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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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aus den bekanten oder ausgetrückten umständen des subjecti abzunehmen
ist/ an dieser person unrecht seye. Jndessen achte gleich wol nöthig/ dabey ei-
nigerley erinnerungen zu thun. 1. Daß die person an sich wol prüfe/ aus
was vor motiven die änderung geschehe: obs wahrhafftig geschehe aus zär-
tigkeit des gewissens/ daß er in gegenwärtigem zustand nicht getraute sein ge-
wissen bey der kauffmannschafft zu retten? Da gleichwol es nicht unmüglich/
obwol freylich schwehr/ ist/ ein solches durch göttliche gnade zu thun/ weswe-
gen es auch bey ihm und von ihm vor eine schwachheit erkant werden müste/
daß er solches nicht könte: oder ob einige auch subtile fleischliche absichten da-
bey seyen? Zum exempel/ daß er sihet/ man könte endlich wol mit gutem ge-
wissen der kauffmannschafft obligen/ man werde aber besorglich auch nach
best-angewandtem fleiß/ sonderlich wo kein grosses capital zum grund geleget
wird/ niemals zu einem reichthum gelangen/ hingegen könte man/ etwa mit
mehr ruhe in dem predigamt dergleichen erlangen/ wie man in ihrer nachbar-
schafft in Holstein vielleicht exempel reicher und vermöglicher prediger an-
treffen möchte. Wo diese ursach und motive wäre/ käme mirs sehr verdäch-
tig vor/ und wäre die intention nicht so rein als sichs geziemete/ noch könte
ich vielen segen von GOtt/ der den grund des hertzens/ wie verborgen er an-
dern sey mag/ und wir ihn selbs vor uns gern verbergen wollen/ völlig einsi-
het/ hoffen oder versprechen. Sonderlich weil bey einem/ welcher in den
jahren/ da er das gute und böse besser prüfen kan/ sich zu dem H. studio bege-
ben will/ eine noch reinere intention erfordert wird/ als bey denen in der er-
sten jugend/ welche freylich offtermahls aus nicht so lautern absichten dazu
gelangen/ ja kaum wissen/ was sie thun/ mit dero unwissenheit aber der HErr
mehrer gedult träget: von den andern aber bereits mehrers fordert/ vornem-
lich wann es auch den nahmen haben solle/ daß es aus trieb des gewissens ge-
schehe/ in welchem fall/ so der HErr ein anderes in dem hertzen sähe/ solche
heucheley nicht ohne straffe bleiben würde. Welches alles ja bey solcher per-
son eine genaue und tieffe untersuchung ihres hertzens erfordert/ warum es
ihr zu thun seye/ um in dieses ohne das gefährliche studium nicht mit einem
fluch einzugehen. 2. Solle sie auch billig bedencken/ daß sie aus einer gefährli-
chen profession, aber wo sie es recht erweget/ in eine noch gefährlichere eintre-
te/ und also von nöthen seye/ sich nicht weniger/ als sie bey der kauffmann-
schafft zu thun haben würde/ mit wahrer gottseligkeit und gebet zu wapnen/
die studia mit schuldiger ehrerbietung vor GOttes angesicht/ mit dessen wort
man immer umgehen will/ stets zu führen/ und sich auch von allem deme zu
reinigen/ was ihr bey der kauffmannschafft hätte können hinderlich und an-
stößig seyn/ nemlich von allem weltwesen/ von aller fleischeslust/ augenlust/
und hoffärtigem leben: indem dieses bey dem studio Theologico nicht weni-

ger

Das andere Capitel.
aus den bekanten oder ausgetruͤckten umſtaͤnden des ſubjecti abzunehmen
iſt/ an dieſer perſon unrecht ſeye. Jndeſſen achte gleich wol noͤthig/ dabey ei-
nigerley erinnerungen zu thun. 1. Daß die perſon an ſich wol pruͤfe/ aus
was vor motiven die aͤnderung geſchehe: obs wahrhafftig geſchehe aus zaͤr-
tigkeit des gewiſſens/ daß er in gegenwaͤrtigem zuſtand nicht getraute ſein ge-
wiſſen bey der kauffmannſchafft zu retten? Da gleichwol es nicht unmuͤglich/
obwol freylich ſchwehr/ iſt/ ein ſolches durch goͤttliche gnade zu thun/ weswe-
gen es auch bey ihm und von ihm vor eine ſchwachheit erkant werden muͤſte/
daß er ſolches nicht koͤnte: oder ob einige auch ſubtile fleiſchliche abſichten da-
bey ſeyen? Zum exempel/ daß er ſihet/ man koͤnte endlich wol mit gutem ge-
wiſſen der kauffmannſchafft obligen/ man werde aber beſorglich auch nach
beſt-angewandtem fleiß/ ſonderlich wo kein groſſes capital zum grund geleget
wird/ niemals zu einem reichthum gelangen/ hingegen koͤnte man/ etwa mit
mehr ruhe in dem predigamt dergleichen erlangen/ wie man in ihrer nachbar-
ſchafft in Holſtein vielleicht exempel reicher und vermoͤglicher prediger an-
treffen moͤchte. Wo dieſe urſach und motive waͤre/ kaͤme mirs ſehr verdaͤch-
tig vor/ und waͤre die intention nicht ſo rein als ſichs geziemete/ noch koͤnte
ich vielen ſegen von GOtt/ der den grund des hertzens/ wie verborgen er an-
dern ſey mag/ und wir ihn ſelbs vor uns gern verbergen wollen/ voͤllig einſi-
het/ hoffen oder verſprechen. Sonderlich weil bey einem/ welcher in den
jahren/ da er das gute und boͤſe beſſer pruͤfen kan/ ſich zu dem H. ſtudio bege-
ben will/ eine noch reinere intention erfordert wird/ als bey denen in der er-
ſten jugend/ welche freylich offtermahls aus nicht ſo lautern abſichten dazu
gelangen/ ja kaum wiſſen/ was ſie thun/ mit dero unwiſſenheit aber der HErr
mehrer gedult traͤget: von den andern aber bereits mehrers fordert/ vornem-
lich wann es auch den nahmen haben ſolle/ daß es aus trieb des gewiſſens ge-
ſchehe/ in welchem fall/ ſo der HErr ein anderes in dem hertzen ſaͤhe/ ſolche
heucheley nicht ohne ſtraffe bleiben wuͤrde. Welches alles ja bey ſolcher per-
ſon eine genaue und tieffe unterſuchung ihres hertzens erfordert/ warum es
ihr zu thun ſeye/ um in dieſes ohne das gefaͤhrliche ſtudium nicht mit einem
fluch einzugehen. 2. Solle ſie auch billig bedencken/ daß ſie aus einer gefaͤhrli-
chen profeſſion, aber wo ſie es recht erweget/ in eine noch gefaͤhrlichere eintre-
te/ und alſo von noͤthen ſeye/ ſich nicht weniger/ als ſie bey der kauffmann-
ſchafft zu thun haben wuͤrde/ mit wahrer gottſeligkeit und gebet zu wapnen/
die ſtudia mit ſchuldiger ehrerbietung vor GOttes angeſicht/ mit deſſen wort
man immer umgehen will/ ſtets zu fuͤhren/ und ſich auch von allem deme zu
reinigen/ was ihr bey der kauffmannſchafft haͤtte koͤnnen hinderlich und an-
ſtoͤßig ſeyn/ nemlich von allem weltweſen/ von aller fleiſchesluſt/ augenluſt/
und hoffaͤrtigem leben: indem dieſes bey dem ſtudio Theologico nicht weni-

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[432/0448] Das andere Capitel. aus den bekanten oder ausgetruͤckten umſtaͤnden des ſubjecti abzunehmen iſt/ an dieſer perſon unrecht ſeye. Jndeſſen achte gleich wol noͤthig/ dabey ei- nigerley erinnerungen zu thun. 1. Daß die perſon an ſich wol pruͤfe/ aus was vor motiven die aͤnderung geſchehe: obs wahrhafftig geſchehe aus zaͤr- tigkeit des gewiſſens/ daß er in gegenwaͤrtigem zuſtand nicht getraute ſein ge- wiſſen bey der kauffmannſchafft zu retten? Da gleichwol es nicht unmuͤglich/ obwol freylich ſchwehr/ iſt/ ein ſolches durch goͤttliche gnade zu thun/ weswe- gen es auch bey ihm und von ihm vor eine ſchwachheit erkant werden muͤſte/ daß er ſolches nicht koͤnte: oder ob einige auch ſubtile fleiſchliche abſichten da- bey ſeyen? Zum exempel/ daß er ſihet/ man koͤnte endlich wol mit gutem ge- wiſſen der kauffmannſchafft obligen/ man werde aber beſorglich auch nach beſt-angewandtem fleiß/ ſonderlich wo kein groſſes capital zum grund geleget wird/ niemals zu einem reichthum gelangen/ hingegen koͤnte man/ etwa mit mehr ruhe in dem predigamt dergleichen erlangen/ wie man in ihrer nachbar- ſchafft in Holſtein vielleicht exempel reicher und vermoͤglicher prediger an- treffen moͤchte. Wo dieſe urſach und motive waͤre/ kaͤme mirs ſehr verdaͤch- tig vor/ und waͤre die intention nicht ſo rein als ſichs geziemete/ noch koͤnte ich vielen ſegen von GOtt/ der den grund des hertzens/ wie verborgen er an- dern ſey mag/ und wir ihn ſelbs vor uns gern verbergen wollen/ voͤllig einſi- het/ hoffen oder verſprechen. Sonderlich weil bey einem/ welcher in den jahren/ da er das gute und boͤſe beſſer pruͤfen kan/ ſich zu dem H. ſtudio bege- ben will/ eine noch reinere intention erfordert wird/ als bey denen in der er- ſten jugend/ welche freylich offtermahls aus nicht ſo lautern abſichten dazu gelangen/ ja kaum wiſſen/ was ſie thun/ mit dero unwiſſenheit aber der HErr mehrer gedult traͤget: von den andern aber bereits mehrers fordert/ vornem- lich wann es auch den nahmen haben ſolle/ daß es aus trieb des gewiſſens ge- ſchehe/ in welchem fall/ ſo der HErr ein anderes in dem hertzen ſaͤhe/ ſolche heucheley nicht ohne ſtraffe bleiben wuͤrde. Welches alles ja bey ſolcher per- ſon eine genaue und tieffe unterſuchung ihres hertzens erfordert/ warum es ihr zu thun ſeye/ um in dieſes ohne das gefaͤhrliche ſtudium nicht mit einem fluch einzugehen. 2. Solle ſie auch billig bedencken/ daß ſie aus einer gefaͤhrli- chen profeſſion, aber wo ſie es recht erweget/ in eine noch gefaͤhrlichere eintre- te/ und alſo von noͤthen ſeye/ ſich nicht weniger/ als ſie bey der kauffmann- ſchafft zu thun haben wuͤrde/ mit wahrer gottſeligkeit und gebet zu wapnen/ die ſtudia mit ſchuldiger ehrerbietung vor GOttes angeſicht/ mit deſſen wort man immer umgehen will/ ſtets zu fuͤhren/ und ſich auch von allem deme zu reinigen/ was ihr bey der kauffmannſchafft haͤtte koͤnnen hinderlich und an- ſtoͤßig ſeyn/ nemlich von allem weltweſen/ von aller fleiſchesluſt/ augenluſt/ und hoffaͤrtigem leben: indem dieſes bey dem ſtudio Theologico nicht weni- ger

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/448>, abgerufen am 23.11.2024.