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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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SECTIO VIII.
thue doch er/ der der GOTT der liebe ist/ vermittels des Geists der liebe
und der wahrheit/ um unsers Königs der wahrheit JEsu Christi willen. A-
men. 1691.

SECTIO VIII.
Ob der spruch 1. Petr. 4/ 8. von aller liebe/ und der
deckung der eignen sünden könne verstanden werden?
Ob glaube oder liebe bey dem menschen erst seye?

WAs mit N. N. ferner vorgegangen ist mir hertzlich leid/ wegen des bey
der gemeinde leicht entstehenden ärgernüsses/ und weil wir zu einer
zeit leben/ da der vorwand der laedirten orthodoxie (ob dieses auch
nimmermehr erwiesen wird) so bald lermen erreget/ und denen welche sich
doch aus fleischlichen affecten und in solcher absicht dessen gebrauchen also-
balden gehör und gunst bey denen bringt/ die aus unverstand eiffern/ deren
unter denjenigen/ so auch sonsten nicht böse/ sich viele finden. Weil aber da-
bey so bald gemeldet worden/ daß N. N. auff die erklährung auch acquiescirt/
dancke ich GOtt/ und wünsche/ daß dieser sturm der erste und letzte seyn mö-
ge/ zweifle auch nicht geliebter bruder werde auch aus dieser erfahrung so viel
sorgfältiger alle wort die geredet werden/ wahrnehmen und auff die wage le-
gen/ damit auch laurer nichts übel auszulegen finden. Jm übrigen habe des-
sen abermalige declaration so viel als mein zustand zugelassen erwogen/ und
finde die sache also 1. Jn der declaration hat sich derselbe gnugsam gerettet/
daß seinem sinn keine heterodoxie kan beygemessen werden/ sondern bey sei-
ner gethanen bekänntnüß bleibet der articul von der rechtfertigung aller-
dings in seiner reinigkeit nach GOttes wort und unsern Symbolischen bü-
chern. 2. Jndessen bin nicht in abrede/ daß gleichwol die bey dem ort 1. Pet.
4. angeführte erklährung dem text nicht gemäß oder von dem Heil. Geist ge-
meinet zu seyn erkennen kan. Jndem nicht allein das erste/ nemlich die ver-
mahnung des Apostels/ nicht von aller/ vielmehr allein der brüderlichen lie-
be handelt/ wie es an sich klahr/ sondern auch die folgende wort können die-
ses orts nicht als eine allgemeine thesis von aller liebe genommen werden.
Dann ob ich wol bekenne/ daß zuweilen etwas speciales zuerweisen auch eine
allgemeine proposition kan angewendet werden/ so sehe doch weder die noth-
wendigkeit dieses orts/ noch daß sichs schicken wolle. Dann weil der Apo-
stel zur bruder-liebe vermahnet/ so war ihm solcher vermahnung ein gewicht
zu geben allgnung/ daß der erweiß von etwas hergenommen seye/ so der bru-
der-liebe allein zukommet; hingegen ist allerdings keine anzeige da/ daß der
Apostel ohne noth seinen erweiß noch weiter her aus der allgemeinen natur

der

SECTIO VIII.
thue doch er/ der der GOTT der liebe iſt/ vermittels des Geiſts der liebe
und der wahrheit/ um unſers Koͤnigs der wahrheit JEſu Chriſti willen. A-
men. 1691.

SECTIO VIII.
Ob der ſpruch 1. Petr. 4/ 8. von aller liebe/ und der
deckung der eignen ſuͤnden koͤnne verſtanden werden?
Ob glaube oder liebe bey dem menſchen erſt ſeye?

WAs mit N. N. ferner vorgegangen iſt mir hertzlich leid/ wegen des bey
der gemeinde leicht entſtehenden aͤrgernuͤſſes/ und weil wir zu einer
zeit leben/ da der vorwand der lædirten orthodoxie (ob dieſes auch
nimmermehr erwieſen wird) ſo bald lermen erreget/ und denen welche ſich
doch aus fleiſchlichen affecten und in ſolcher abſicht deſſen gebrauchen alſo-
balden gehoͤr und gunſt bey denen bringt/ die aus unverſtand eiffern/ deren
unter denjenigen/ ſo auch ſonſten nicht boͤſe/ ſich viele finden. Weil aber da-
bey ſo bald gemeldet worden/ daß N. N. auff die erklaͤhrung auch acquieſcirt/
dancke ich GOtt/ und wuͤnſche/ daß dieſer ſturm der erſte und letzte ſeyn moͤ-
ge/ zweifle auch nicht geliebter bruder werde auch aus dieſer erfahrung ſo viel
ſorgfaͤltiger alle wort die geredet werden/ wahrnehmen und auff die wage le-
gen/ damit auch laurer nichts uͤbel auszulegen finden. Jm uͤbrigen habe deſ-
ſen abermalige declaration ſo viel als mein zuſtand zugelaſſen erwogen/ und
finde die ſache alſo 1. Jn der declaration hat ſich derſelbe gnugſam gerettet/
daß ſeinem ſinn keine heterodoxie kan beygemeſſen werden/ ſondern bey ſei-
ner gethanen bekaͤnntnuͤß bleibet der articul von der rechtfertigung aller-
dings in ſeiner reinigkeit nach GOttes wort und unſern Symboliſchen buͤ-
chern. 2. Jndeſſen bin nicht in abrede/ daß gleichwol die bey dem ort 1. Pet.
4. angefuͤhrte erklaͤhrung dem text nicht gemaͤß oder von dem Heil. Geiſt ge-
meinet zu ſeyn erkennen kan. Jndem nicht allein das erſte/ nemlich die ver-
mahnung des Apoſtels/ nicht von aller/ vielmehr allein der bruͤderlichen lie-
be handelt/ wie es an ſich klahr/ ſondern auch die folgende wort koͤnnen die-
ſes orts nicht als eine allgemeine theſis von aller liebe genommen werden.
Dann ob ich wol bekenne/ daß zuweilen etwas ſpeciales zuerweiſen auch eine
allgemeine propoſition kan angewendet werden/ ſo ſehe doch weder die noth-
wendigkeit dieſes orts/ noch daß ſichs ſchicken wolle. Dann weil der Apo-
ſtel zur bruder-liebe vermahnet/ ſo war ihm ſolcher vermahnung ein gewicht
zu geben allgnung/ daß der erweiß von etwas hergenommen ſeye/ ſo der bru-
der-liebe allein zukommet; hingegen iſt allerdings keine anzeige da/ daß der
Apoſtel ohne noth ſeinen erweiß noch weiter her aus der allgemeinen natur

der
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[23/0039] SECTIO VIII. thue doch er/ der der GOTT der liebe iſt/ vermittels des Geiſts der liebe und der wahrheit/ um unſers Koͤnigs der wahrheit JEſu Chriſti willen. A- men. 1691. SECTIO VIII. Ob der ſpruch 1. Petr. 4/ 8. von aller liebe/ und der deckung der eignen ſuͤnden koͤnne verſtanden werden? Ob glaube oder liebe bey dem menſchen erſt ſeye? WAs mit N. N. ferner vorgegangen iſt mir hertzlich leid/ wegen des bey der gemeinde leicht entſtehenden aͤrgernuͤſſes/ und weil wir zu einer zeit leben/ da der vorwand der lædirten orthodoxie (ob dieſes auch nimmermehr erwieſen wird) ſo bald lermen erreget/ und denen welche ſich doch aus fleiſchlichen affecten und in ſolcher abſicht deſſen gebrauchen alſo- balden gehoͤr und gunſt bey denen bringt/ die aus unverſtand eiffern/ deren unter denjenigen/ ſo auch ſonſten nicht boͤſe/ ſich viele finden. Weil aber da- bey ſo bald gemeldet worden/ daß N. N. auff die erklaͤhrung auch acquieſcirt/ dancke ich GOtt/ und wuͤnſche/ daß dieſer ſturm der erſte und letzte ſeyn moͤ- ge/ zweifle auch nicht geliebter bruder werde auch aus dieſer erfahrung ſo viel ſorgfaͤltiger alle wort die geredet werden/ wahrnehmen und auff die wage le- gen/ damit auch laurer nichts uͤbel auszulegen finden. Jm uͤbrigen habe deſ- ſen abermalige declaration ſo viel als mein zuſtand zugelaſſen erwogen/ und finde die ſache alſo 1. Jn der declaration hat ſich derſelbe gnugſam gerettet/ daß ſeinem ſinn keine heterodoxie kan beygemeſſen werden/ ſondern bey ſei- ner gethanen bekaͤnntnuͤß bleibet der articul von der rechtfertigung aller- dings in ſeiner reinigkeit nach GOttes wort und unſern Symboliſchen buͤ- chern. 2. Jndeſſen bin nicht in abrede/ daß gleichwol die bey dem ort 1. Pet. 4. angefuͤhrte erklaͤhrung dem text nicht gemaͤß oder von dem Heil. Geiſt ge- meinet zu ſeyn erkennen kan. Jndem nicht allein das erſte/ nemlich die ver- mahnung des Apoſtels/ nicht von aller/ vielmehr allein der bruͤderlichen lie- be handelt/ wie es an ſich klahr/ ſondern auch die folgende wort koͤnnen die- ſes orts nicht als eine allgemeine theſis von aller liebe genommen werden. Dann ob ich wol bekenne/ daß zuweilen etwas ſpeciales zuerweiſen auch eine allgemeine propoſition kan angewendet werden/ ſo ſehe doch weder die noth- wendigkeit dieſes orts/ noch daß ſichs ſchicken wolle. Dann weil der Apo- ſtel zur bruder-liebe vermahnet/ ſo war ihm ſolcher vermahnung ein gewicht zu geben allgnung/ daß der erweiß von etwas hergenommen ſeye/ ſo der bru- der-liebe allein zukommet; hingegen iſt allerdings keine anzeige da/ daß der Apoſtel ohne noth ſeinen erweiß noch weiter her aus der allgemeinen natur der

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/39>, abgerufen am 27.12.2024.