Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das erste Capitel. etwa einigen scrupul ohne noth zuverursachen: wie man allezeit der schwa-chen nach allem vermögen schonen solle. Nun auch etwas auff die andere briefe zu kommen/ so habe gerne gelesen die approbation der gnorismatum fidei in den Catechismus-predigten/ die ich zwahr auch sonsten hin und wie- der/ bald kürtzer/ bald weitläufftiger treibe/ als eine sache/ von dero ich glau- be/ daß man nicht wol zu offt und zu viel reden und handlen könne. Jndessen wolte ich nicht von der hergebrachten erzehlung der theile des glaubens wei- chen/ auffs wenigste ists je nicht nöthig: dann was wir von der art des glau- bens zu sagen vermögen/ und damit der sicherheit billig wehren sollen/ kön- nen wir alles zu den gewöhnlichen drey theilen ziehen/ wo nemlich dieselbe recht erwogen/ und die buchstäbliche wissenschafft von der lebendigen erkänt- nüß/ die versigelung des Heil. Geistes von einem aus menschlicher autorität oder blosser überweisung des verstandes herkommenden beyfall/ und die kindliche zuversicht von der fleischlichen sicherheit/ wie sichs gebühret/ unter- schieden werden. Und wo solches geschihet/ wird niemand einigen mißgriff in der sache thun oder sich betriegen/ daß wir also gar wol auch bey der ge- meinsten und hergebrachten abtheilung zu bleiben vermögen. Anlangende den streit/ ob ein bluts tropffen Christi vor die gantze sünde der welt hätte gnug thun können/ den ich niemals erreget worden zu seyn gewün- schet hätte/ so wolte mich endlich so erklähren/ es möge ein tropffe bluts be- trachtet in der unendlichen person GOttes an sich selbs wol unendlicher kraft zu seyn erkant und gerühmet werden/ wo wir aber/ wie es billig ist/ auff die göttliche verordnung selbs sehen/ so halte ich am sichersten seyn/ zu sagen/ daß GOtt seinem Sohn nicht so schreckliche leiden und pein würde aufferleget haben/ wo seine weißheit erkant/ daß seiner gerechtigkeit mit wenigerem gnug hätte geschehen können. Daher spricht der HErr: Matth. 26/ 29. Mein Vater/ ists müglich etc. aber da es dabey bliebe/ sehen wir/ daß es göttliche gerechtigkeit nicht müglich erkant habe. Von der güter gemeinschafft der ersten kirche bekenne ich/ daß mir nicht eben autores bekant sind/ welche aus- trücklich davon geschrieben hätten: wie mich dann niemals auff eine sonder- bare cognitionem librorum, welche gleichwol ein so grosses stück der erudi- tion zu dieser zeit gehalten wird/ geleget habe. Dieses einige mercke ich al- lezeit von derselben/ daß es ein gantz particular-werck gewesen/ und wir nicht finden/ daß die Apostel dergleichen institutum an einigem andern ort einge- führet/ daher die göttliche weißheit/ so dergleichen durch die Apostel zu Jeru- salem also verordnet/ dazu ihre sonderbare/ und ohn zweiffel auff zeit und ort gerichtete ursachen gehabt haben muß/ dero wir auch in Christlichem nach- sinnen leicht einige finden können/ warum in der kirche/ die zu erst die härteste ver-
Das erſte Capitel. etwa einigen ſcrupul ohne noth zuverurſachen: wie man allezeit der ſchwa-chen nach allem vermoͤgen ſchonen ſolle. Nun auch etwas auff die andere briefe zu kommen/ ſo habe gerne geleſen die approbation der gnoriſmatum fidei in den Catechiſmus-predigten/ die ich zwahr auch ſonſten hin und wie- der/ bald kuͤrtzer/ bald weitlaͤufftiger treibe/ als eine ſache/ von dero ich glau- be/ daß man nicht wol zu offt und zu viel reden und handlen koͤnne. Jndeſſen wolte ich nicht von der hergebrachten erzehlung der theile des glaubens wei- chen/ auffs wenigſte iſts je nicht noͤthig: dann was wir von der art des glau- bens zu ſagen vermoͤgen/ und damit der ſicherheit billig wehren ſollen/ koͤn- nen wir alles zu den gewoͤhnlichen drey theilen ziehen/ wo nemlich dieſelbe recht erwogen/ und die buchſtaͤbliche wiſſenſchafft von der lebendigen erkaͤnt- nuͤß/ die verſigelung des Heil. Geiſtes von einem aus menſchlicher autoritaͤt oder bloſſer uͤberweiſung des verſtandes herkommenden beyfall/ und die kindliche zuverſicht von der fleiſchlichen ſicherheit/ wie ſichs gebuͤhret/ unter- ſchieden werden. Und wo ſolches geſchihet/ wird niemand einigen mißgriff in der ſache thun oder ſich betriegen/ daß wir alſo gar wol auch bey der ge- meinſten und hergebrachten abtheilung zu bleiben vermoͤgen. Anlangende den ſtreit/ ob ein bluts tropffen Chriſti vor die gantze ſuͤnde der welt haͤtte gnug thun koͤnnen/ den ich niemals erreget worden zu ſeyn gewuͤn- ſchet haͤtte/ ſo wolte mich endlich ſo erklaͤhren/ es moͤge ein tropffe bluts be- trachtet in der unendlichen perſon GOttes an ſich ſelbs wol unendlicher kraft zu ſeyn erkant und geruͤhmet werden/ wo wir aber/ wie es billig iſt/ auff die goͤttliche verordnung ſelbs ſehen/ ſo halte ich am ſicherſten ſeyn/ zu ſagen/ daß GOtt ſeinem Sohn nicht ſo ſchreckliche leiden und pein wuͤrde aufferleget haben/ wo ſeine weißheit erkant/ daß ſeiner gerechtigkeit mit wenigerem gnug haͤtte geſchehen koͤnnen. Daher ſpricht der HErr: Matth. 26/ 29. Mein Vater/ iſts muͤglich ꝛc. aber da es dabey bliebe/ ſehen wir/ daß es goͤttliche gerechtigkeit nicht muͤglich erkant habe. Von der guͤter gemeinſchafft der erſten kirche bekenne ich/ daß mir nicht eben autores bekant ſind/ welche aus- truͤcklich davon geſchrieben haͤtten: wie mich dann niemals auff eine ſonder- bare cognitionem librorum, welche gleichwol ein ſo groſſes ſtuͤck der erudi- tion zu dieſer zeit gehalten wird/ geleget habe. Dieſes einige mercke ich al- lezeit von derſelben/ daß es ein gantz particular-werck geweſen/ und wir nicht finden/ daß die Apoſtel dergleichen inſtitutum an einigem andern ort einge- fuͤhret/ daher die goͤttliche weißheit/ ſo dergleichen durch die Apoſtel zu Jeru- ſalem alſo verordnet/ dazu ihre ſonderbare/ und ohn zweiffel auff zeit und ort gerichtete urſachen gehabt haben muß/ dero wir auch in Chriſtlichem nach- ſinnen leicht einige finden koͤnnen/ warum in der kirche/ die zu erſt die haͤrteſte ver-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0328" n="312"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das erſte Capitel.</hi></fw><lb/> etwa einigen ſcrupul ohne noth zuverurſachen: wie man allezeit der ſchwa-<lb/> chen nach allem vermoͤgen ſchonen ſolle. Nun auch etwas auff die andere<lb/> briefe zu kommen/ ſo habe gerne geleſen die <hi rendition="#aq">approbation</hi> der <hi rendition="#aq">gnoriſmatum<lb/> fidei</hi> in den Catechiſmus-predigten/ die ich zwahr auch ſonſten hin und wie-<lb/> der/ bald kuͤrtzer/ bald weitlaͤufftiger treibe/ als eine ſache/ von dero ich glau-<lb/> be/ daß man nicht wol zu offt und zu viel reden und handlen koͤnne. Jndeſſen<lb/> wolte ich nicht von der hergebrachten erzehlung der theile des glaubens wei-<lb/> chen/ auffs wenigſte iſts je nicht noͤthig: dann was wir von der art des glau-<lb/> bens zu ſagen vermoͤgen/ und damit der ſicherheit billig wehren ſollen/ koͤn-<lb/> nen wir alles zu den gewoͤhnlichen drey theilen ziehen/ wo nemlich dieſelbe<lb/> recht erwogen/ und die buchſtaͤbliche wiſſenſchafft von der lebendigen erkaͤnt-<lb/> nuͤß/ die verſigelung des Heil. Geiſtes von einem aus menſchlicher <hi rendition="#aq">autori</hi>taͤt<lb/> oder bloſſer uͤberweiſung des verſtandes herkommenden beyfall/ und die<lb/> kindliche zuverſicht von der fleiſchlichen ſicherheit/ wie ſichs gebuͤhret/ unter-<lb/> ſchieden werden. Und wo ſolches geſchihet/ wird niemand einigen mißgriff<lb/> in der ſache thun oder ſich betriegen/ daß wir alſo gar wol auch bey der ge-<lb/> meinſten und hergebrachten abtheilung zu bleiben vermoͤgen. Anlangende<lb/> den ſtreit/ <hi rendition="#fr">ob ein bluts tropffen Chriſti vor die gantze ſuͤnde der welt<lb/> haͤtte gnug thun koͤnnen/</hi> den ich niemals erreget worden zu ſeyn gewuͤn-<lb/> ſchet haͤtte/ ſo wolte mich endlich ſo erklaͤhren/ es moͤge ein tropffe bluts be-<lb/> trachtet in der unendlichen perſon GOttes an ſich ſelbs wol unendlicher kraft<lb/> zu ſeyn erkant und geruͤhmet werden/ wo wir aber/ wie es billig iſt/ auff die<lb/> goͤttliche verordnung ſelbs ſehen/ ſo halte ich am ſicherſten ſeyn/ zu ſagen/ daß<lb/> GOtt ſeinem Sohn nicht ſo ſchreckliche leiden und pein wuͤrde aufferleget<lb/> haben/ wo ſeine weißheit erkant/ daß ſeiner gerechtigkeit mit wenigerem gnug<lb/> haͤtte geſchehen koͤnnen. Daher ſpricht der HErr: <hi rendition="#fr">Matth. 26/ 29. Mein<lb/> Vater/ iſts muͤglich ꝛc.</hi> aber da es dabey bliebe/ ſehen wir/ daß es goͤttliche<lb/> gerechtigkeit nicht muͤglich erkant habe. Von <hi rendition="#fr">der guͤter gemeinſchafft der<lb/> erſten kirche</hi> bekenne ich/ daß mir nicht eben <hi rendition="#aq">autores</hi> bekant ſind/ welche aus-<lb/> truͤcklich davon geſchrieben haͤtten: wie mich dann niemals auff eine ſonder-<lb/> bare <hi rendition="#aq">cognitionem librorum,</hi> welche gleichwol ein ſo groſſes ſtuͤck der <hi rendition="#aq">erudi-<lb/> tion</hi> zu dieſer zeit gehalten wird/ geleget habe. Dieſes einige mercke ich al-<lb/> lezeit von derſelben/ daß es ein gantz <hi rendition="#aq">particular-</hi>werck geweſen/ und wir nicht<lb/> finden/ daß die Apoſtel dergleichen <hi rendition="#aq">inſtitutum</hi> an einigem andern ort einge-<lb/> fuͤhret/ daher die goͤttliche weißheit/ ſo dergleichen durch die Apoſtel zu Jeru-<lb/> ſalem alſo verordnet/ dazu ihre ſonderbare/ und ohn zweiffel auff zeit und ort<lb/> gerichtete urſachen gehabt haben muß/ dero wir auch in Chriſtlichem nach-<lb/> ſinnen leicht einige finden koͤnnen/ warum in der kirche/ die zu erſt die haͤrteſte<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ver-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [312/0328]
Das erſte Capitel.
etwa einigen ſcrupul ohne noth zuverurſachen: wie man allezeit der ſchwa-
chen nach allem vermoͤgen ſchonen ſolle. Nun auch etwas auff die andere
briefe zu kommen/ ſo habe gerne geleſen die approbation der gnoriſmatum
fidei in den Catechiſmus-predigten/ die ich zwahr auch ſonſten hin und wie-
der/ bald kuͤrtzer/ bald weitlaͤufftiger treibe/ als eine ſache/ von dero ich glau-
be/ daß man nicht wol zu offt und zu viel reden und handlen koͤnne. Jndeſſen
wolte ich nicht von der hergebrachten erzehlung der theile des glaubens wei-
chen/ auffs wenigſte iſts je nicht noͤthig: dann was wir von der art des glau-
bens zu ſagen vermoͤgen/ und damit der ſicherheit billig wehren ſollen/ koͤn-
nen wir alles zu den gewoͤhnlichen drey theilen ziehen/ wo nemlich dieſelbe
recht erwogen/ und die buchſtaͤbliche wiſſenſchafft von der lebendigen erkaͤnt-
nuͤß/ die verſigelung des Heil. Geiſtes von einem aus menſchlicher autoritaͤt
oder bloſſer uͤberweiſung des verſtandes herkommenden beyfall/ und die
kindliche zuverſicht von der fleiſchlichen ſicherheit/ wie ſichs gebuͤhret/ unter-
ſchieden werden. Und wo ſolches geſchihet/ wird niemand einigen mißgriff
in der ſache thun oder ſich betriegen/ daß wir alſo gar wol auch bey der ge-
meinſten und hergebrachten abtheilung zu bleiben vermoͤgen. Anlangende
den ſtreit/ ob ein bluts tropffen Chriſti vor die gantze ſuͤnde der welt
haͤtte gnug thun koͤnnen/ den ich niemals erreget worden zu ſeyn gewuͤn-
ſchet haͤtte/ ſo wolte mich endlich ſo erklaͤhren/ es moͤge ein tropffe bluts be-
trachtet in der unendlichen perſon GOttes an ſich ſelbs wol unendlicher kraft
zu ſeyn erkant und geruͤhmet werden/ wo wir aber/ wie es billig iſt/ auff die
goͤttliche verordnung ſelbs ſehen/ ſo halte ich am ſicherſten ſeyn/ zu ſagen/ daß
GOtt ſeinem Sohn nicht ſo ſchreckliche leiden und pein wuͤrde aufferleget
haben/ wo ſeine weißheit erkant/ daß ſeiner gerechtigkeit mit wenigerem gnug
haͤtte geſchehen koͤnnen. Daher ſpricht der HErr: Matth. 26/ 29. Mein
Vater/ iſts muͤglich ꝛc. aber da es dabey bliebe/ ſehen wir/ daß es goͤttliche
gerechtigkeit nicht muͤglich erkant habe. Von der guͤter gemeinſchafft der
erſten kirche bekenne ich/ daß mir nicht eben autores bekant ſind/ welche aus-
truͤcklich davon geſchrieben haͤtten: wie mich dann niemals auff eine ſonder-
bare cognitionem librorum, welche gleichwol ein ſo groſſes ſtuͤck der erudi-
tion zu dieſer zeit gehalten wird/ geleget habe. Dieſes einige mercke ich al-
lezeit von derſelben/ daß es ein gantz particular-werck geweſen/ und wir nicht
finden/ daß die Apoſtel dergleichen inſtitutum an einigem andern ort einge-
fuͤhret/ daher die goͤttliche weißheit/ ſo dergleichen durch die Apoſtel zu Jeru-
ſalem alſo verordnet/ dazu ihre ſonderbare/ und ohn zweiffel auff zeit und ort
gerichtete urſachen gehabt haben muß/ dero wir auch in Chriſtlichem nach-
ſinnen leicht einige finden koͤnnen/ warum in der kirche/ die zu erſt die haͤrteſte
ver-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |