Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.SECTIO LII. sind/ und dero krafft allein durch des Heil. Geistes wirckung uns in das hertzgedrucket wird. Der erste grund ist der heilige wille GOttes/ und der rechtglaubigen hertzliche unterwerffung unter demselbigen. Dann wie uns die natur lehret/ daß wir der noth weichen/ und was wir nicht ändern können ohne vergebene widersetzlichkeit endlich über uns ergehen lassen sollen/ damit wir uns die sache nicht schwerer machen. Also lehret hingegen der H. Geist aus seinem wortdie hertzen der glaubigen/ daß aller wille GOTTes heilig/ heilsam und gut/ deswegen auch zu lieben seye/ nicht nur in denjenigen Stü- cken/ die unserem fleischlichen appetit gemäß/ sondern auch demselben gantz zu- wider sind. So hat sich billich der glaubige sein lebtag/ oder doch zeit seines mit rechtem eiffer getriebenen christenthums beflissen/ wie er täglich bittet/ Vater dein wille geschehe/ also auch in der that nicht aus noth sondern aus liebe/ seinen willen demselbigen zu unterwerffen/ ja von grund der seelen ihm dem seinigen vorzuziehen. Also daß wo ihm GOtt in dem augenblick frey- stellte/ er solte seinen willen haben/ aber sein göttlicher wille gehe mehr auf das gegentheil/ würde der rechtglaubige seinen willen/ den er durchzutreiben/ (ut hoc ponamus per impossibile) durch GOttes zulassung vermöchte/ hertz- lich gern seinem Vater unterwerffen/ und in glaubiger demuth sagen mit sei- nem Heiland: nicht was ich will/ sondern was du willt. Und dieses ist also der erste grund des trostes bey einem erleuchteten Christen/ daß er ge- lernet/ seines himmlischen Vaters willen von hertzen zu lieben/ und nun den Tod als eine solche sache ansiehet/ die dem willen solches seines himmlischen Vaters gemäß seye/ deswegen aber von ihm hertzlich geliebet wird. Nechst diesem tröstet sich der Christ in den todt vornemlich damit/ und machet ihm denselben recht angenehm/ wo er erweget die grosse wolthat/ da ihn der todt von allem übel erlöset. Und zwahr solcher nicht nur in der erlösung von dem leiblichen und weltlichem übel/ von allgemeinen oder eigenen trübsalen/ wel- che erlösung auch der natürliche mensch verstehet und aestimiret/ als welchem solches leiden beschwehrlich/ und demnach die befreyung davon erwünschlich ist: sondern zuvorderst von dem geistlichen und seelen übel der sünden/ welches wie es der natürliche mensch nicht verstehet/ sondern eine geringe leibliche trübsal vor mehr achtet/ als die gantze sündliche verderbnüß; also wirds hin- gegen von einem erleuchteten Christen am meisten betrauret. Also/ daß ich ach- te/ unser seel. Arnd habe sehr wohl geschrieben/ wo er sagt: daß das rechte ei- gentliche creutz der Christen seye nicht so wohl ander menschliches elend/ kranckheit/ armuth/ unglück/ und dergleichen (so ihnen zwahr auch ein creutz/ aber weil es mit unglaubigen gemein/ noch nicht das rechte eigne Christen- creutz ist) sondern nebens der äusserlichen verfolgung um der gerechtigkeit wil- len/ der innerliche kampf in welchem sie stehen/ und sich ihrer sündlichen verderb- nüß
SECTIO LII. ſind/ und dero krafft allein durch des Heil. Geiſtes wirckung uns in das hertzgedrucket wird. Der erſte grund iſt der heilige wille GOttes/ und der rechtglaubigen hertzliche unterwerffung unter demſelbigen. Dann wie uns die natur lehret/ daß wir der noth weichen/ und was wir nicht aͤndern koͤnnen ohne vergebene widerſetzlichkeit endlich über uns ergehen laſſen ſollen/ damit wir uns die ſache nicht ſchwerer machen. Alſo lehret hingegen der H. Geiſt aus ſeinem wortdie hertzen der glaubigen/ daß aller wille GOTTes heilig/ heilſam und gut/ deswegen auch zu lieben ſeye/ nicht nur in denjenigen Stuͤ- cken/ die unſerem fleiſchlichen appetit gemaͤß/ ſondern auch demſelben gantz zu- wider ſind. So hat ſich billich der glaubige ſein lebtag/ oder doch zeit ſeines mit rechtem eiffer getriebenen chriſtenthums befliſſen/ wie er taͤglich bittet/ Vater dein wille geſchehe/ alſo auch in der that nicht aus noth ſondern aus liebe/ ſeinen willen demſelbigen zu unterwerffen/ ja von grund der ſeelen ihm dem ſeinigen vorzuziehen. Alſo daß wo ihm GOtt in dem augenblick frey- ſtellte/ er ſolte ſeinen willen haben/ aber ſein goͤttlicher wille gehe mehr auf das gegentheil/ wuͤrde der rechtglaubige ſeinen willen/ den er durchzutreiben/ (ut hoc ponamus per impoſſibile) durch GOttes zulaſſung vermoͤchte/ hertz- lich gern ſeinem Vater unterwerffen/ und in glaubiger demuth ſagen mit ſei- nem Heiland: nicht was ich will/ ſondern was du willt. Und dieſes iſt alſo der erſte grund des troſtes bey einem erleuchteten Chriſten/ daß er ge- lernet/ ſeines himmliſchen Vaters willen von hertzen zu lieben/ und nun den Tod als eine ſolche ſache anſiehet/ die dem willen ſolches ſeines himmliſchen Vaters gemaͤß ſeye/ deswegen aber von ihm hertzlich geliebet wird. Nechſt dieſem troͤſtet ſich der Chriſt in den todt vornemlich damit/ und machet ihm denſelben recht angenehm/ wo er erweget die groſſe wolthat/ da ihn der todt von allem uͤbel erloͤſet. Und zwahr ſolcher nicht nur in der erloͤſung von dem leiblichen und weltlichem uͤbel/ von allgemeinen oder eigenen truͤbſalen/ wel- che erloͤſung auch der natuͤrliche menſch verſtehet und æſtimiret/ als welchem ſolches leiden beſchwehrlich/ und demnach die befreyung davon erwuͤnſchlich iſt: ſondern zuvorderſt von dem geiſtlichen und ſeelen uͤbel der ſuͤnden/ welches wie es der natuͤrliche menſch nicht verſtehet/ ſondern eine geringe leibliche truͤbſal vor mehr achtet/ als die gantze ſuͤndliche verderbnuͤß; alſo wirds hin- gegen von einem eꝛleuchteten Chriſten am meiſten betrauret. Alſo/ daß ich ach- te/ unſer ſeel. Arnd habe ſehr wohl geſchrieben/ wo er ſagt: daß das rechte ei- gentliche creutz der Chriſten ſeye nicht ſo wohl ander menſchliches elend/ kranckheit/ armuth/ ungluͤck/ und dergleichen (ſo ihnen zwahr auch ein creutz/ aber weil es mit unglaubigen gemein/ noch nicht das rechte eigne Chriſten- creutz iſt) ſondern nebens der aͤuſſerlichen verfolgung um der gerechtigkeit wil- len/ der iñerliche kampf in welchem ſie ſtehen/ und ſich ihrer ſuͤndlichen verderb- nuͤß
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0263" n="247"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO LII.</hi></hi></hi></fw><lb/> ſind/ und dero krafft allein durch des Heil. Geiſtes wirckung uns in das hertz<lb/> gedrucket wird. Der erſte grund <hi rendition="#fr">iſt der heilige wille GOttes/</hi> und der<lb/> rechtglaubigen hertzliche unterwerffung unter demſelbigen. Dann wie uns<lb/> die natur lehret/ daß wir der noth weichen/ und was wir nicht aͤndern koͤnnen<lb/> ohne vergebene widerſetzlichkeit endlich über uns ergehen laſſen ſollen/ damit<lb/> wir uns die ſache nicht ſchwerer machen. Alſo lehret hingegen der H. Geiſt<lb/> aus ſeinem wortdie hertzen der glaubigen/ daß aller wille GOTTes heilig/<lb/> heilſam und gut/ deswegen auch zu lieben ſeye/ nicht nur in denjenigen Stuͤ-<lb/> cken/ die unſerem fleiſchlichen <hi rendition="#aq">appetit</hi> gemaͤß/ ſondern auch demſelben gantz zu-<lb/> wider ſind. So hat ſich billich der glaubige ſein lebtag/ oder doch zeit ſeines<lb/> mit rechtem eiffer getriebenen chriſtenthums befliſſen/ wie er taͤglich bittet/<lb/> Vater <hi rendition="#fr">dein wille geſchehe/</hi> alſo auch in der that nicht aus noth ſondern aus<lb/> liebe/ ſeinen willen demſelbigen zu unterwerffen/ ja von grund der ſeelen ihm<lb/> dem ſeinigen vorzuziehen. Alſo daß wo ihm GOtt in dem augenblick frey-<lb/> ſtellte/ er ſolte ſeinen willen haben/ aber ſein goͤttlicher wille gehe mehr auf<lb/> das gegentheil/ wuͤrde der rechtglaubige ſeinen willen/ den er durchzutreiben/<lb/> (<hi rendition="#aq">ut hoc ponamus per impoſſibile</hi>) durch GOttes zulaſſung vermoͤchte/ hertz-<lb/> lich gern ſeinem Vater unterwerffen/ und in glaubiger demuth ſagen mit ſei-<lb/> nem Heiland: <hi rendition="#fr">nicht was ich will/ ſondern was du willt.</hi> Und dieſes<lb/> iſt alſo der erſte grund des troſtes bey einem erleuchteten Chriſten/ daß er ge-<lb/> lernet/ ſeines himmliſchen Vaters willen von hertzen zu lieben/ und nun den<lb/> Tod als eine ſolche ſache anſiehet/ die dem willen ſolches ſeines himmliſchen<lb/> Vaters gemaͤß ſeye/ deswegen aber von ihm hertzlich geliebet wird. Nechſt<lb/> dieſem troͤſtet ſich der Chriſt in den todt vornemlich damit/ und machet ihm<lb/> denſelben recht angenehm/ wo er erweget die groſſe wolthat/ da ihn der todt<lb/> von allem uͤbel erloͤſet. Und zwahr ſolcher nicht nur in der erloͤſung von dem<lb/> leiblichen und weltlichem uͤbel/ von allgemeinen oder eigenen truͤbſalen/ wel-<lb/> che erloͤſung auch der natuͤrliche menſch verſtehet und <hi rendition="#aq">æſtimi</hi>ret/ als welchem<lb/> ſolches leiden beſchwehrlich/ und demnach die befreyung davon erwuͤnſchlich<lb/> iſt: ſondern zuvorderſt von dem geiſtlichen und ſeelen uͤbel der ſuͤnden/ welches<lb/> wie es der natuͤrliche menſch nicht verſtehet/ ſondern eine geringe leibliche<lb/> truͤbſal vor mehr achtet/ als die gantze ſuͤndliche verderbnuͤß; alſo wirds hin-<lb/> gegen von einem eꝛleuchteten Chriſten am meiſten betrauret. Alſo/ daß ich ach-<lb/> te/ unſer ſeel. <hi rendition="#fr">Arnd</hi> habe ſehr wohl geſchrieben/ wo er ſagt: daß das rechte ei-<lb/> gentliche creutz der Chriſten ſeye nicht ſo wohl ander menſchliches elend/<lb/> kranckheit/ armuth/ ungluͤck/ und dergleichen (ſo ihnen zwahr auch ein creutz/<lb/> aber weil es mit unglaubigen gemein/ noch nicht das rechte eigne Chriſten-<lb/> creutz iſt) ſondern nebens der aͤuſſerlichen verfolgung um der gerechtigkeit wil-<lb/> len/ der iñerliche kampf in welchem ſie ſtehen/ und ſich ihrer ſuͤndlichen verderb-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">nuͤß</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [247/0263]
SECTIO LII.
ſind/ und dero krafft allein durch des Heil. Geiſtes wirckung uns in das hertz
gedrucket wird. Der erſte grund iſt der heilige wille GOttes/ und der
rechtglaubigen hertzliche unterwerffung unter demſelbigen. Dann wie uns
die natur lehret/ daß wir der noth weichen/ und was wir nicht aͤndern koͤnnen
ohne vergebene widerſetzlichkeit endlich über uns ergehen laſſen ſollen/ damit
wir uns die ſache nicht ſchwerer machen. Alſo lehret hingegen der H. Geiſt
aus ſeinem wortdie hertzen der glaubigen/ daß aller wille GOTTes heilig/
heilſam und gut/ deswegen auch zu lieben ſeye/ nicht nur in denjenigen Stuͤ-
cken/ die unſerem fleiſchlichen appetit gemaͤß/ ſondern auch demſelben gantz zu-
wider ſind. So hat ſich billich der glaubige ſein lebtag/ oder doch zeit ſeines
mit rechtem eiffer getriebenen chriſtenthums befliſſen/ wie er taͤglich bittet/
Vater dein wille geſchehe/ alſo auch in der that nicht aus noth ſondern aus
liebe/ ſeinen willen demſelbigen zu unterwerffen/ ja von grund der ſeelen ihm
dem ſeinigen vorzuziehen. Alſo daß wo ihm GOtt in dem augenblick frey-
ſtellte/ er ſolte ſeinen willen haben/ aber ſein goͤttlicher wille gehe mehr auf
das gegentheil/ wuͤrde der rechtglaubige ſeinen willen/ den er durchzutreiben/
(ut hoc ponamus per impoſſibile) durch GOttes zulaſſung vermoͤchte/ hertz-
lich gern ſeinem Vater unterwerffen/ und in glaubiger demuth ſagen mit ſei-
nem Heiland: nicht was ich will/ ſondern was du willt. Und dieſes
iſt alſo der erſte grund des troſtes bey einem erleuchteten Chriſten/ daß er ge-
lernet/ ſeines himmliſchen Vaters willen von hertzen zu lieben/ und nun den
Tod als eine ſolche ſache anſiehet/ die dem willen ſolches ſeines himmliſchen
Vaters gemaͤß ſeye/ deswegen aber von ihm hertzlich geliebet wird. Nechſt
dieſem troͤſtet ſich der Chriſt in den todt vornemlich damit/ und machet ihm
denſelben recht angenehm/ wo er erweget die groſſe wolthat/ da ihn der todt
von allem uͤbel erloͤſet. Und zwahr ſolcher nicht nur in der erloͤſung von dem
leiblichen und weltlichem uͤbel/ von allgemeinen oder eigenen truͤbſalen/ wel-
che erloͤſung auch der natuͤrliche menſch verſtehet und æſtimiret/ als welchem
ſolches leiden beſchwehrlich/ und demnach die befreyung davon erwuͤnſchlich
iſt: ſondern zuvorderſt von dem geiſtlichen und ſeelen uͤbel der ſuͤnden/ welches
wie es der natuͤrliche menſch nicht verſtehet/ ſondern eine geringe leibliche
truͤbſal vor mehr achtet/ als die gantze ſuͤndliche verderbnuͤß; alſo wirds hin-
gegen von einem eꝛleuchteten Chriſten am meiſten betrauret. Alſo/ daß ich ach-
te/ unſer ſeel. Arnd habe ſehr wohl geſchrieben/ wo er ſagt: daß das rechte ei-
gentliche creutz der Chriſten ſeye nicht ſo wohl ander menſchliches elend/
kranckheit/ armuth/ ungluͤck/ und dergleichen (ſo ihnen zwahr auch ein creutz/
aber weil es mit unglaubigen gemein/ noch nicht das rechte eigne Chriſten-
creutz iſt) ſondern nebens der aͤuſſerlichen verfolgung um der gerechtigkeit wil-
len/ der iñerliche kampf in welchem ſie ſtehen/ und ſich ihrer ſuͤndlichen verderb-
nuͤß
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/263 |
Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/263>, abgerufen am 16.02.2025. |