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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. II. SECTIO X.
chen ihren bißherigen Hofprediger aber nunmehr anderwerts hin beruffenen
Pfarrherrn mit gutem gewissen nicht abhalten könne. Welches in meinem
vorigen responso hoffe gnugsam erwiesen zuhaben aus dem bekantlichen
recht/ welches GOTT über seine diener/ die er irgend hingesetzet hat
und allezeit behält/ so allem recht/ welches eine gemeinde oder dero Patronus
über ihn genommen haben mag/ weit vorzuziehen/ und also sobald sich göttli-
cher finger zur genüge offenbahret/ hat jeder mensch/ zu dessen vollziehung
mehr zu helffen/ als die geringste hindernüß dabey zu machen. Als dorten
in ehe-sachen 1. B. Mos. 24/ 20. Laban und Bethuel aus der erzehlung
des knechts Abrahams wahrnahmen/ daß GOttes hand mit darunter seye/
so sprechen sie: Das kommet von dem HErrn/ darum können wir
nicht wider dich reden/ weder böses noch gutes. Da ist Rebecca für
dir/ nimm sie und zeuch hin/ daß sie deines herren sohns weib
seye/ wie der HErr geredt hat.
So solle es auch in beruffs-sachen her-
gehen/ daß allein untersucht werde/ was des HErren wille seye/ und also
obs seine stimme gewesen/ welche beruffen habe; so bald diese erkant wird/ so
heisst es alsdann/ wer sind wir menschen/ daß wir wider GOtt streiten/ oder
abhalten wolten was er zeucht? Da wir ja insgesamt alles unser thun/ als
Christen in des himmlischen Vaters heilige regierung ohne ausnahm zu-
stellen haben/ und nicht verlangen sollen/ daß in etwas unser/ sondern allein
(wie wir auch in der 3. bitte beten) sein will geschehen möge. Wie dann
ohn solche resignation unser selbs und alles des unsrigen in den liebsten wil-
len des Vaters alle unsre praxis des Christenthums nicht redlich seyn oder
bestehen kan/ und also ein Christ auch nicht den schein von sich solle sehen las-
sen/ daß er nicht in allem dem göttlichen willen gern sich bequemen/ und sol-
chen seinem eigenen vorziehen wolle. Welche Christliche tugend ich auch
billich E. Hochfürstl. Durchl. zuzutrauen habe. Es ist auch solches von mir
erwiesen worden aus der jenigen obligation, mit welcher jegliche gemeinde
u. auch weltl. hohe häupter der gesamten Christl. kirchen verbunden seynd/ al-
lemahl das beste des gesamten leibes dem eigenen und besondern interesse weit
vorzuziehen/ und sich damit als rechtschaffene glieder solches leibes zuerzei-
gen. Welche betrachtung abermahl hohen Fürstlichen personen so vielmehr
zu gemüth steigen und immer vorstehen solle/ als vornehmern platz sie an
solchem leib haben/ und deswegen allezeit mit mehrer sorgfalt als andere
privati auf das beste des gantzen leibes abzuzwecken haben. Dahero S.
Hochfürstl. Durchl. ein löbliches und dero so hohen stande und stammen/ wel-
cher sich um das Evangelium stäts so wohl verdient gemacht/ als eigenem
Christenthum gemässes werck verrichten/ ja eben hiedurch ihres reinen eiffers
vor göttliche ehre zeugnüß geben werden/ wo sie die eigene liebe dieses ihres

pre-
T t t 3

ARTIC. II. SECTIO X.
chen ihren bißherigen Hofprediger aber nunmehr anderwerts hin beruffenen
Pfarrherrn mit gutem gewiſſen nicht abhalten koͤnne. Welches in meinem
vorigen reſponſo hoffe gnugſam erwieſen zuhaben aus dem bekantlichen
recht/ welches GOTT uͤber ſeine diener/ die er irgend hingeſetzet hat
und allezeit behaͤlt/ ſo allem recht/ welches eine gemeinde oder dero Patronus
uͤber ihn genommen haben mag/ weit vorzuziehen/ und alſo ſobald ſich goͤttli-
cher finger zur genuͤge offenbahret/ hat jeder menſch/ zu deſſen vollziehung
mehr zu helffen/ als die geringſte hindernuͤß dabey zu machen. Als dorten
in ehe-ſachen 1. B. Moſ. 24/ 20. Laban und Bethuel aus der erzehlung
des knechts Abrahams wahrnahmen/ daß GOttes hand mit darunter ſeye/
ſo ſprechen ſie: Das kommet von dem HErrn/ darum koͤnnen wir
nicht wider dich reden/ weder boͤſes noch gutes. Da iſt Rebecca fuͤr
dir/ nimm ſie und zeuch hin/ daß ſie deines herren ſohns weib
ſeye/ wie der HErr geredt hat.
So ſolle es auch in beruffs-ſachen her-
gehen/ daß allein unterſucht werde/ was des HErren wille ſeye/ und alſo
obs ſeine ſtimme geweſen/ welche beruffen habe; ſo bald dieſe erkant wird/ ſo
heiſſt es alsdann/ wer ſind wir menſchen/ daß wir wider GOtt ſtreiten/ oder
abhalten wolten was er zeucht? Da wir ja insgeſamt alles unſer thun/ als
Chriſten in des himmliſchen Vaters heilige regierung ohne ausnahm zu-
ſtellen haben/ und nicht verlangen ſollen/ daß in etwas unſer/ ſondern allein
(wie wir auch in der 3. bitte beten) ſein will geſchehen moͤge. Wie dann
ohn ſolche reſignation unſer ſelbs und alles des unſrigen in den liebſten wil-
len des Vaters alle unſre praxis des Chriſtenthums nicht redlich ſeyn oder
beſtehen kan/ und alſo ein Chriſt auch nicht den ſchein von ſich ſolle ſehen laſ-
ſen/ daß er nicht in allem dem goͤttlichen willen gern ſich bequemen/ und ſol-
chen ſeinem eigenen vorziehen wolle. Welche Chriſtliche tugend ich auch
billich E. Hochfuͤrſtl. Durchl. zuzutrauen habe. Es iſt auch ſolches von mir
erwieſen worden aus der jenigen obligation, mit welcher jegliche gemeinde
u. auch weltl. hohe haͤupter der geſamten Chriſtl. kirchen verbunden ſeynd/ al-
lemahl das beſte des geſamten leibes dem eigenen uñ beſondern intereſſe weit
vorzuziehen/ und ſich damit als rechtſchaffene glieder ſolches leibes zuerzei-
gen. Welche betrachtung abermahl hohen Fuͤrſtlichen perſonen ſo vielmehr
zu gemuͤth ſteigen und immer vorſtehen ſolle/ als vornehmern platz ſie an
ſolchem leib haben/ und deswegen allezeit mit mehrer ſorgfalt als andere
privati auf das beſte des gantzen leibes abzuzwecken haben. Dahero S.
Hochfuͤrſtl. Durchl. ein loͤbliches und dero ſo hohen ſtande und ſtammen/ wel-
cher ſich um das Evangelium ſtaͤts ſo wohl verdient gemacht/ als eigenem
Chriſtenthum gemaͤſſes werck verrichten/ ja eben hiedurch ihres reinen eiffers
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[517/0533] ARTIC. II. SECTIO X. chen ihren bißherigen Hofprediger aber nunmehr anderwerts hin beruffenen Pfarrherrn mit gutem gewiſſen nicht abhalten koͤnne. Welches in meinem vorigen reſponſo hoffe gnugſam erwieſen zuhaben aus dem bekantlichen recht/ welches GOTT uͤber ſeine diener/ die er irgend hingeſetzet hat und allezeit behaͤlt/ ſo allem recht/ welches eine gemeinde oder dero Patronus uͤber ihn genommen haben mag/ weit vorzuziehen/ und alſo ſobald ſich goͤttli- cher finger zur genuͤge offenbahret/ hat jeder menſch/ zu deſſen vollziehung mehr zu helffen/ als die geringſte hindernuͤß dabey zu machen. Als dorten in ehe-ſachen 1. B. Moſ. 24/ 20. Laban und Bethuel aus der erzehlung des knechts Abrahams wahrnahmen/ daß GOttes hand mit darunter ſeye/ ſo ſprechen ſie: Das kommet von dem HErrn/ darum koͤnnen wir nicht wider dich reden/ weder boͤſes noch gutes. Da iſt Rebecca fuͤr dir/ nimm ſie und zeuch hin/ daß ſie deines herren ſohns weib ſeye/ wie der HErr geredt hat. So ſolle es auch in beruffs-ſachen her- gehen/ daß allein unterſucht werde/ was des HErren wille ſeye/ und alſo obs ſeine ſtimme geweſen/ welche beruffen habe; ſo bald dieſe erkant wird/ ſo heiſſt es alsdann/ wer ſind wir menſchen/ daß wir wider GOtt ſtreiten/ oder abhalten wolten was er zeucht? Da wir ja insgeſamt alles unſer thun/ als Chriſten in des himmliſchen Vaters heilige regierung ohne ausnahm zu- ſtellen haben/ und nicht verlangen ſollen/ daß in etwas unſer/ ſondern allein (wie wir auch in der 3. bitte beten) ſein will geſchehen moͤge. Wie dann ohn ſolche reſignation unſer ſelbs und alles des unſrigen in den liebſten wil- len des Vaters alle unſre praxis des Chriſtenthums nicht redlich ſeyn oder beſtehen kan/ und alſo ein Chriſt auch nicht den ſchein von ſich ſolle ſehen laſ- ſen/ daß er nicht in allem dem goͤttlichen willen gern ſich bequemen/ und ſol- chen ſeinem eigenen vorziehen wolle. Welche Chriſtliche tugend ich auch billich E. Hochfuͤrſtl. Durchl. zuzutrauen habe. Es iſt auch ſolches von mir erwieſen worden aus der jenigen obligation, mit welcher jegliche gemeinde u. auch weltl. hohe haͤupter der geſamten Chriſtl. kirchen verbunden ſeynd/ al- lemahl das beſte des geſamten leibes dem eigenen uñ beſondern intereſſe weit vorzuziehen/ und ſich damit als rechtſchaffene glieder ſolches leibes zuerzei- gen. Welche betrachtung abermahl hohen Fuͤrſtlichen perſonen ſo vielmehr zu gemuͤth ſteigen und immer vorſtehen ſolle/ als vornehmern platz ſie an ſolchem leib haben/ und deswegen allezeit mit mehrer ſorgfalt als andere privati auf das beſte des gantzen leibes abzuzwecken haben. Dahero S. Hochfuͤrſtl. Durchl. ein loͤbliches und dero ſo hohen ſtande und ſtammen/ wel- cher ſich um das Evangelium ſtaͤts ſo wohl verdient gemacht/ als eigenem Chriſtenthum gemaͤſſes werck verrichten/ ja eben hiedurch ihres reinen eiffers vor goͤttliche ehre zeugnuͤß geben werden/ wo ſie die eigene liebe dieſes ihres pre- T t t 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/533>, abgerufen am 22.11.2024.