Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das andere Capitel. in sich keine gradus habe) als bloß dahin/ daß er göttlich seye/ hauptsächlichaus der gelegenheit und hoffnung der mehrern besserung zu erkennen seyn muß. Jn dem dieses ein aus göttlicher weißheit und güte versichertes prin- cipium seyn wird/ daß der weise GOtt nach seinem willen seine werckzeuge/ und also/ welche er mit gaben ausgerüstet/ allemahl am meisten dahin ver- ordnen wird/ wo der gebrauch solcher gaben/ zu seinen ehren das meiste aus- richtenkan. Wo also von dem göttlichen willen ein zweiffel entstehet/ ob derselbe einen da/ den andern dort haben wolle/ gibet diese betrachtung/ als göttlicher weißheit am allergemässesten den sichersten ausschlag. Wo ich a- ber in dieser gegenwärtigen sache die beide stellen miteinander vergleiche/ fin- de ich so viel. 1. Jn H. hat er sein predigamt mit predigen/ sacrament reichen/ und was fernere handlungen sind/ die zu der seelen-sorge gehören. 2. Jn D. wird ihm angetragen eben dergleichen predig- amt/ und so fern er sich dersel- ben unterziehen will/ auch alle solche actus des predig- amts und seelen-sorge. Doch leugne ich nicht/ daß wofern es bey diesem punct allein bleibe/ H. ei- nen solchen vorzug behalten würde/ daß D. nicht in vergleichung käme/ in dem diese gemeinde von jener an anzahl so viel übertroffen wird; bekenne auch gern/ daß mich in solcher vergleichung wenig bewegte/ daß in der D. gemeinde hohe personen wären/ die zu H. nicht ordinarii sind/ indem eines armen bür- gers und boots-knechts seele vor GOtt nicht geringer/ als eines Fürsten seele ist/ ohne allein/ daß etwa das an dieser ausgerichtete gute an ihren mehrern folgends nutzen schaffen kan. Aber ich achte davor/ daß dabey zu bedencken/ was ohne das predig- amt selbs vor wichtige verrichtungen auffgetragen wer- den/ dazu er in H. keine gelegenheit hat 1. die auffsicht der kirchen in dem gan- tzen lande: welche alle in gewisser maaß ihm anvertrauet werden/ ob er nicht allen selbs prediget/ gleichwohl seine auffsicht auf ihre erbauung haben/ und damit etwa nicht viel weniger ausrichten kan/ als ob er allen zu gewissen zei- ten predigte. 2. Sonderlich die Gott gefällige einrichtung des predig- amts/ die jenige/ welchen es ein ernst ist GOtt zu dienen/ daher fleißiger aufzumun- tern/ und ihnen alles an die hand zu geben mit rath und hülffe/ wie sie das werck des HErrn treulich und kräfftig führen möchten/ die jenigen aber/ wel- che bißher säumig oder unwissend gewesen wären/ zurecht zu bringen/ und zum fleiß anzufrischen/ damit auch künfftig ihr amt fruchtbarer werden möge/ die böse und ärgerliche zu bessern/ oder aber sie abzuschaffen; und die kirche von ihnen befreyen zu helffen/ sonderlich aber lauter solche leute/ so viel an ihm wäre/ zu befördern/ denen es wahrhafftig ein ernst um das gute/ und die da- zu von GOtt ausgerüstet wären. Dazu 3. kommet/ daß er ob wohl keine special direction oder inspection über die schulen und Universität hätte/ solcher gleichwohl als ein membrum und unter den Theologis das vornehm- ste/
Das andere Capitel. in ſich keine gradus habe) als bloß dahin/ daß er goͤttlich ſeye/ hauptſaͤchlichaus der gelegenheit und hoffnung der mehrern beſſerung zu erkennen ſeyn muß. Jn dem dieſes ein aus goͤttlicher weißheit und guͤte verſichertes prin- cipium ſeyn wird/ daß der weiſe GOtt nach ſeinem willen ſeine werckzeuge/ und alſo/ welche er mit gaben ausgeruͤſtet/ allemahl am meiſten dahin ver- ordnen wird/ wo der gebrauch ſolcher gaben/ zu ſeinen ehren das meiſte aus- richtenkan. Wo alſo von dem goͤttlichen willen ein zweiffel entſtehet/ ob derſelbe einen da/ den andern dort haben wolle/ gibet dieſe betrachtung/ als goͤttlicher weißheit am allergemaͤſſeſten den ſicherſten ausſchlag. Wo ich a- ber in dieſer gegenwaͤrtigen ſache die beide ſtellen miteinander vergleiche/ fin- de ich ſo viel. 1. Jn H. hat er ſein predigamt mit predigen/ ſacrament reichen/ und was fernere handlungen ſind/ die zu der ſeelen-ſorge gehoͤren. 2. Jn D. wird ihm angetragen eben dergleichen predig- amt/ und ſo fern er ſich derſel- ben unterziehen will/ auch alle ſolche actus des predig- amts und ſeelen-ſorge. Doch leugne ich nicht/ daß wofern es bey dieſem punct allein bleibe/ H. ei- nen ſolchen vorzug behalten wuͤrde/ daß D. nicht in vergleichung kaͤme/ in dem dieſe gemeinde von jener an anzahl ſo viel uͤbertroffen wird; bekenne auch gern/ daß mich in ſolcher vergleichung wenig bewegte/ daß in der D. gemeinde hohe perſonen waͤren/ die zu H. nicht ordinarii ſind/ indem eines armen buͤr- gers und boots-knechts ſeele vor GOtt nicht geringer/ als eines Fuͤrſten ſeele iſt/ ohne allein/ daß etwa das an dieſer ausgerichtete gute an ihren mehrern folgends nutzen ſchaffen kan. Aber ich achte davor/ daß dabey zu bedencken/ was ohne das predig- amt ſelbs vor wichtige verꝛichtungen auffgetragen wer- den/ dazu er in H. keine gelegenheit hat 1. die auffſicht der kirchen in dem gan- tzen lande: welche alle in gewiſſer maaß ihm anvertrauet werden/ ob er nicht allen ſelbs prediget/ gleichwohl ſeine auffſicht auf ihre erbauung haben/ und damit etwa nicht viel weniger ausrichten kan/ als ob er allen zu gewiſſen zei- ten predigte. 2. Sonderlich die Gott gefaͤllige einrichtung des predig- amts/ die jenige/ welchen es ein ernſt iſt GOtt zu dienen/ daher fleißiger aufzumun- tern/ und ihnen alles an die hand zu geben mit rath und huͤlffe/ wie ſie das werck des HErrn treulich und kraͤfftig fuͤhren moͤchten/ die jenigen aber/ wel- che bißher ſaͤumig oder unwiſſend geweſen waͤren/ zurecht zu bringen/ und zum fleiß anzufriſchen/ damit auch kuͤnfftig ihr amt fruchtbarer werden moͤge/ die boͤſe und aͤrgerliche zu beſſern/ oder aber ſie abzuſchaffen; und die kirche von ihnen befreyen zu helffen/ ſonderlich aber lauter ſolche leute/ ſo viel an ihm waͤre/ zu befoͤrdern/ denen es wahrhafftig ein ernſt um das gute/ und die da- zu von GOtt ausgeruͤſtet waͤren. Dazu 3. kommet/ daß er ob wohl keine ſpecial direction oder inſpection uͤber die ſchulen und Univerſitaͤt haͤtte/ ſolcher gleichwohl als ein membrum und unter den Theologis das vornehm- ſte/
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Das andere Capitel.
in ſich keine gradus habe) als bloß dahin/ daß er goͤttlich ſeye/ hauptſaͤchlich
aus der gelegenheit und hoffnung der mehrern beſſerung zu erkennen ſeyn
muß. Jn dem dieſes ein aus goͤttlicher weißheit und guͤte verſichertes prin-
cipium ſeyn wird/ daß der weiſe GOtt nach ſeinem willen ſeine werckzeuge/
und alſo/ welche er mit gaben ausgeruͤſtet/ allemahl am meiſten dahin ver-
ordnen wird/ wo der gebrauch ſolcher gaben/ zu ſeinen ehren das meiſte aus-
richtenkan. Wo alſo von dem goͤttlichen willen ein zweiffel entſtehet/ ob
derſelbe einen da/ den andern dort haben wolle/ gibet dieſe betrachtung/ als
goͤttlicher weißheit am allergemaͤſſeſten den ſicherſten ausſchlag. Wo ich a-
ber in dieſer gegenwaͤrtigen ſache die beide ſtellen miteinander vergleiche/ fin-
de ich ſo viel. 1. Jn H. hat er ſein predigamt mit predigen/ ſacrament reichen/
und was fernere handlungen ſind/ die zu der ſeelen-ſorge gehoͤren. 2. Jn D.
wird ihm angetragen eben dergleichen predig- amt/ und ſo fern er ſich derſel-
ben unterziehen will/ auch alle ſolche actus des predig- amts und ſeelen-ſorge.
Doch leugne ich nicht/ daß wofern es bey dieſem punct allein bleibe/ H. ei-
nen ſolchen vorzug behalten wuͤrde/ daß D. nicht in vergleichung kaͤme/ in
dem dieſe gemeinde von jener an anzahl ſo viel uͤbertroffen wird; bekenne auch
gern/ daß mich in ſolcher vergleichung wenig bewegte/ daß in der D. gemeinde
hohe perſonen waͤren/ die zu H. nicht ordinarii ſind/ indem eines armen buͤr-
gers und boots-knechts ſeele vor GOtt nicht geringer/ als eines Fuͤrſten ſeele
iſt/ ohne allein/ daß etwa das an dieſer ausgerichtete gute an ihren mehrern
folgends nutzen ſchaffen kan. Aber ich achte davor/ daß dabey zu bedencken/
was ohne das predig- amt ſelbs vor wichtige verꝛichtungen auffgetragen wer-
den/ dazu er in H. keine gelegenheit hat 1. die auffſicht der kirchen in dem gan-
tzen lande: welche alle in gewiſſer maaß ihm anvertrauet werden/ ob er nicht
allen ſelbs prediget/ gleichwohl ſeine auffſicht auf ihre erbauung haben/ und
damit etwa nicht viel weniger ausrichten kan/ als ob er allen zu gewiſſen zei-
ten predigte. 2. Sonderlich die Gott gefaͤllige einrichtung des predig- amts/
die jenige/ welchen es ein ernſt iſt GOtt zu dienen/ daher fleißiger aufzumun-
tern/ und ihnen alles an die hand zu geben mit rath und huͤlffe/ wie ſie das
werck des HErrn treulich und kraͤfftig fuͤhren moͤchten/ die jenigen aber/ wel-
che bißher ſaͤumig oder unwiſſend geweſen waͤren/ zurecht zu bringen/ und zum
fleiß anzufriſchen/ damit auch kuͤnfftig ihr amt fruchtbarer werden moͤge/ die
boͤſe und aͤrgerliche zu beſſern/ oder aber ſie abzuſchaffen; und die kirche von
ihnen befreyen zu helffen/ ſonderlich aber lauter ſolche leute/ ſo viel an ihm
waͤre/ zu befoͤrdern/ denen es wahrhafftig ein ernſt um das gute/ und die da-
zu von GOtt ausgeruͤſtet waͤren. Dazu 3. kommet/ daß er ob wohl keine
ſpecial direction oder inſpection uͤber die ſchulen und Univerſitaͤt haͤtte/
ſolcher gleichwohl als ein membrum und unter den Theologis das vornehm-
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Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/512>, abgerufen am 16.02.2025. |