Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

Anhang
den/ bleibet solches urtheil noch allezeit/ auffs neue wiederum das jenige/
was sie haben/ zu untersuchen/ und haben die vorfahren/ welche falscher lehr
den weg verlegen/ und die nachkommen verwaruen wollen/ diesen die von
GOtt habende macht nicht zu nehmen begehrt/ daß sie mit gleichem recht als
jene alles mögen prüfen und untersuchen. Wie dann/ da das gegentheil nicht
klahr erwiesen werden kan/ wir von den leuten derer treue an der kirchen uns
zur gnüge bekant ist/ nichts anders mit recht/ als das beste zu glaubenhaben.

§. LVI. Der n. 66. anführende einwurff ist von nicht geringer krafft.
Die sache selbs gründet sich auff den zustand des Babels/ wie es um die zeit
gewesen/ aus welcher die wort in der Offenbahrung angeführet/ und wir al-
so dahin von dem H. Geist gewiesen werden. Es lässet sich aber derselbe nicht
so leicht abwenden/ wie n. 67. versuchet wird/ daß Babel nicht der verdorbe-
nen sondern der H. auserwehlten kirchen entgegen gesetzet werde. Dann bey-
des stehet neben einander/ alldieweil die auserwehlte kirche nach dero meisten
gliedern/ in der eusserlichen wahren/ aber verdorbenen/ kirchen stecken. Da-
her sie mit dieser auch zugleich leiden müssen. Was auch von dem Antichri-
stischen Babel gegen die verdorbene kirche geschihet/ geschihet zwahr von
GOttes seiten aus gerechtem gericht/ die heuchler/ welche seiner wahrheit
mißbrauchet haben/ durch dasjenige feuer zu verbrennen/ welches das gold
seiner glaubigen läutert/ aber Babels intention selbs ist anders/ und ver-
folgt dieses an der verdorbenen kirchen nicht das böse/ das an ihr ist/ sondern
das gute/ was sie noch haben/ die wahre lehr und reinen Gottesdienst. Jst
also ein steter gegensatz Babels gegen die wahrheit/ so wol gegen die wahre
innerliche glieder Christi/ als die wahre lehr/ so auch bey den andern heuch-
lern noch übrig ist/ und um dero willen sie noch zu der eusserlichen wahren kir-
chen gehören.

§. LVII. Gleichermassen ist der n. 68. vorgestellte einwurff auch von mehr
krafft/ daß abermahl die beantwortung demselben nicht gnug thut/ ja die
krafft desselben nicht berühret. Es bleibet einmahl unleugbar/ Rom seye
das Babel/ und also des gantzen reichs haupt; so ist unmüglich/ daß dasjeni-
ge könne zu solchem reich gehören/ was in offenbahrem krieg dagegen stehet/
welches weder das Rom und seine herrschafft erkennet/ noch von demselben
vor ein stück seines reichs oder kirche erkant/ sondern nur getrachtet wird/ es
unter seine botmäßigkeit erst zu bringen. Die erste bauleute des Babels wa-
ren nicht feindselig gegen einander/ sondern verstunden sich wol zusammen/
und arbeiteten an einem bau/ nicht aber suchte einer dasjenige umzureissen
was der andere bauete: daher ob wol/ wie oben gewiesen/ der H. Geist uns
in dem N. T. nirgend auff denselben ersten bau/ sondern auff die macht des al-
ten Babels/ da es das volck GOttes gefangen genommen/ welches aber end-

lich

Anhang
den/ bleibet ſolches urtheil noch allezeit/ auffs neue wiederum das jenige/
was ſie haben/ zu unterſuchen/ und haben die vorfahren/ welche falſcher lehr
den weg verlegen/ und die nachkommen verwaruen wollen/ dieſen die von
GOtt habende macht nicht zu nehmen begehrt/ daß ſie mit gleichem recht als
jene alles moͤgen pruͤfen und unterſuchen. Wie dann/ da das gegentheil nicht
klahr erwieſen werden kan/ wir von den leuten derer treue an der kirchen uns
zur gnuͤge bekant iſt/ nichts anders mit recht/ als das beſte zu glaubenhaben.

§. LVI. Der n. 66. anfuͤhrende einwurff iſt von nicht geringer krafft.
Die ſache ſelbs gruͤndet ſich auff den zuſtand des Babels/ wie es um die zeit
geweſen/ aus welcher die wort in der Offenbahrung angefuͤhret/ und wir al-
ſo dahin von dem H. Geiſt gewieſen werden. Es laͤſſet ſich aber derſelbe nicht
ſo leicht abwenden/ wie n. 67. verſuchet wird/ daß Babel nicht der verdorbe-
nen ſondern der H. auserwehlten kirchen entgegen geſetzet werde. Dann bey-
des ſtehet neben einander/ alldieweil die auserwehlte kirche nach dero meiſten
gliedern/ in der euſſerlichen wahren/ aber verdorbenen/ kirchen ſtecken. Da-
her ſie mit dieſer auch zugleich leiden muͤſſen. Was auch von dem Antichri-
ſtiſchen Babel gegen die verdorbene kirche geſchihet/ geſchihet zwahr von
GOttes ſeiten aus gerechtem gericht/ die heuchler/ welche ſeiner wahrheit
mißbrauchet haben/ durch dasjenige feuer zu verbrennen/ welches das gold
ſeiner glaubigen laͤutert/ aber Babels intention ſelbs iſt anders/ und ver-
folgt dieſes an der verdorbenen kirchen nicht das boͤſe/ das an ihr iſt/ ſondern
das gute/ was ſie noch haben/ die wahre lehr und reinen Gottesdienſt. Jſt
alſo ein ſteter gegenſatz Babels gegen die wahrheit/ ſo wol gegen die wahre
innerliche glieder Chriſti/ als die wahre lehr/ ſo auch bey den andern heuch-
lern noch uͤbrig iſt/ und um dero willen ſie noch zu der euſſerlichen wahren kir-
chen gehoͤren.

§. LVII. Gleichermaſſen iſt der n. 68. vorgeſtellte einwurff auch von mehr
krafft/ daß abermahl die beantwortung demſelben nicht gnug thut/ ja die
krafft deſſelben nicht beruͤhret. Es bleibet einmahl unleugbar/ Rom ſeye
das Babel/ und alſo des gantzen reichs haupt; ſo iſt unmuͤglich/ daß dasjeni-
ge koͤnne zu ſolchem reich gehoͤren/ was in offenbahrem krieg dagegen ſtehet/
welches weder das Rom und ſeine herrſchafft erkennet/ noch von demſelben
vor ein ſtuͤck ſeines reichs oder kirche erkant/ ſondern nur getrachtet wird/ es
unter ſeine botmaͤßigkeit erſt zu bringen. Die erſte bauleute des Babels wa-
ren nicht feindſelig gegen einander/ ſondern verſtunden ſich wol zuſammen/
und arbeiteten an einem bau/ nicht aber ſuchte einer dasjenige umzureiſſen
was der andere bauete: daher ob wol/ wie oben gewieſen/ der H. Geiſt uns
in dem N. T. nirgend auff denſelben erſten bau/ ſondern auff die macht des al-
ten Babels/ da es das volck GOttes gefangen genommen/ welches aber end-

lich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0398" n="382"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Anhang</hi></fw><lb/>
den/ bleibet &#x017F;olches urtheil noch allezeit/ auffs neue wiederum das jenige/<lb/>
was &#x017F;ie haben/ zu unter&#x017F;uchen/ und haben die vorfahren/ welche fal&#x017F;cher lehr<lb/>
den weg verlegen/ und die nachkommen verwaruen wollen/ die&#x017F;en die von<lb/>
GOtt habende macht nicht zu nehmen begehrt/ daß &#x017F;ie mit gleichem recht als<lb/>
jene alles mo&#x0364;gen pru&#x0364;fen und unter&#x017F;uchen. Wie dann/ da das gegentheil nicht<lb/>
klahr erwie&#x017F;en werden kan/ wir von den leuten derer treue an der kirchen uns<lb/>
zur gnu&#x0364;ge bekant i&#x017F;t/ nichts anders mit recht/ als das be&#x017F;te zu glaubenhaben.</p><lb/>
          <p>§. <hi rendition="#aq">LVI.</hi> Der <hi rendition="#aq">n.</hi> 66. anfu&#x0364;hrende einwurff i&#x017F;t von nicht geringer krafft.<lb/>
Die &#x017F;ache &#x017F;elbs gru&#x0364;ndet &#x017F;ich auff den zu&#x017F;tand des Babels/ wie es um die zeit<lb/>
gewe&#x017F;en/ aus welcher die wort in der Offenbahrung angefu&#x0364;hret/ und wir al-<lb/>
&#x017F;o dahin von dem H. Gei&#x017F;t gewie&#x017F;en werden. Es la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ich aber der&#x017F;elbe nicht<lb/>
&#x017F;o leicht abwenden/ wie <hi rendition="#aq">n.</hi> 67. ver&#x017F;uchet wird/ daß Babel nicht der verdorbe-<lb/>
nen &#x017F;ondern der H. auserwehlten kirchen entgegen ge&#x017F;etzet werde. Dann bey-<lb/>
des &#x017F;tehet neben einander/ alldieweil die auserwehlte kirche nach dero mei&#x017F;ten<lb/>
gliedern/ in der eu&#x017F;&#x017F;erlichen wahren/ aber verdorbenen/ kirchen &#x017F;tecken. Da-<lb/>
her &#x017F;ie mit die&#x017F;er auch zugleich leiden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Was auch von dem Antichri-<lb/>
&#x017F;ti&#x017F;chen Babel gegen die verdorbene kirche ge&#x017F;chihet/ ge&#x017F;chihet zwahr von<lb/>
GOttes &#x017F;eiten aus gerechtem gericht/ die heuchler/ welche &#x017F;einer wahrheit<lb/>
mißbrauchet haben/ durch dasjenige feuer zu verbrennen/ welches das gold<lb/>
&#x017F;einer glaubigen la&#x0364;utert/ aber Babels <hi rendition="#aq">intention</hi> &#x017F;elbs i&#x017F;t anders/ und ver-<lb/>
folgt die&#x017F;es an der verdorbenen kirchen nicht das bo&#x0364;&#x017F;e/ das an ihr i&#x017F;t/ &#x017F;ondern<lb/>
das gute/ was &#x017F;ie noch haben/ die wahre lehr und reinen Gottesdien&#x017F;t. J&#x017F;t<lb/>
al&#x017F;o ein &#x017F;teter gegen&#x017F;atz Babels gegen die wahrheit/ &#x017F;o wol gegen die wahre<lb/>
innerliche glieder Chri&#x017F;ti/ als die wahre lehr/ &#x017F;o auch bey den andern heuch-<lb/>
lern noch u&#x0364;brig i&#x017F;t/ und um dero willen &#x017F;ie noch zu der eu&#x017F;&#x017F;erlichen wahren kir-<lb/>
chen geho&#x0364;ren.</p><lb/>
          <p>§. <hi rendition="#aq">LVII.</hi> Gleicherma&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t der <hi rendition="#aq">n.</hi> 68. vorge&#x017F;tellte einwurff auch von mehr<lb/>
krafft/ daß abermahl die beantwortung dem&#x017F;elben nicht gnug thut/ ja die<lb/>
krafft de&#x017F;&#x017F;elben nicht beru&#x0364;hret. Es bleibet einmahl unleugbar/ Rom &#x017F;eye<lb/>
das Babel/ und al&#x017F;o des gantzen reichs haupt; &#x017F;o i&#x017F;t unmu&#x0364;glich/ daß dasjeni-<lb/>
ge ko&#x0364;nne zu &#x017F;olchem reich geho&#x0364;ren/ was in offenbahrem krieg dagegen &#x017F;tehet/<lb/>
welches weder das Rom und &#x017F;eine herr&#x017F;chafft erkennet/ noch von dem&#x017F;elben<lb/>
vor ein &#x017F;tu&#x0364;ck &#x017F;eines reichs oder kirche erkant/ &#x017F;ondern nur getrachtet wird/ es<lb/>
unter &#x017F;eine botma&#x0364;ßigkeit er&#x017F;t zu bringen. Die er&#x017F;te bauleute des Babels wa-<lb/>
ren nicht feind&#x017F;elig gegen einander/ &#x017F;ondern ver&#x017F;tunden &#x017F;ich wol zu&#x017F;ammen/<lb/>
und arbeiteten an einem bau/ nicht aber &#x017F;uchte einer dasjenige umzurei&#x017F;&#x017F;en<lb/>
was der andere bauete: daher ob wol/ wie oben gewie&#x017F;en/ der H. Gei&#x017F;t uns<lb/>
in dem N. T. nirgend auff den&#x017F;elben er&#x017F;ten bau/ &#x017F;ondern auff die macht des al-<lb/>
ten Babels/ da es das volck GOttes gefangen genommen/ welches aber end-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lich</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[382/0398] Anhang den/ bleibet ſolches urtheil noch allezeit/ auffs neue wiederum das jenige/ was ſie haben/ zu unterſuchen/ und haben die vorfahren/ welche falſcher lehr den weg verlegen/ und die nachkommen verwaruen wollen/ dieſen die von GOtt habende macht nicht zu nehmen begehrt/ daß ſie mit gleichem recht als jene alles moͤgen pruͤfen und unterſuchen. Wie dann/ da das gegentheil nicht klahr erwieſen werden kan/ wir von den leuten derer treue an der kirchen uns zur gnuͤge bekant iſt/ nichts anders mit recht/ als das beſte zu glaubenhaben. §. LVI. Der n. 66. anfuͤhrende einwurff iſt von nicht geringer krafft. Die ſache ſelbs gruͤndet ſich auff den zuſtand des Babels/ wie es um die zeit geweſen/ aus welcher die wort in der Offenbahrung angefuͤhret/ und wir al- ſo dahin von dem H. Geiſt gewieſen werden. Es laͤſſet ſich aber derſelbe nicht ſo leicht abwenden/ wie n. 67. verſuchet wird/ daß Babel nicht der verdorbe- nen ſondern der H. auserwehlten kirchen entgegen geſetzet werde. Dann bey- des ſtehet neben einander/ alldieweil die auserwehlte kirche nach dero meiſten gliedern/ in der euſſerlichen wahren/ aber verdorbenen/ kirchen ſtecken. Da- her ſie mit dieſer auch zugleich leiden muͤſſen. Was auch von dem Antichri- ſtiſchen Babel gegen die verdorbene kirche geſchihet/ geſchihet zwahr von GOttes ſeiten aus gerechtem gericht/ die heuchler/ welche ſeiner wahrheit mißbrauchet haben/ durch dasjenige feuer zu verbrennen/ welches das gold ſeiner glaubigen laͤutert/ aber Babels intention ſelbs iſt anders/ und ver- folgt dieſes an der verdorbenen kirchen nicht das boͤſe/ das an ihr iſt/ ſondern das gute/ was ſie noch haben/ die wahre lehr und reinen Gottesdienſt. Jſt alſo ein ſteter gegenſatz Babels gegen die wahrheit/ ſo wol gegen die wahre innerliche glieder Chriſti/ als die wahre lehr/ ſo auch bey den andern heuch- lern noch uͤbrig iſt/ und um dero willen ſie noch zu der euſſerlichen wahren kir- chen gehoͤren. §. LVII. Gleichermaſſen iſt der n. 68. vorgeſtellte einwurff auch von mehr krafft/ daß abermahl die beantwortung demſelben nicht gnug thut/ ja die krafft deſſelben nicht beruͤhret. Es bleibet einmahl unleugbar/ Rom ſeye das Babel/ und alſo des gantzen reichs haupt; ſo iſt unmuͤglich/ daß dasjeni- ge koͤnne zu ſolchem reich gehoͤren/ was in offenbahrem krieg dagegen ſtehet/ welches weder das Rom und ſeine herrſchafft erkennet/ noch von demſelben vor ein ſtuͤck ſeines reichs oder kirche erkant/ ſondern nur getrachtet wird/ es unter ſeine botmaͤßigkeit erſt zu bringen. Die erſte bauleute des Babels wa- ren nicht feindſelig gegen einander/ ſondern verſtunden ſich wol zuſammen/ und arbeiteten an einem bau/ nicht aber ſuchte einer dasjenige umzureiſſen was der andere bauete: daher ob wol/ wie oben gewieſen/ der H. Geiſt uns in dem N. T. nirgend auff denſelben erſten bau/ ſondern auff die macht des al- ten Babels/ da es das volck GOttes gefangen genommen/ welches aber end- lich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/398
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/398>, abgerufen am 22.11.2024.