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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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SECTIO XLVII.
als auch mit danck anzunehmen/ wo der Heil. Geist hin und wieder einige
wahrheiten austrucket/ die ihm zu der erkäntnüß der geschöpffe dienlich seyn
mögen: also auch in practicis müssen unsre principia revelata nicht so weit
weggesetzt werden/ daß sie uns nicht allezeit in den augen blieben/ um daraus
dasjenige zu suppliren was sonsten die vernunfft in itzigem stande uns noch
nicht zur gnüge suggerirte. So ist auch billig/ wie ohne das das ansehen je-
der creatur uns eine anleitung zu GOtt und dessen erkäntnüß geben solle/
daß gleicher massen jegliche wahrheit/ auch von den dingen das menschliche
leben bloß dahin angehende/ getrachtet werde/ zu einer fernern handleitung
zu machen zu GOtt und göttlichen dingen: Weßwegen ein Christl. Praece-
ptor
und Professor, da er seinen Auditoribus gezeiget/ wie weit sie die ver-
nunfft in den dingen das natürliche recht angehende/ leite/ auff welche sie sich
auch gegen unglaubige beruffen dörffen/ so dann wie aus der schrifft/ und
von derselben an hand gegebenen principiis jene erste nicht nur bestärcket/ son-
dern mehr perfectioniret werden mögen/ aus seinem amt nicht schreitet/ wo
er ferner zeiget/ wie auch solches alles eine neue handleitung geben möge zu
der wahren gottseligkeit/ wie diese nunmehr auch ferner aus dem blossen re-
velato
zu treiben ist/ und also zu der wahren seligkeit. Auff daß endlich der
wahrhafftig-letzte zweck unsrer ewigen wohlfahrt in allem mittelbar und un-
mittelbar gesucht werde. Damit wird deßwegen die Theologie, welche es
meistens mit dem Evangelio/ insgesamt aber eigentlich allein mit der reve-
lation
zu thun hat/ und mit den andern disciplinen/ die aus dem gnoso tou theou,
und ergo tou nomou Rom. 1/ 19. 2/ 14. 15. zimlichen theils bestehen/ und daraus
ihr liecht hernehmen/ nicht vermenget/ sondern behält die ehre/ daß diese alle
ihre discipulos, nachdem sie das ihrige an denselben gethan/ ihro zu weisen/
und bereits in deroselben vorbereitung stäts gleichsam mit einem auge auff
sie gesehen habe. Diese sind meine einfältige gedancken von solcher materie/
wüste aber weiter darinne nicht zu gehen/ nachdem wie obgemeldet/ dieselbe
niemals als ein ergon tractiret habe. So viel ich aber aus meines Herrn
schreiben sehe/ achte ich/ daß wir wohl einer meinung seyn werden/ welches
mich auch freuen solle. Jch hoffe auch nicht/ daß diese art/ wo sie modeste,
und ohne anderer insectation tractiret wird/ vielen widerspruch finden kön-
te. Jch ruffe GOtt an/ der auch hierinnen seine ehre und wahrheit befördern/
und sonderlich dessen Christliche arbeit segnen und regieren wolle. Wie ich
denn auch derselben vor dem angesicht desselben ferner zu gedencken mich ver-
bunden haben will. 1687.

SECTIO
G g 2

SECTIO XLVII.
als auch mit danck anzunehmen/ wo der Heil. Geiſt hin und wieder einige
wahrheiten austrucket/ die ihm zu der erkaͤntnuͤß der geſchoͤpffe dienlich ſeyn
moͤgen: alſo auch in practicis muͤſſen unſre principia revelata nicht ſo weit
weggeſetzt werden/ daß ſie uns nicht allezeit in den augen blieben/ um daraus
dasjenige zu ſuppliren was ſonſten die vernunfft in itzigem ſtande uns noch
nicht zur gnuͤge ſuggerirte. So iſt auch billig/ wie ohne das das anſehen je-
der creatur uns eine anleitung zu GOtt und deſſen erkaͤntnuͤß geben ſolle/
daß gleicher maſſen jegliche wahrheit/ auch von den dingen das menſchliche
leben bloß dahin angehende/ getrachtet werde/ zu einer fernern handleitung
zu machen zu GOtt und goͤttlichen dingen: Weßwegen ein Chriſtl. Præce-
ptor
und Profeſſor, da er ſeinen Auditoribus gezeiget/ wie weit ſie die ver-
nunfft in den dingen das natuͤrliche recht angehende/ leite/ auff welche ſie ſich
auch gegen unglaubige beruffen doͤrffen/ ſo dann wie aus der ſchrifft/ und
von derſelben an hand gegebenen principiis jene erſte nicht nur beſtaͤrcket/ ſon-
dern mehr perfectioniret werden moͤgen/ aus ſeinem amt nicht ſchreitet/ wo
er ferner zeiget/ wie auch ſolches alles eine neue handleitung geben moͤge zu
der wahren gottſeligkeit/ wie dieſe nunmehr auch ferner aus dem bloſſen re-
velato
zu treiben iſt/ und alſo zu der wahren ſeligkeit. Auff daß endlich der
wahrhafftig-letzte zweck unſrer ewigen wohlfahrt in allem mittelbar und un-
mittelbar geſucht werde. Damit wird deßwegen die Theologie, welche es
meiſtens mit dem Evangelio/ insgeſamt aber eigentlich allein mit der reve-
lation
zu thun hat/ und mit den andern diſciplinen/ die aus dem γνωςῷ τοῦ ϑεοῦ,
und ἔργῳ τοῦ νόμου Rom. 1/ 19. 2/ 14. 15. zimlichen theils beſtehen/ und daraus
ihr liecht hernehmen/ nicht vermenget/ ſondern behaͤlt die ehre/ daß dieſe alle
ihre diſcipulos, nachdem ſie das ihrige an denſelben gethan/ ihro zu weiſen/
und bereits in deroſelben vorbereitung ſtaͤts gleichſam mit einem auge auff
ſie geſehen habe. Dieſe ſind meine einfaͤltige gedancken von ſolcher materie/
wuͤſte aber weiter darinne nicht zu gehen/ nachdem wie obgemeldet/ dieſelbe
niemals als ein ἔργον tractiret habe. So viel ich aber aus meines Herrn
ſchreiben ſehe/ achte ich/ daß wir wohl einer meinung ſeyn werden/ welches
mich auch freuen ſolle. Jch hoffe auch nicht/ daß dieſe art/ wo ſie modeſtè,
und ohne anderer inſectation tractiret wird/ vielen widerſpruch finden koͤn-
te. Jch ruffe GOtt an/ der auch hierinnen ſeine ehre und wahrheit befoͤrdern/
und ſonderlich deſſen Chriſtliche arbeit ſegnen und regieren wolle. Wie ich
denn auch derſelben vor dem angeſicht deſſelben ferner zu gedencken mich ver-
bunden haben will. 1687.

SECTIO
G g 2
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[235/0251] SECTIO XLVII. als auch mit danck anzunehmen/ wo der Heil. Geiſt hin und wieder einige wahrheiten austrucket/ die ihm zu der erkaͤntnuͤß der geſchoͤpffe dienlich ſeyn moͤgen: alſo auch in practicis muͤſſen unſre principia revelata nicht ſo weit weggeſetzt werden/ daß ſie uns nicht allezeit in den augen blieben/ um daraus dasjenige zu ſuppliren was ſonſten die vernunfft in itzigem ſtande uns noch nicht zur gnuͤge ſuggerirte. So iſt auch billig/ wie ohne das das anſehen je- der creatur uns eine anleitung zu GOtt und deſſen erkaͤntnuͤß geben ſolle/ daß gleicher maſſen jegliche wahrheit/ auch von den dingen das menſchliche leben bloß dahin angehende/ getrachtet werde/ zu einer fernern handleitung zu machen zu GOtt und goͤttlichen dingen: Weßwegen ein Chriſtl. Præce- ptor und Profeſſor, da er ſeinen Auditoribus gezeiget/ wie weit ſie die ver- nunfft in den dingen das natuͤrliche recht angehende/ leite/ auff welche ſie ſich auch gegen unglaubige beruffen doͤrffen/ ſo dann wie aus der ſchrifft/ und von derſelben an hand gegebenen principiis jene erſte nicht nur beſtaͤrcket/ ſon- dern mehr perfectioniret werden moͤgen/ aus ſeinem amt nicht ſchreitet/ wo er ferner zeiget/ wie auch ſolches alles eine neue handleitung geben moͤge zu der wahren gottſeligkeit/ wie dieſe nunmehr auch ferner aus dem bloſſen re- velato zu treiben iſt/ und alſo zu der wahren ſeligkeit. Auff daß endlich der wahrhafftig-letzte zweck unſrer ewigen wohlfahrt in allem mittelbar und un- mittelbar geſucht werde. Damit wird deßwegen die Theologie, welche es meiſtens mit dem Evangelio/ insgeſamt aber eigentlich allein mit der reve- lation zu thun hat/ und mit den andern diſciplinen/ die aus dem γνωςῷ τοῦ ϑεοῦ, und ἔργῳ τοῦ νόμου Rom. 1/ 19. 2/ 14. 15. zimlichen theils beſtehen/ und daraus ihr liecht hernehmen/ nicht vermenget/ ſondern behaͤlt die ehre/ daß dieſe alle ihre diſcipulos, nachdem ſie das ihrige an denſelben gethan/ ihro zu weiſen/ und bereits in deroſelben vorbereitung ſtaͤts gleichſam mit einem auge auff ſie geſehen habe. Dieſe ſind meine einfaͤltige gedancken von ſolcher materie/ wuͤſte aber weiter darinne nicht zu gehen/ nachdem wie obgemeldet/ dieſelbe niemals als ein ἔργον tractiret habe. So viel ich aber aus meines Herrn ſchreiben ſehe/ achte ich/ daß wir wohl einer meinung ſeyn werden/ welches mich auch freuen ſolle. Jch hoffe auch nicht/ daß dieſe art/ wo ſie modeſtè, und ohne anderer inſectation tractiret wird/ vielen widerſpruch finden koͤn- te. Jch ruffe GOtt an/ der auch hierinnen ſeine ehre und wahrheit befoͤrdern/ und ſonderlich deſſen Chriſtliche arbeit ſegnen und regieren wolle. Wie ich denn auch derſelben vor dem angeſicht deſſelben ferner zu gedencken mich ver- bunden haben will. 1687. SECTIO G g 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/251>, abgerufen am 22.11.2024.