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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
rer/ welche von dem studio juridico und medico zu dem theologico überge-
gangen/ und der kirchen treue dienste geleistet. Wie dann der trefliche D. Ger-
hardus
selbs anfangs medicinam studiret hatte. Jch führe auch dergleichen
meistens um der ursach willen an/ daß man sehe/ daß nicht zu sorgen/ daß an-
dere sich daran zu stossen ursach finden möchten/ um welcherley ursach willen
zuweilen einige dinge/ die allerdings ungewöhnlich/ sicherer zu unterlassen
sind/ damit andern nicht ein anstoß gemachet würde.

II. Möchte etwa eine difficultät gemacht werden wegen des alters/ ob
es etwa zu spat seyn möchte/ bey denselben jahren erst fornen anzufangen. A-
ber 1. ist das alter von 25. jahren noch nicht hoch. 2. Um solche zeit lässet
sich/ da die gedächtnüß auch noch nicht abgenommen/ und das judicium nun-
mehr schärffer und beständiger ist/ in wenigern jahren mehr begreiffen/ als in
der ersten jugend in mehrern. So vielmehr weil 3. in der H. Theologia es
auch nicht mit dem menschlichen fleiß hauptsächlich ausgerichtet ist/ sondern
das meiste muß geschehen in wirckung des H. Geistes: zu dem davor zu hal-
ten/ daß ein gemüth in dem alter des menschen/ wo man sich nunmehr besser
kennen gelernet/ und also auch genauer auff sich acht zu geben weiß/ als in
den vorigen jahren/ wo die thörichte lüste der jugend stärcker sind/ tüchtiger zu
derjenigen arbeit ist/ in dero der mensch allezeit so verfahren muß/ daß er auch
eine werckstätte des H. Geistes bey seinen studien seye. Welches wir von
diesem heiligen studio zu bemercken so vielmehr ursach haben/ weil auch die
Ethici insgemein zu erinnern pflegen/ daß die nunmehr ein höheres alter er-
reichet/ vielmehr als die noch gantz jung sind/ zu solcher disciplin tüchtiger
seyn. 4. Mangelt es abermahl an exempeln derjenigen nicht/ welche sich in
noch viel höherem alter zu dem dienst der kirchen erst geschickt gemacht ha-
ben.

III. Wo jemand auch die studia vorwenden wolte/ daß nicht zu hoffen/
um diese zeit in denselben zu etwas mehrers kommen zu können/ so würde
auch solcher vorwand ohne krafft seyn. 1. Zeigt sich in dem lateinischen auff-
satz schon so viel von derselben sprach/ als ihrer viele/ die doch zu den studiis
gewidmet/ nicht wol ein mehrers mit auff die Universität bringen/ und zweif-
le ich daraus nicht/ daß er jeden lateinischen autorem mit gutem verstand zu
lesen werde tüchtig seyn/ darinnen endlich alles bestehet/ was vor einen Theo-
logum,
der nicht eben zu der cathedra oder öffentlichen schreiben geschickt
werden solle/ in solcher sprache nöthig/ hingegen vielmehr zu bedauren ist/ daß
ohne noth und künfftigen nutzen in ihrer art ihrer so viel mehrer zeit in solcher
sprach verspielen/ die sie nützlicher anwenden könten. 2. Die Grichische und
Hebräische sprach wird wohl mehr arbeit erfordern/ sonderlich jene/ die auch
vor dieser noch nöthiger ist. Jndessen ists auch in diesem alter nicht unmüg-

lich

Das andere Capitel.
rer/ welche von dem ſtudio juridico und medico zu dem theologico uͤberge-
gangen/ und der kirchen treue dienſte geleiſtet. Wie dann der trefliche D. Ger-
hardus
ſelbs anfangs medicinam ſtudiret hatte. Jch fuͤhre auch dergleichen
meiſtens um der urſach willen an/ daß man ſehe/ daß nicht zu ſorgen/ daß an-
dere ſich daran zu ſtoſſen urſach finden moͤchten/ um welcherley urſach willen
zuweilen einige dinge/ die allerdings ungewoͤhnlich/ ſicherer zu unterlaſſen
ſind/ damit andern nicht ein anſtoß gemachet wuͤrde.

II. Moͤchte etwa eine difficultaͤt gemacht werden wegen des alters/ ob
es etwa zu ſpat ſeyn moͤchte/ bey denſelben jahren erſt fornen anzufangen. A-
ber 1. iſt das alter von 25. jahren noch nicht hoch. 2. Um ſolche zeit laͤſſet
ſich/ da die gedaͤchtnuͤß auch noch nicht abgenommen/ und das judicium nun-
mehr ſchaͤrffer und beſtaͤndiger iſt/ in wenigern jahren mehr begreiffen/ als in
der erſten jugend in mehrern. So vielmehr weil 3. in der H. Theologia es
auch nicht mit dem menſchlichen fleiß hauptſaͤchlich ausgerichtet iſt/ ſondern
das meiſte muß geſchehen in wirckung des H. Geiſtes: zu dem davor zu hal-
ten/ daß ein gemuͤth in dem alter des menſchen/ wo man ſich nunmehr beſſer
kennen gelernet/ und alſo auch genauer auff ſich acht zu geben weiß/ als in
den vorigen jahren/ wo die thoͤrichte luͤſte der jugend ſtaͤrcker ſind/ tuͤchtiger zu
derjenigen arbeit iſt/ in dero der menſch allezeit ſo verfahren muß/ daß er auch
eine werckſtaͤtte des H. Geiſtes bey ſeinen ſtudien ſeye. Welches wir von
dieſem heiligen ſtudio zu bemercken ſo vielmehr urſach haben/ weil auch die
Ethici insgemein zu erinnern pflegen/ daß die nunmehr ein hoͤheres alter er-
reichet/ vielmehr als die noch gantz jung ſind/ zu ſolcher diſciplin tuͤchtiger
ſeyn. 4. Mangelt es abermahl an exempeln derjenigen nicht/ welche ſich in
noch viel hoͤherem alter zu dem dienſt der kirchen erſt geſchickt gemacht ha-
ben.

III. Wo jemand auch die ſtudia vorwenden wolte/ daß nicht zu hoffen/
um dieſe zeit in denſelben zu etwas mehrers kommen zu koͤnnen/ ſo wuͤrde
auch ſolcher vorwand ohne krafft ſeyn. 1. Zeigt ſich in dem lateiniſchen auff-
ſatz ſchon ſo viel von derſelben ſprach/ als ihrer viele/ die doch zu den ſtudiis
gewidmet/ nicht wol ein mehrers mit auff die Univerſitaͤt bringen/ und zweif-
le ich daraus nicht/ daß er jeden lateiniſchen autorem mit gutem verſtand zu
leſen werde tuͤchtig ſeyn/ darinnen endlich alles beſtehet/ was vor einen Theo-
logum,
der nicht eben zu der cathedra oder oͤffentlichen ſchreiben geſchickt
werden ſolle/ in ſolcher ſprache noͤthig/ hingegen vielmehr zu bedauren iſt/ daß
ohne noth und kuͤnfftigen nutzen in ihrer art ihrer ſo viel mehrer zeit in ſolcher
ſprach verſpielen/ die ſie nuͤtzlicher anwenden koͤnten. 2. Die Grichiſche und
Hebraͤiſche ſprach wird wohl mehr arbeit erfordern/ ſonderlich jene/ die auch
vor dieſer noch noͤthiger iſt. Jndeſſen iſts auch in dieſem alter nicht unmuͤg-

lich
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[430/0446] Das andere Capitel. rer/ welche von dem ſtudio juridico und medico zu dem theologico uͤberge- gangen/ und der kirchen treue dienſte geleiſtet. Wie dann der trefliche D. Ger- hardus ſelbs anfangs medicinam ſtudiret hatte. Jch fuͤhre auch dergleichen meiſtens um der urſach willen an/ daß man ſehe/ daß nicht zu ſorgen/ daß an- dere ſich daran zu ſtoſſen urſach finden moͤchten/ um welcherley urſach willen zuweilen einige dinge/ die allerdings ungewoͤhnlich/ ſicherer zu unterlaſſen ſind/ damit andern nicht ein anſtoß gemachet wuͤrde. II. Moͤchte etwa eine difficultaͤt gemacht werden wegen des alters/ ob es etwa zu ſpat ſeyn moͤchte/ bey denſelben jahren erſt fornen anzufangen. A- ber 1. iſt das alter von 25. jahren noch nicht hoch. 2. Um ſolche zeit laͤſſet ſich/ da die gedaͤchtnuͤß auch noch nicht abgenommen/ und das judicium nun- mehr ſchaͤrffer und beſtaͤndiger iſt/ in wenigern jahren mehr begreiffen/ als in der erſten jugend in mehrern. So vielmehr weil 3. in der H. Theologia es auch nicht mit dem menſchlichen fleiß hauptſaͤchlich ausgerichtet iſt/ ſondern das meiſte muß geſchehen in wirckung des H. Geiſtes: zu dem davor zu hal- ten/ daß ein gemuͤth in dem alter des menſchen/ wo man ſich nunmehr beſſer kennen gelernet/ und alſo auch genauer auff ſich acht zu geben weiß/ als in den vorigen jahren/ wo die thoͤrichte luͤſte der jugend ſtaͤrcker ſind/ tuͤchtiger zu derjenigen arbeit iſt/ in dero der menſch allezeit ſo verfahren muß/ daß er auch eine werckſtaͤtte des H. Geiſtes bey ſeinen ſtudien ſeye. Welches wir von dieſem heiligen ſtudio zu bemercken ſo vielmehr urſach haben/ weil auch die Ethici insgemein zu erinnern pflegen/ daß die nunmehr ein hoͤheres alter er- reichet/ vielmehr als die noch gantz jung ſind/ zu ſolcher diſciplin tuͤchtiger ſeyn. 4. Mangelt es abermahl an exempeln derjenigen nicht/ welche ſich in noch viel hoͤherem alter zu dem dienſt der kirchen erſt geſchickt gemacht ha- ben. III. Wo jemand auch die ſtudia vorwenden wolte/ daß nicht zu hoffen/ um dieſe zeit in denſelben zu etwas mehrers kommen zu koͤnnen/ ſo wuͤrde auch ſolcher vorwand ohne krafft ſeyn. 1. Zeigt ſich in dem lateiniſchen auff- ſatz ſchon ſo viel von derſelben ſprach/ als ihrer viele/ die doch zu den ſtudiis gewidmet/ nicht wol ein mehrers mit auff die Univerſitaͤt bringen/ und zweif- le ich daraus nicht/ daß er jeden lateiniſchen autorem mit gutem verſtand zu leſen werde tuͤchtig ſeyn/ darinnen endlich alles beſtehet/ was vor einen Theo- logum, der nicht eben zu der cathedra oder oͤffentlichen ſchreiben geſchickt werden ſolle/ in ſolcher ſprache noͤthig/ hingegen vielmehr zu bedauren iſt/ daß ohne noth und kuͤnfftigen nutzen in ihrer art ihrer ſo viel mehrer zeit in ſolcher ſprach verſpielen/ die ſie nuͤtzlicher anwenden koͤnten. 2. Die Grichiſche und Hebraͤiſche ſprach wird wohl mehr arbeit erfordern/ ſonderlich jene/ die auch vor dieſer noch noͤthiger iſt. Jndeſſen iſts auch in dieſem alter nicht unmuͤg- lich

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/446>, abgerufen am 23.11.2024.