgen gezogen werden muͤſſen/
oder man aus gewiſſen exempeln ſchlieſſen will/ da bekenne ich/ daß ich we-
der mich noch einigen andern an alle die jenige folgen verbunden achte/ wel-
che etliche/ dero ihrem gewiſſen ich dannoch alsdann ſo wenig vorſchreibe/ als
meines von dem ihrigen beherrſchen laſſen kan/ ſich machen/ und nach den-
ſelben das amt wollen gefuͤhret haben: ſondern da ſihet die Chriſtliche klug-
heit darauff/ was zu jeder zeit und bey jeder gelegenheit der ehre GOT-
TES und dem wahren heil der ſeelen das vortraͤglichſte ſeye/ thut eini-
ges/ da ſich andre daruͤber ein gewiſſen machen wuͤrden (jedoch wird
allemahl geredet von ſachen/ die an ſich nicht wider GOTT und ſeinen be-
fehl ſind) da man ſolches zu thun noͤthig findet/ unterlaͤſſet anders/ wel-
ches andre nicht ohne ſuͤnde unterlaſſen zu werden halten/ und in ſolcher
bewandnuͤß ihres gewiſſens auch nicht unterlaſſen doͤrffen/ da ſie ſihet/
daß ſie ſonſten dadurch zu mehr ſuͤnden eher als zu beſſerung gelegenheit ge-
ben/ und ihrem amt mehr hindernuͤß ſetzen wuͤrde. Wie alſo die Chriſt-
liche klugheit keine erlaubnuͤß hat in den austruͤcklichen goͤttlichen ordnun-
gen zu diſpenſiren/ ſo hat ſie hingegen ſtatt in beurtheilung/ ob in denen
nicht
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