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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das erste Capitel.
SECTIO LII.
Die trostgründe der Evangelischen Religion ge-
gen die furcht des todes an eine hohe stands person/
Römischer Religion/ als dieselbe nach ausgestandener tödt-
licher schwachheit die jenige gründe communiciret
hatte/ damit sie sich in der todes-
gefahr getröstet.

WAs E. Hochf. Durchl. die verschienene woche durch Hr. N. N. mir
gnädigst zugesandt/ und meine wenige gedancken darüber zu wissen
verlanget/ habe wohl empfangen/ und wie befohlen meinem Collegae
Hrn. M. Emmeln auch zu lesen gegeben. Dancke zum allerfördersten dem
grossen GOtt und herrscher über todt und leben zum demüthigsten/ dessen
göttliche Majestät E. Hochfürst. Durchl. von bedeuteter gefährlicher schwach-
heit aufgerichtet/ und deroselben ferner frist gegeben/ ihr Heil. zu wircken/
und das jenige zu seinem H. preiß zu verrichten/ was er von hohem stande for-
dert. Nechst deme bedancke mich unterthl. daß E. Hochfürst. Durchl. mir de-
roselben abgefaßte gedancken gnädigst zu communiciren/ geruhet. Jch ha-
be aus überlesung deroselben dieses abgenommen/ daß E. Hochf. Durch. in-
tenti
on müsse gewesen seyn/ den jenigen trost/ damit man auch aus dem licht
der vernunfft sich gegen die todes forcht wapnen kan/ aufzusetzen/ wodurch
viele unter den Christen beschämet werden/ daß sie so weichlich gegen den todt
seyen/ daß sie auch demselben nicht einmahl diejenige gründe/ welche aus dem
heiligthum GOttes unsre menschliche vernunfft allen denen/ welche fleißig
nachsinnen zeigen kan/ entgegen zu setzen verstehen. Wie ahin zu sehen schei-
net/ daß E. Hochf. Durchl. selbs setzen/ daß er nur den gebrauch des verstan-
des/ und eine männliche resolution bedörffe/ und damit weisen/ was art
des trostes dieselbe hierinnen intendiret. Wann aber über die gründe/ wel-
che die vernunfft eines natürlichen menschen verstehet/ und die nicht mehr
ausrichten/ als daß der mensch sich nicht weibisch dem wiedersetze/ dem er
nicht wiederstehen kan/ sondern aus der noth eine tugend mache/ und aus
zwey übeln das ringste wehle/ aber gleichwohl das hertze nicht vermöge da-
hin zu bringen/ daß es selbs solches der natur schreckliche anfange zu lieben/
und sich seiner zu erfreuen/ noch andere/ kräfftigere und höhere sind/ so aus
des heil. Geistes schul allein erlernet werden/ werden E. Hochf. Durchl. nicht
ungnädig vernehmen/ daß kürtzlich mit den finger auf dieselbe deute/ als wel-
che auch dieselbe zu billigen nicht zweiffel trage. So achte nun solcher grün-
de vornehmlich drey zu seyn/ welcher aller menschlichen Philosophiae zu hoch

sind
Das erſte Capitel.
SECTIO LII.
Die troſtgruͤnde der Evangeliſchen Religion ge-
gen die furcht des todes an eine hohe ſtands perſon/
Roͤmiſcher Religion/ als dieſelbe nach ausgeſtandener toͤdt-
licher ſchwachheit die jenige gruͤnde communiciret
hatte/ damit ſie ſich in der todes-
gefahr getroͤſtet.

WAs E. Hochf. Durchl. die verſchienene woche durch Hr. N. N. mir
gnaͤdigſt zugeſandt/ und meine wenige gedancken daruͤber zu wiſſen
verlanget/ habe wohl empfangen/ und wie befohlen meinem Collegæ
Hrn. M. Emmeln auch zu leſen gegeben. Dancke zum allerfoͤrderſten dem
groſſen GOtt und herrſcher uͤber todt und leben zum demuͤthigſten/ deſſen
goͤttliche Majeſtaͤt E. Hochfuͤrſt. Durchl. von bedeuteter gefaͤhrlicher ſchwach-
heit aufgerichtet/ und deroſelben ferner friſt gegeben/ ihr Heil. zu wircken/
und das jenige zu ſeinem H. preiß zu verrichten/ was er von hohem ſtande for-
dert. Nechſt deme bedancke mich unterthl. daß E. Hochfuͤrſt. Durchl. mir de-
roſelben abgefaßte gedancken gnaͤdigſt zu communiciren/ geruhet. Jch ha-
be aus uͤberleſung deroſelben dieſes abgenommen/ daß E. Hochf. Durch. in-
tenti
on muͤſſe geweſen ſeyn/ den jenigen troſt/ damit man auch aus dem licht
der vernunfft ſich gegen die todes forcht wapnen kan/ aufzuſetzen/ wodurch
viele unter den Chriſten beſchaͤmet werden/ daß ſie ſo weichlich gegen den todt
ſeyen/ daß ſie auch demſelben nicht einmahl diejenige gruͤnde/ welche aus dem
heiligthum GOttes unſre menſchliche vernunfft allen denen/ welche fleißig
nachſinnen zeigen kan/ entgegen zu ſetzen verſtehen. Wie ahin zu ſehen ſchei-
net/ daß E. Hochf. Durchl. ſelbs ſetzen/ daß er nur den gebrauch des verſtan-
des/ und eine maͤnnliche reſolution bedoͤrffe/ und damit weiſen/ was art
des troſtes dieſelbe hierinnen intendiret. Wann aber uͤber die gruͤnde/ wel-
che die vernunfft eines natuͤrlichen menſchen verſtehet/ und die nicht mehr
ausrichten/ als daß der menſch ſich nicht weibiſch dem wiederſetze/ dem er
nicht wiederſtehen kan/ ſondern aus der noth eine tugend mache/ und aus
zwey uͤbeln das ringſte wehle/ aber gleichwohl das hertze nicht vermoͤge da-
hin zu bringen/ daß es ſelbs ſolches der natur ſchreckliche anfange zu lieben/
und ſich ſeiner zu erfreuen/ noch andere/ kraͤfftigere und hoͤhere ſind/ ſo aus
des heil. Geiſtes ſchul allein erlernet werden/ werden E. Hochf. Durchl. nicht
ungnaͤdig vernehmen/ daß kuͤrtzlich mit den finger auf dieſelbe deute/ als wel-
che auch dieſelbe zu billigen nicht zweiffel trage. So achte nun ſolcher gruͤn-
de vornehmlich drey zu ſeyn/ welcher aller menſchlichen Philoſophiæ zu hoch

ſind
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[246/0262] Das erſte Capitel. SECTIO LII. Die troſtgruͤnde der Evangeliſchen Religion ge- gen die furcht des todes an eine hohe ſtands perſon/ Roͤmiſcher Religion/ als dieſelbe nach ausgeſtandener toͤdt- licher ſchwachheit die jenige gruͤnde communiciret hatte/ damit ſie ſich in der todes- gefahr getroͤſtet. WAs E. Hochf. Durchl. die verſchienene woche durch Hr. N. N. mir gnaͤdigſt zugeſandt/ und meine wenige gedancken daruͤber zu wiſſen verlanget/ habe wohl empfangen/ und wie befohlen meinem Collegæ Hrn. M. Emmeln auch zu leſen gegeben. Dancke zum allerfoͤrderſten dem groſſen GOtt und herrſcher uͤber todt und leben zum demuͤthigſten/ deſſen goͤttliche Majeſtaͤt E. Hochfuͤrſt. Durchl. von bedeuteter gefaͤhrlicher ſchwach- heit aufgerichtet/ und deroſelben ferner friſt gegeben/ ihr Heil. zu wircken/ und das jenige zu ſeinem H. preiß zu verrichten/ was er von hohem ſtande for- dert. Nechſt deme bedancke mich unterthl. daß E. Hochfuͤrſt. Durchl. mir de- roſelben abgefaßte gedancken gnaͤdigſt zu communiciren/ geruhet. Jch ha- be aus uͤberleſung deroſelben dieſes abgenommen/ daß E. Hochf. Durch. in- tention muͤſſe geweſen ſeyn/ den jenigen troſt/ damit man auch aus dem licht der vernunfft ſich gegen die todes forcht wapnen kan/ aufzuſetzen/ wodurch viele unter den Chriſten beſchaͤmet werden/ daß ſie ſo weichlich gegen den todt ſeyen/ daß ſie auch demſelben nicht einmahl diejenige gruͤnde/ welche aus dem heiligthum GOttes unſre menſchliche vernunfft allen denen/ welche fleißig nachſinnen zeigen kan/ entgegen zu ſetzen verſtehen. Wie ahin zu ſehen ſchei- net/ daß E. Hochf. Durchl. ſelbs ſetzen/ daß er nur den gebrauch des verſtan- des/ und eine maͤnnliche reſolution bedoͤrffe/ und damit weiſen/ was art des troſtes dieſelbe hierinnen intendiret. Wann aber uͤber die gruͤnde/ wel- che die vernunfft eines natuͤrlichen menſchen verſtehet/ und die nicht mehr ausrichten/ als daß der menſch ſich nicht weibiſch dem wiederſetze/ dem er nicht wiederſtehen kan/ ſondern aus der noth eine tugend mache/ und aus zwey uͤbeln das ringſte wehle/ aber gleichwohl das hertze nicht vermoͤge da- hin zu bringen/ daß es ſelbs ſolches der natur ſchreckliche anfange zu lieben/ und ſich ſeiner zu erfreuen/ noch andere/ kraͤfftigere und hoͤhere ſind/ ſo aus des heil. Geiſtes ſchul allein erlernet werden/ werden E. Hochf. Durchl. nicht ungnaͤdig vernehmen/ daß kuͤrtzlich mit den finger auf dieſelbe deute/ als wel- che auch dieſelbe zu billigen nicht zweiffel trage. So achte nun ſolcher gruͤn- de vornehmlich drey zu ſeyn/ welcher aller menſchlichen Philoſophiæ zu hoch ſind

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/262>, abgerufen am 25.11.2024.