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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. II. SECTIO IX.
Daher wo einer zu einem solchen amt gefordert wird/ wo eigentlich sein ta-
lent
das requisitum ist/ sonderlich wo dasselbe an vorigem platz nicht so viele
anwendung gefunden/ würde es ein starcker erweiß seyn/ daß das werck von
dem HErrn seye: solte aber der beruff geschehen von einem solchen ort/ wo-
hin sich seine vornehmste gabe meistens geschickt/ an einen andern/ wo die-
selbe nicht also/ sondern eine andere/ die er in schwacherm grad bey sich zu ha-
ben befindet/ nöthig wäre/ würde ich (wo nicht abermahl andere vortringen-
de bedencken dazu kämen) einen solchen beruff schwehrlich vor göttlich erken-
nen. Wo einer bey einer grossen gemeinde gestanden/ da er aber nichts gefun-
den zu erbauen/ sondern eine stäte widersetzung/ sonderlich wo es ein wider-
willen besonders gegen seine person und einige art seiner gaben/ wäre/ es kä-
me aber eine beruffung zu einer auch kleinern gemeinde/ von dero eine mehrere
folgsamkeit zu hoffen/ würde ich nicht viel bedenckens haben/ den göttli-
chen finger darinnen zu erkennen/ das gegentheil aber bey umbgekehr-
ten umbständen. Es mögen aber noch viele andere dergleichen conside-
rationes
seyn; davon dieses nur etliche exempel/ die in der überlegung eines
solchen wercks und der vergleichung zweyer gemeinden müssen in der forcht
des HErren in bedacht gezogen werden/ damit man sich göttlichen willens/
als viel von uns geschehen kan vergewissern möge. Wie ich auch in solcher
sache die starcke motus animi entweder vor oder gegen die sach/ wo man nach
redlicher seiner prüffung befindet/ daß solche nicht aus fleischlichen motiven
entstehen/ ein zimliches momentum in der sache geben mögen. Jch sage/ ein
zimliches momentum, wo nemlich solche mit den übrigen stücken/ die zu ob-
servi
ren gewesen einstimmen/ nicht aber daß solche zuneigung oder abwen-
dung des hertzens (so ihre vielerley ursachen haben kan) das gantze werck aus-
mache/ und aberglaubischer weise allemahl vor eine gewisse wirckung GOt-
tes und zeugnüß seines willens geachtet werde. Weil aber die oben ange-
deutete und nöthig erkante überlegung/ wo die meiste erbauung zu hoffen/ ei-
ne sehr schwehre sache/ und die jenige/ welche es selbs angehet/ gar leicht sich
von andern affecten, davon sie eben nicht so bey sich gewahr werden können/
mögen einnehmen lassen/ daß das judicium passionirt auff ein oder andere
seit seyn kan/ so wolte ich vor rathsam achten/ die sache entweder einigen
gottsfürchtigen personen/ welche eines mannes gaben und beyderley ge-
meinden genau verstehen/ oder denen doch völliger bericht derselben ge-
geben werden könte/ auffzutragen/ oder beyder gemeinden oder personen/
welche die sache betrifft/ daß sie sich über dieselbe miteinander selbs verglei-
chen oder vielmehr welches das sicherste seyn solte/ beyder seits dahin zu ver-
mögen/ daß sie auff einige gottselige personen oder Theologica collegia com-
promitti
ren/ und ieder theil seine rationes, warum sie einen mann begehr-

ten
S s s 3

ARTIC. II. SECTIO IX.
Daher wo einer zu einem ſolchen amt gefordert wird/ wo eigentlich ſein ta-
lent
das requiſitum iſt/ ſonderlich wo daſſelbe an vorigem platz nicht ſo viele
anwendung gefunden/ wuͤrde es ein ſtarcker erweiß ſeyn/ daß das werck von
dem HErrn ſeye: ſolte aber der beruff geſchehen von einem ſolchen ort/ wo-
hin ſich ſeine vornehmſte gabe meiſtens geſchickt/ an einen andern/ wo die-
ſelbe nicht alſo/ ſondern eine andere/ die er in ſchwacherm grad bey ſich zu ha-
ben befindet/ noͤthig waͤre/ wuͤrde ich (wo nicht abermahl andere vortringen-
de bedencken dazu kaͤmen) einen ſolchen beruff ſchwehrlich vor goͤttlich erken-
nen. Wo einer bey einer groſſen gemeinde geſtanden/ da er aber nichts gefun-
den zu erbauen/ ſondern eine ſtaͤte widerſetzung/ ſonderlich wo es ein wider-
willen beſonders gegen ſeine perſon und einige art ſeiner gaben/ waͤre/ es kaͤ-
me aber eine beruffung zu einer auch kleinern gemeinde/ von dero eine mehrere
folgſamkeit zu hoffen/ wuͤrde ich nicht viel bedenckens haben/ den goͤttli-
chen finger darinnen zu erkennen/ das gegentheil aber bey umbgekehr-
ten umbſtaͤnden. Es moͤgen aber noch viele andere dergleichen conſide-
rationes
ſeyn; davon dieſes nur etliche exempel/ die in der uͤberlegung eines
ſolchen wercks und der vergleichung zweyer gemeinden muͤſſen in der forcht
des HErren in bedacht gezogen werden/ damit man ſich goͤttlichen willens/
als viel von uns geſchehen kan vergewiſſern moͤge. Wie ich auch in ſolcher
ſache die ſtarcke motus animi entweder vor oder gegen die ſach/ wo man nach
redlicher ſeiner pruͤffung befindet/ daß ſolche nicht aus fleiſchlichen motiven
entſtehen/ ein zimliches momentum in der ſache geben moͤgen. Jch ſage/ ein
zimliches momentum, wo nemlich ſolche mit den uͤbrigen ſtuͤcken/ die zu ob-
ſervi
ren geweſen einſtimmen/ nicht aber daß ſolche zuneigung oder abwen-
dung des hertzens (ſo ihre vielerley urſachen haben kan) das gantze werck aus-
mache/ und aberglaubiſcher weiſe allemahl vor eine gewiſſe wirckung GOt-
tes und zeugnuͤß ſeines willens geachtet werde. Weil aber die oben ange-
deutete und noͤthig erkante uͤberlegung/ wo die meiſte erbauung zu hoffen/ ei-
ne ſehr ſchwehre ſache/ und die jenige/ welche es ſelbs angehet/ gar leicht ſich
von andern affecten, davon ſie eben nicht ſo bey ſich gewahr werden koͤnnen/
moͤgen einnehmen laſſen/ daß das judicium paſſionirt auff ein oder andere
ſeit ſeyn kan/ ſo wolte ich vor rathſam achten/ die ſache entweder einigen
gottsfuͤrchtigen perſonen/ welche eines mannes gaben und beyderley ge-
meinden genau verſtehen/ oder denen doch voͤlliger bericht derſelben ge-
geben werden koͤnte/ auffzutragen/ oder beyder gemeinden oder perſonen/
welche die ſache betrifft/ daß ſie ſich uͤber dieſelbe miteinander ſelbs verglei-
chen oder vielmehr welches das ſicherſte ſeyn ſolte/ beyder ſeits dahin zu ver-
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promitti
ren/ und ieder theil ſeine rationes, warum ſie einen mann begehr-

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[509/0525] ARTIC. II. SECTIO IX. Daher wo einer zu einem ſolchen amt gefordert wird/ wo eigentlich ſein ta- lent das requiſitum iſt/ ſonderlich wo daſſelbe an vorigem platz nicht ſo viele anwendung gefunden/ wuͤrde es ein ſtarcker erweiß ſeyn/ daß das werck von dem HErrn ſeye: ſolte aber der beruff geſchehen von einem ſolchen ort/ wo- hin ſich ſeine vornehmſte gabe meiſtens geſchickt/ an einen andern/ wo die- ſelbe nicht alſo/ ſondern eine andere/ die er in ſchwacherm grad bey ſich zu ha- ben befindet/ noͤthig waͤre/ wuͤrde ich (wo nicht abermahl andere vortringen- de bedencken dazu kaͤmen) einen ſolchen beruff ſchwehrlich vor goͤttlich erken- nen. Wo einer bey einer groſſen gemeinde geſtanden/ da er aber nichts gefun- den zu erbauen/ ſondern eine ſtaͤte widerſetzung/ ſonderlich wo es ein wider- willen beſonders gegen ſeine perſon und einige art ſeiner gaben/ waͤre/ es kaͤ- me aber eine beruffung zu einer auch kleinern gemeinde/ von dero eine mehrere folgſamkeit zu hoffen/ wuͤrde ich nicht viel bedenckens haben/ den goͤttli- chen finger darinnen zu erkennen/ das gegentheil aber bey umbgekehr- ten umbſtaͤnden. Es moͤgen aber noch viele andere dergleichen conſide- rationes ſeyn; davon dieſes nur etliche exempel/ die in der uͤberlegung eines ſolchen wercks und der vergleichung zweyer gemeinden muͤſſen in der forcht des HErren in bedacht gezogen werden/ damit man ſich goͤttlichen willens/ als viel von uns geſchehen kan vergewiſſern moͤge. Wie ich auch in ſolcher ſache die ſtarcke motus animi entweder vor oder gegen die ſach/ wo man nach redlicher ſeiner pruͤffung befindet/ daß ſolche nicht aus fleiſchlichen motiven entſtehen/ ein zimliches momentum in der ſache geben moͤgen. Jch ſage/ ein zimliches momentum, wo nemlich ſolche mit den uͤbrigen ſtuͤcken/ die zu ob- ſerviren geweſen einſtimmen/ nicht aber daß ſolche zuneigung oder abwen- dung des hertzens (ſo ihre vielerley urſachen haben kan) das gantze werck aus- mache/ und aberglaubiſcher weiſe allemahl vor eine gewiſſe wirckung GOt- tes und zeugnuͤß ſeines willens geachtet werde. Weil aber die oben ange- deutete und noͤthig erkante uͤberlegung/ wo die meiſte erbauung zu hoffen/ ei- ne ſehr ſchwehre ſache/ und die jenige/ welche es ſelbs angehet/ gar leicht ſich von andern affecten, davon ſie eben nicht ſo bey ſich gewahr werden koͤnnen/ moͤgen einnehmen laſſen/ daß das judicium paſſionirt auff ein oder andere ſeit ſeyn kan/ ſo wolte ich vor rathſam achten/ die ſache entweder einigen gottsfuͤrchtigen perſonen/ welche eines mannes gaben und beyderley ge- meinden genau verſtehen/ oder denen doch voͤlliger bericht derſelben ge- geben werden koͤnte/ auffzutragen/ oder beyder gemeinden oder perſonen/ welche die ſache betrifft/ daß ſie ſich uͤber dieſelbe miteinander ſelbs verglei- chen oder vielmehr welches das ſicherſte ſeyn ſolte/ beyder ſeits dahin zu ver- moͤgen/ daß ſie auff einige gottſelige perſonen oder Theologica collegia com- promittiren/ und ieder theil ſeine rationes, warum ſie einen mann begehr- ten S s s 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 509. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/525>, abgerufen am 25.11.2024.