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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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SECTIO XLVIII.
so gewiß pronunciiren können/ ob nicht diese schwächere rührung eben so wol
zuweilen von GOtt gebrauchet werde. Daher 6. wenn mir ein solcher traum
in sachen meiner oder der meinigen zustand angehende/ käme/ davon ich eine
zimliche vermuthung hätte/ daß er von GOtt seyn möchte/ aber doch der sa-
che nicht gantz versichert wäre/ würde ich vermessentlich weder auff ein noch
andre seite ein gewisses schliessen/ sondern zum allerfördersten GOtt hertzlich
anruffen/ daß er mich nicht in versuchung geführet werden lassen/ sondern
mir seinen willen/ ob derselbe mit dem traum überein käme/ deutlicher zu er-
kennen geben/ und da ich ja denselben zu erkennen/ und mich dar-
nach zu achten willig wäre/ nicht zulassen wolle/ daß ich mit sün-
den einen mißgriff thäte/ und entweder etwas vor göttlichen rath oder
willen achtete/ mein vertrauen darauff setzte/ oder etwas seinem willen wi-
driges deswegen thäte/ oder da ichs davor nicht erkennete/ von etwas zurück
bliebe/ was er von mir haben wollen. Gelangte ich dadurch noch nicht zu so
vieler gewißheit/ als ich verlangt/ so schlüge ich zwahr den traum nicht aus
dem sinn/ aber setzte auch nicht mehr vertrauen darauff/ als so fern derselbe
mit demjenigen überein kömmt/ wessen ich ohnedas aus göttlichem wort und
Christlichen gründen überzeuget wäre. Also 7. in specie auff die communi-
ci
rte träume zu kommen/ so wird derselbe zum allerfördersten bey sich überle-
gen/ so wol ob der traum selbs in sich das ansehen etwas göttlichs gehabt/ o-
der sich hingegen dabey etwas gefunden/ so nicht wol zuliesse/ es der göttli-
chen majestät zuzuschreiben/ als auch ob so bald nachdem er erwacht/ sich das
gemüthe starck und also gerührt befunden/ daß es etwas ungemeines seye/
sonderlich auch/ ob so bald die erklährung sich auch praesentiret/ und nicht viel
rathens bedorfft habe. Also nachdem mein hochg. Hr sich in solcher prüfung
finden wird/ nach demselben wird er vielleicht bald schliessen/ was er davon
zu halten. Solte also keine eigentliche gewißheit gefunden werden/ so ist das
beste/ derselbe überlasse sich lediglich göttlicher providenz und dem glauben
gethaner verheissung/ und setze darauff alles vertrauen; warte dabey/ ob der
ausgang mit dem traume einstimmen werde/ alsdenn göttliche regierung mit
desto mehrerm danck zu preisen/ geschehe es aber nicht/ zu erkennen/ daß es
nicht zwahr eben eine eingebung des teuffels/ aber doch eine verfehlung un-
srer phantasie gewesen. Auff solche art gehet man sicher und mit wenigster
gefahr sich zu versündigen. Nun er selbs der grosse GOtt versiegle zuför-
derst in seiner seele das vertrauen seiner versorgung/ so er auff das wort des
HErrn selbs setzet/ kräfftiglich/ lasse es auch/ wie es seiner güte gemäß/ noch
mit ein und anderm zeugnüß desto mehr versichert werden/ erzeige es aber
auch in der that/ daß er seiner väterlich gedencke/ und versorge ihn also/ daß er
mit seinem pfund dem HErrn so viel nachtrücklicher dienen/ und sich des vor-
hin ausgestandenen und langen wartens wiederum ergetzen möge. 1687.

SECTIO
G g 3

SECTIO XLVIII.
ſo gewiß pronunciiren koͤnnen/ ob nicht dieſe ſchwaͤchere ruͤhrung eben ſo wol
zuweilen von GOtt gebrauchet werde. Daher 6. wenn mir ein ſolcher traum
in ſachen meiner oder der meinigen zuſtand angehende/ kaͤme/ davon ich eine
zimliche vermuthung haͤtte/ daß er von GOtt ſeyn moͤchte/ aber doch der ſa-
che nicht gantz verſichert waͤre/ wuͤrde ich vermeſſentlich weder auff ein noch
andre ſeite ein gewiſſes ſchlieſſen/ ſondern zum allerfoͤrderſten GOtt hertzlich
anruffen/ daß er mich nicht in verſuchung gefuͤhret werden laſſen/ ſondern
mir ſeinen willen/ ob derſelbe mit dem traum uͤberein kaͤme/ deutlicher zu er-
kennen geben/ und da ich ja denſelben zu erkennen/ und mich dar-
nach zu achten willig waͤre/ nicht zulaſſen wolle/ daß ich mit ſuͤn-
den einen mißgriff thaͤte/ und entweder etwas vor goͤttlichen rath oder
willen achtete/ mein vertrauen darauff ſetzte/ oder etwas ſeinem willen wi-
driges deswegen thaͤte/ oder da ichs davor nicht erkennete/ von etwas zuruͤck
bliebe/ was er von mir haben wollen. Gelangte ich dadurch noch nicht zu ſo
vieler gewißheit/ als ich verlangt/ ſo ſchluͤge ich zwahr den traum nicht aus
dem ſinn/ aber ſetzte auch nicht mehr vertrauen darauff/ als ſo fern derſelbe
mit demjenigen uͤberein koͤmmt/ weſſen ich ohnedas aus goͤttlichem wort und
Chriſtlichen gruͤnden uͤberzeuget waͤre. Alſo 7. in ſpecie auff die communi-
ci
rte traͤume zu kommen/ ſo wird derſelbe zum allerfoͤrderſten bey ſich uͤberle-
gen/ ſo wol ob der traum ſelbs in ſich das anſehen etwas goͤttlichs gehabt/ o-
der ſich hingegen dabey etwas gefunden/ ſo nicht wol zulieſſe/ es der goͤttli-
chen majeſtaͤt zuzuſchreiben/ als auch ob ſo bald nachdem er erwacht/ ſich das
gemuͤthe ſtarck und alſo geruͤhrt befunden/ daß es etwas ungemeines ſeye/
ſonderlich auch/ ob ſo bald die erklaͤhrung ſich auch præſentiret/ und nicht viel
rathens bedorfft habe. Alſo nachdem mein hochg. Hr ſich in ſolcher pruͤfung
finden wird/ nach demſelben wird er vielleicht bald ſchlieſſen/ was er davon
zu halten. Solte alſo keine eigentliche gewißheit gefunden werden/ ſo iſt das
beſte/ derſelbe uͤberlaſſe ſich lediglich goͤttlicher providenz und dem glauben
gethaner verheiſſung/ und ſetze darauff alles vertrauen; warte dabey/ ob der
ausgang mit dem traume einſtimmen werde/ alsdenn goͤttliche regierung mit
deſto mehrerm danck zu preiſen/ geſchehe es aber nicht/ zu erkennen/ daß es
nicht zwahr eben eine eingebung des teuffels/ aber doch eine verfehlung un-
ſrer phantaſie geweſen. Auff ſolche art gehet man ſicher und mit wenigſter
gefahr ſich zu verſuͤndigen. Nun er ſelbs der groſſe GOtt verſiegle zufoͤr-
derſt in ſeiner ſeele das vertrauen ſeiner verſorgung/ ſo er auff das wort des
HErrn ſelbs ſetzet/ kraͤfftiglich/ laſſe es auch/ wie es ſeiner guͤte gemaͤß/ noch
mit ein und anderm zeugnuͤß deſto mehr verſichert werden/ erzeige es aber
auch in der that/ daß er ſeiner vaͤterlich gedencke/ und verſorge ihn alſo/ daß er
mit ſeinem pfund dem HErrn ſo viel nachtruͤcklicher dienen/ und ſich des vor-
hin ausgeſtandenen und langen wartens wiederum ergetzen moͤge. 1687.

SECTIO
G g 3
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[237/0253] SECTIO XLVIII. ſo gewiß pronunciiren koͤnnen/ ob nicht dieſe ſchwaͤchere ruͤhrung eben ſo wol zuweilen von GOtt gebrauchet werde. Daher 6. wenn mir ein ſolcher traum in ſachen meiner oder der meinigen zuſtand angehende/ kaͤme/ davon ich eine zimliche vermuthung haͤtte/ daß er von GOtt ſeyn moͤchte/ aber doch der ſa- che nicht gantz verſichert waͤre/ wuͤrde ich vermeſſentlich weder auff ein noch andre ſeite ein gewiſſes ſchlieſſen/ ſondern zum allerfoͤrderſten GOtt hertzlich anruffen/ daß er mich nicht in verſuchung gefuͤhret werden laſſen/ ſondern mir ſeinen willen/ ob derſelbe mit dem traum uͤberein kaͤme/ deutlicher zu er- kennen geben/ und da ich ja denſelben zu erkennen/ und mich dar- nach zu achten willig waͤre/ nicht zulaſſen wolle/ daß ich mit ſuͤn- den einen mißgriff thaͤte/ und entweder etwas vor goͤttlichen rath oder willen achtete/ mein vertrauen darauff ſetzte/ oder etwas ſeinem willen wi- driges deswegen thaͤte/ oder da ichs davor nicht erkennete/ von etwas zuruͤck bliebe/ was er von mir haben wollen. Gelangte ich dadurch noch nicht zu ſo vieler gewißheit/ als ich verlangt/ ſo ſchluͤge ich zwahr den traum nicht aus dem ſinn/ aber ſetzte auch nicht mehr vertrauen darauff/ als ſo fern derſelbe mit demjenigen uͤberein koͤmmt/ weſſen ich ohnedas aus goͤttlichem wort und Chriſtlichen gruͤnden uͤberzeuget waͤre. Alſo 7. in ſpecie auff die communi- cirte traͤume zu kommen/ ſo wird derſelbe zum allerfoͤrderſten bey ſich uͤberle- gen/ ſo wol ob der traum ſelbs in ſich das anſehen etwas goͤttlichs gehabt/ o- der ſich hingegen dabey etwas gefunden/ ſo nicht wol zulieſſe/ es der goͤttli- chen majeſtaͤt zuzuſchreiben/ als auch ob ſo bald nachdem er erwacht/ ſich das gemuͤthe ſtarck und alſo geruͤhrt befunden/ daß es etwas ungemeines ſeye/ ſonderlich auch/ ob ſo bald die erklaͤhrung ſich auch præſentiret/ und nicht viel rathens bedorfft habe. Alſo nachdem mein hochg. Hr ſich in ſolcher pruͤfung finden wird/ nach demſelben wird er vielleicht bald ſchlieſſen/ was er davon zu halten. Solte alſo keine eigentliche gewißheit gefunden werden/ ſo iſt das beſte/ derſelbe uͤberlaſſe ſich lediglich goͤttlicher providenz und dem glauben gethaner verheiſſung/ und ſetze darauff alles vertrauen; warte dabey/ ob der ausgang mit dem traume einſtimmen werde/ alsdenn goͤttliche regierung mit deſto mehrerm danck zu preiſen/ geſchehe es aber nicht/ zu erkennen/ daß es nicht zwahr eben eine eingebung des teuffels/ aber doch eine verfehlung un- ſrer phantaſie geweſen. Auff ſolche art gehet man ſicher und mit wenigſter gefahr ſich zu verſuͤndigen. Nun er ſelbs der groſſe GOtt verſiegle zufoͤr- derſt in ſeiner ſeele das vertrauen ſeiner verſorgung/ ſo er auff das wort des HErrn ſelbs ſetzet/ kraͤfftiglich/ laſſe es auch/ wie es ſeiner guͤte gemaͤß/ noch mit ein und anderm zeugnuͤß deſto mehr verſichert werden/ erzeige es aber auch in der that/ daß er ſeiner vaͤterlich gedencke/ und verſorge ihn alſo/ daß er mit ſeinem pfund dem HErrn ſo viel nachtruͤcklicher dienen/ und ſich des vor- hin ausgeſtandenen und langen wartens wiederum ergetzen moͤge. 1687. SECTIO G g 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/253>, abgerufen am 25.11.2024.