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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
welche alle von solcher wichtigkeit sind/ daß sie geliebten bruder wol so fern
verbinden/ mit seiner stelle zu frieden zu seyn/ und GOtt darinnen ohne ge-
such einer änderung willig zu dienen/ als lange es demselben möchte gefällig
seyn/ aber sie sind von der stärcke nicht/ da anderer seiten sich der göttliche
finger deutlicher hervorthäte/ den GOtt dem HErrn schuldigen gehorsam
zu unterbrechen. Dazu setze auch billig/ daß die alle angeführte rationes ohne
die fünffte und in gewißer maaß die sechste/ in meiner vor einem Jahr ge-
troffenen/ änderung mir nicht weniger hätten können entgegen gesetzet wer-
den/ wie sie auch wircklich von und gegen mir geführet worden sind/ hinge-
gen hat mich GOtt durch alle von mir austrücklich consulirte und übrige
Christl. Theologos daß sein rath gleichwol über mich gantz anders seye/ ver-
sichern lassen/ und durch den endlichen fortgang überzeuget/ daß obige obje-
ctiones
vor seinem angesicht nicht von gnugsamer krafft seyen. Wie nun mein
werther bruder selbsten damal die schwachheit dieser rationen in meiner sache
erkant/ und mich gegen solche scrupel gestärckt/ so wird er nach fernerer gottse-
liger überlegung derselben je länger je mehr finden/ daß wo man darauß auff
die nothwendigkeit des bleibens schliessen wolte/ immerdar die Majo-
res Syllogismorum
schwach/ oder in conclusione mehr als in den praemissis
seyn werde.

Jch gehe nun auff die rationes, so die nothwendigkeit der folge nach D. zu
bestärcken angeführet sind. Da ist nun 1. die erste/ daß solcher beruff oder
anmuthung nicht nur ohne einige cooperation, sondern gar ohne den gering-
sten jemal dahin geschlagenen gedancken zugekommen. Jch bekenne aber/
daß solche nicht allein concludirte/ indem auch menschen auff jemand/ der
sich davon nicht träumen lässet/ ihre gedancken schlagen können/ ohne daß des-
wegen der göttliche rath damit nothwendig einstimmig wäre. Jndessen ge-
höret sie doch mit unter die characteres divinae vocationis, wo die andern
nicht weniger nothwendige ebenfals mit concurriren. Und ist mir bey der-
selben lieb/ daß/ als viel ich mich jetzt besinne/ ob wohl nicht einmahl mit mir
wegen dieser ersetzung einige correspondenz gepflogen worden/ ich desselben
niemal meldung oder vorschlag gethan/ da zwahr nicht weiß/ wie mich GOtt
darinnen zurück gehalten. Dann ob wohl/ da ich denselben vorgeschlagen
hätte/ ich versichern könte/ daß es nicht aus fleischlichen affecten geschehen
wäre/ massen er weiß/ daß unsre unter uns gemachte freundschafft das fleisch
nicht zum grunde hat/ so möchte es doch auffs wenigste bey einigen dieses an-
sehen geben/ ob suchte ich aus eignen absichten einen mir gewogenen freund
an dieser stelle und möchte er selbs etwa sorgen/ ich hätte darinnen aus der zu-
neigung zu ihm dem hofe mehrere hoffnung von ihm gemacht. Da also sol-
ches nicht geschehen/ sondern er daselbs durch solche leute bekant worden/ mit

denen

Das andere Capitel.
welche alle von ſolcher wichtigkeit ſind/ daß ſie geliebten bruder wol ſo fern
verbinden/ mit ſeiner ſtelle zu frieden zu ſeyn/ und GOtt darinnen ohne ge-
ſuch einer aͤnderung willig zu dienen/ als lange es demſelben moͤchte gefaͤllig
ſeyn/ aber ſie ſind von der ſtaͤrcke nicht/ da anderer ſeiten ſich der goͤttliche
finger deutlicher hervorthaͤte/ den GOtt dem HErrn ſchuldigen gehorſam
zu unterbrechen. Dazu ſetze auch billig/ daß die alle angefuͤhrte rationes ohne
die fuͤnffte und in gewißer maaß die ſechſte/ in meiner vor einem Jahr ge-
troffenen/ aͤnderung mir nicht weniger haͤtten koͤnnen entgegen geſetzet wer-
den/ wie ſie auch wircklich von und gegen mir gefuͤhret worden ſind/ hinge-
gen hat mich GOtt durch alle von mir austruͤcklich conſulirte und uͤbrige
Chriſtl. Theologos daß ſein rath gleichwol uͤber mich gantz anders ſeye/ veꝛ-
ſichern laſſen/ und durch den endlichen fortgang uͤberzeuget/ daß obige obje-
ctiones
vor ſeinem angeſicht nicht von gnugſamer krafft ſeyen. Wie nun mein
werther bruder ſelbſten damal die ſchwachheit dieſer rationen in meiner ſache
erkant/ und mich gegen ſolche ſcrupel geſtaͤrckt/ ſo wird er nach fernerer gottſe-
liger uͤberlegung derſelben je laͤnger je mehr finden/ daß wo man darauß auff
die nothwendigkeit des bleibens ſchlieſſen wolte/ immerdar die Majo-
res Syllogiſmorum
ſchwach/ oder in concluſione mehr als in den præmiſſis
ſeyn werde.

Jch gehe nun auff die rationes, ſo die nothwendigkeit der folge nach D. zu
beſtaͤrcken angefuͤhret ſind. Da iſt nun 1. die erſte/ daß ſolcher beruff oder
anmuthung nicht nur ohne einige cooperation, ſondern gar ohne den gering-
ſten jemal dahin geſchlagenen gedancken zugekommen. Jch bekenne aber/
daß ſolche nicht allein concludirte/ indem auch menſchen auff jemand/ der
ſich davon nicht traͤumen laͤſſet/ ihre gedancken ſchlagen koͤnnen/ ohne daß des-
wegen der goͤttliche rath damit nothwendig einſtimmig waͤre. Jndeſſen ge-
hoͤret ſie doch mit unter die characteres divinæ vocationis, wo die andern
nicht weniger nothwendige ebenfals mit concurriren. Und iſt mir bey der-
ſelben lieb/ daß/ als viel ich mich jetzt beſinne/ ob wohl nicht einmahl mit mir
wegen dieſer erſetzung einige correſpondenz gepflogen worden/ ich deſſelben
niemal meldung oder vorſchlag gethan/ da zwahr nicht weiß/ wie mich GOtt
darinnen zuruͤck gehalten. Dann ob wohl/ da ich denſelben vorgeſchlagen
haͤtte/ ich verſichern koͤnte/ daß es nicht aus fleiſchlichen affecten geſchehen
waͤre/ maſſen er weiß/ daß unſre unter uns gemachte freundſchafft das fleiſch
nicht zum grunde hat/ ſo moͤchte es doch auffs wenigſte bey einigen dieſes an-
ſehen geben/ ob ſuchte ich aus eignen abſichten einen mir gewogenen freund
an dieſer ſtelle und moͤchte er ſelbs etwa ſorgen/ ich haͤtte darinnen aus der zu-
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[488/0504] Das andere Capitel. welche alle von ſolcher wichtigkeit ſind/ daß ſie geliebten bruder wol ſo fern verbinden/ mit ſeiner ſtelle zu frieden zu ſeyn/ und GOtt darinnen ohne ge- ſuch einer aͤnderung willig zu dienen/ als lange es demſelben moͤchte gefaͤllig ſeyn/ aber ſie ſind von der ſtaͤrcke nicht/ da anderer ſeiten ſich der goͤttliche finger deutlicher hervorthaͤte/ den GOtt dem HErrn ſchuldigen gehorſam zu unterbrechen. Dazu ſetze auch billig/ daß die alle angefuͤhrte rationes ohne die fuͤnffte und in gewißer maaß die ſechſte/ in meiner vor einem Jahr ge- troffenen/ aͤnderung mir nicht weniger haͤtten koͤnnen entgegen geſetzet wer- den/ wie ſie auch wircklich von und gegen mir gefuͤhret worden ſind/ hinge- gen hat mich GOtt durch alle von mir austruͤcklich conſulirte und uͤbrige Chriſtl. Theologos daß ſein rath gleichwol uͤber mich gantz anders ſeye/ veꝛ- ſichern laſſen/ und durch den endlichen fortgang uͤberzeuget/ daß obige obje- ctiones vor ſeinem angeſicht nicht von gnugſamer krafft ſeyen. Wie nun mein werther bruder ſelbſten damal die ſchwachheit dieſer rationen in meiner ſache erkant/ und mich gegen ſolche ſcrupel geſtaͤrckt/ ſo wird er nach fernerer gottſe- liger uͤberlegung derſelben je laͤnger je mehr finden/ daß wo man darauß auff die nothwendigkeit des bleibens ſchlieſſen wolte/ immerdar die Majo- res Syllogiſmorum ſchwach/ oder in concluſione mehr als in den præmiſſis ſeyn werde. Jch gehe nun auff die rationes, ſo die nothwendigkeit der folge nach D. zu beſtaͤrcken angefuͤhret ſind. Da iſt nun 1. die erſte/ daß ſolcher beruff oder anmuthung nicht nur ohne einige cooperation, ſondern gar ohne den gering- ſten jemal dahin geſchlagenen gedancken zugekommen. Jch bekenne aber/ daß ſolche nicht allein concludirte/ indem auch menſchen auff jemand/ der ſich davon nicht traͤumen laͤſſet/ ihre gedancken ſchlagen koͤnnen/ ohne daß des- wegen der goͤttliche rath damit nothwendig einſtimmig waͤre. Jndeſſen ge- hoͤret ſie doch mit unter die characteres divinæ vocationis, wo die andern nicht weniger nothwendige ebenfals mit concurriren. Und iſt mir bey der- ſelben lieb/ daß/ als viel ich mich jetzt beſinne/ ob wohl nicht einmahl mit mir wegen dieſer erſetzung einige correſpondenz gepflogen worden/ ich deſſelben niemal meldung oder vorſchlag gethan/ da zwahr nicht weiß/ wie mich GOtt darinnen zuruͤck gehalten. Dann ob wohl/ da ich denſelben vorgeſchlagen haͤtte/ ich verſichern koͤnte/ daß es nicht aus fleiſchlichen affecten geſchehen waͤre/ maſſen er weiß/ daß unſre unter uns gemachte freundſchafft das fleiſch nicht zum grunde hat/ ſo moͤchte es doch auffs wenigſte bey einigen dieſes an- ſehen geben/ ob ſuchte ich aus eignen abſichten einen mir gewogenen freund an dieſer ſtelle und moͤchte er ſelbs etwa ſorgen/ ich haͤtte darinnen aus der zu- neigung zu ihm dem hofe mehrere hoffnung von ihm gemacht. Da alſo ſol- ches nicht geſchehen/ ſondern er daſelbs durch ſolche leute bekant worden/ mit denen

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/504>, abgerufen am 25.11.2024.