Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.SECTIO LXI. gewiß von dem H. Geist/ dem er sich überlässet/ in alle wahrheit geleitet wer-de. Gleichwie aber von Römischer seiten selbs bekant wird/ daß jeder Christ in dem glauben wol irren könne/ ohnverletzt dieser verheissung/ nemlich wo er sich von dem Heil. Geist nicht führen lässet/ sondern seinem sinn ausser der schrifft nachhänget: Also kan auch eine gantze sichtbare kirche ohnverletzt die- ser verheissung Christi irren/ wo sie sich nemlich der leitung des Heil. Geistes widersetzet/ und anfänget ihrer vernunfft urtheil oder menschen ansehen zu folgen. Welches leider gar offt geschehen ist. Daß aber der Römischen kir- che oder dem Pabst hierinnen ein besonder privilegium gegeben seye vor allen andern kirchen und glaubigen/ daß er gar nicht könte den Heil. Geist von sich stossen/ und also in irrthum fallen/ davon weiß die schrifft nichts/ deswegen glauben wirs auch nicht/ und bleiben doch dabey/ daß Christi verheissung er- füllet seye. Die dritte angezogene verheissung betreffend/ Matth. 28. da Christus SECTIO LXII. Einige regeln wegen verhaltung gegen das Pabst- thum und dessen verfolgung examinirt. NAchdem eigentlich die frage allein geschihet auff die fünff regeln/ ob und herr- M m 2
SECTIO LXI. gewiß von dem H. Geiſt/ dem er ſich uͤberlaͤſſet/ in alle wahrheit geleitet wer-de. Gleichwie aber von Roͤmiſcher ſeiten ſelbs bekant wird/ daß jeder Chriſt in dem glauben wol irren koͤnne/ ohnverletzt dieſer verheiſſung/ nemlich wo er ſich von dem Heil. Geiſt nicht fuͤhren laͤſſet/ ſondern ſeinem ſinn auſſer der ſchrifft nachhaͤnget: Alſo kan auch eine gantze ſichtbare kirche ohnverletzt die- ſer verheiſſung Chriſti irren/ wo ſie ſich nemlich der leitung des Heil. Geiſtes widerſetzet/ und anfaͤnget ihrer vernunfft urtheil oder menſchen anſehen zu folgen. Welches leider gar offt geſchehen iſt. Daß aber der Roͤmiſchen kir- che oder dem Pabſt hierinnen ein beſonder privilegium gegeben ſeye vor allen andern kirchen und glaubigen/ daß er gar nicht koͤnte den Heil. Geiſt von ſich ſtoſſen/ und alſo in irrthum fallen/ davon weiß die ſchrifft nichts/ deswegen glauben wirs auch nicht/ und bleiben doch dabey/ daß Chriſti verheiſſung er- fuͤllet ſeye. Die dritte angezogene verheiſſung betreffend/ Matth. 28. da Chriſtus SECTIO LXII. Einige regeln wegen verhaltung gegen das Pabſt- thum und deſſen verfolgung examinirt. NAchdem eigentlich die frage allein geſchihet auff die fuͤnff regeln/ ob und herr- M m 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0291" n="275"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO LXI</hi>.</hi></hi></fw><lb/> gewiß von dem H. Geiſt/ dem er ſich uͤberlaͤſſet/ in alle wahrheit geleitet wer-<lb/> de. Gleichwie aber von Roͤmiſcher ſeiten ſelbs bekant wird/ daß jeder Chriſt<lb/> in dem glauben wol irren koͤnne/ ohnverletzt dieſer verheiſſung/ nemlich wo er<lb/> ſich von dem Heil. Geiſt nicht fuͤhren laͤſſet/ ſondern ſeinem ſinn auſſer der<lb/> ſchrifft nachhaͤnget: Alſo kan auch eine gantze ſichtbare kirche ohnverletzt die-<lb/> ſer verheiſſung Chriſti irren/ wo ſie ſich nemlich der leitung des Heil. Geiſtes<lb/> widerſetzet/ und anfaͤnget ihrer vernunfft urtheil oder menſchen anſehen zu<lb/> folgen. Welches leider gar offt geſchehen iſt. Daß aber der Roͤmiſchen kir-<lb/> che oder dem Pabſt hierinnen ein beſonder <hi rendition="#aq">privilegium</hi> gegeben ſeye vor allen<lb/> andern kirchen und glaubigen/ daß er gar nicht koͤnte den Heil. Geiſt von ſich<lb/> ſtoſſen/ und alſo in irrthum fallen/ davon weiß die ſchrifft nichts/ deswegen<lb/> glauben wirs auch nicht/ und bleiben doch dabey/ daß Chriſti verheiſſung er-<lb/> fuͤllet ſeye.</p><lb/> <p>Die dritte angezogene verheiſſung betreffend/ <hi rendition="#fr">Matth.</hi> 28. da Chriſtus<lb/> zuſagt/ er wolle bey ſeinen juͤngern <hi rendition="#fr">bleiben biß an der welt ende/</hi> iſt ſolche<lb/> auch wahr: folget aber nichts draus/ als daß dann/ biß zum ende der welt<lb/> einige fromme/ wahre rechtglaubige Chriſten bleiben werden/ einmahl mehr/<lb/> das andere mahl weniger. Obwol/ wer dieſelben jedesmal ſeyen/ uns men-<lb/> ſchen nicht/ ſondern allein GOtt bekant iſt.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO LXII</hi>.</hi> </hi><lb/> <hi rendition="#fr">Einige regeln wegen verhaltung gegen das Pabſt-<lb/> thum und deſſen verfolgung</hi> <hi rendition="#aq">examinirt.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">N</hi>Achdem eigentlich die frage allein geſchihet auff die fuͤnff regeln/ ob und<lb/> wie fern dieſelbe anzunehmen/ ſo uͤbergehe ich die vorangeſetzte betrach-<lb/> tung des zuſtandes der einwohner in Franckreich/ in welchem gleich-<lb/> wol ſonſten ein und anders etwa bemercket zu werden/ wol wuͤrdig waͤre: nur<lb/> kan ich nicht wol unterlaſſen zu erinnern/ daß von dem <hi rendition="#aq">Autore</hi> derſelben (ich<lb/> wil hoffen/ es ſeye ſolches aus unwiſſenheit und mangel beſſern berichts ge-<lb/> ſchehn) uns mit den worten viel zu viel geſchehe/ wenn er <hi rendition="#fr">ſagt: die eine par-<lb/> they mache groß werck von</hi> <hi rendition="#aq">D.</hi> <hi rendition="#fr">Martin Luther (alſo gar/ daß wenig<lb/> fehlete/ daß ſie ihn nicht zum 13. Apoſtel gemacht haͤtten) und nen-<lb/> neten ſich nach ſeinem nahmen Lutheraner/ weil er das haupt ihrer<lb/> parthey ſeyn ſolte.</hi> Jn dieſen worten ſind unterſchiedliche dinge verfaſt/<lb/> welche mit der wahrheit nicht eben uͤberein kommen/ und uns zur ungebuͤhr<lb/> beſchwehren. 1. Leugnen wir nicht/ daß wir von Luthero viel wercks ma-<lb/> chen/ das iſt/ ihn vor einen theuren und treuen lehrer des Evangelii halten/<lb/> welchen GOtt dem Roͤmiſchen Babel zu widerſprechen erwecket/ und mit<lb/> <fw place="bottom" type="sig">M m 2</fw><fw place="bottom" type="catch">herr-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [275/0291]
SECTIO LXI.
gewiß von dem H. Geiſt/ dem er ſich uͤberlaͤſſet/ in alle wahrheit geleitet wer-
de. Gleichwie aber von Roͤmiſcher ſeiten ſelbs bekant wird/ daß jeder Chriſt
in dem glauben wol irren koͤnne/ ohnverletzt dieſer verheiſſung/ nemlich wo er
ſich von dem Heil. Geiſt nicht fuͤhren laͤſſet/ ſondern ſeinem ſinn auſſer der
ſchrifft nachhaͤnget: Alſo kan auch eine gantze ſichtbare kirche ohnverletzt die-
ſer verheiſſung Chriſti irren/ wo ſie ſich nemlich der leitung des Heil. Geiſtes
widerſetzet/ und anfaͤnget ihrer vernunfft urtheil oder menſchen anſehen zu
folgen. Welches leider gar offt geſchehen iſt. Daß aber der Roͤmiſchen kir-
che oder dem Pabſt hierinnen ein beſonder privilegium gegeben ſeye vor allen
andern kirchen und glaubigen/ daß er gar nicht koͤnte den Heil. Geiſt von ſich
ſtoſſen/ und alſo in irrthum fallen/ davon weiß die ſchrifft nichts/ deswegen
glauben wirs auch nicht/ und bleiben doch dabey/ daß Chriſti verheiſſung er-
fuͤllet ſeye.
Die dritte angezogene verheiſſung betreffend/ Matth. 28. da Chriſtus
zuſagt/ er wolle bey ſeinen juͤngern bleiben biß an der welt ende/ iſt ſolche
auch wahr: folget aber nichts draus/ als daß dann/ biß zum ende der welt
einige fromme/ wahre rechtglaubige Chriſten bleiben werden/ einmahl mehr/
das andere mahl weniger. Obwol/ wer dieſelben jedesmal ſeyen/ uns men-
ſchen nicht/ ſondern allein GOtt bekant iſt.
SECTIO LXII.
Einige regeln wegen verhaltung gegen das Pabſt-
thum und deſſen verfolgung examinirt.
NAchdem eigentlich die frage allein geſchihet auff die fuͤnff regeln/ ob und
wie fern dieſelbe anzunehmen/ ſo uͤbergehe ich die vorangeſetzte betrach-
tung des zuſtandes der einwohner in Franckreich/ in welchem gleich-
wol ſonſten ein und anders etwa bemercket zu werden/ wol wuͤrdig waͤre: nur
kan ich nicht wol unterlaſſen zu erinnern/ daß von dem Autore derſelben (ich
wil hoffen/ es ſeye ſolches aus unwiſſenheit und mangel beſſern berichts ge-
ſchehn) uns mit den worten viel zu viel geſchehe/ wenn er ſagt: die eine par-
they mache groß werck von D. Martin Luther (alſo gar/ daß wenig
fehlete/ daß ſie ihn nicht zum 13. Apoſtel gemacht haͤtten) und nen-
neten ſich nach ſeinem nahmen Lutheraner/ weil er das haupt ihrer
parthey ſeyn ſolte. Jn dieſen worten ſind unterſchiedliche dinge verfaſt/
welche mit der wahrheit nicht eben uͤberein kommen/ und uns zur ungebuͤhr
beſchwehren. 1. Leugnen wir nicht/ daß wir von Luthero viel wercks ma-
chen/ das iſt/ ihn vor einen theuren und treuen lehrer des Evangelii halten/
welchen GOtt dem Roͤmiſchen Babel zu widerſprechen erwecket/ und mit
herr-
M m 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |