Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.SECTIO XLIII. nicht seye/ daß wir uns seiner so zureden täglich zu versehen und zu getröstenhätten/ vielmehr daß unterschiedliche propheceyungen in der schrifft noch ü- brig sind/ derer erfüllung vorhin zu erwarten seye. Jch führe dazu nicht an/ die zeichen welche Luc. 21. erzehlet werden/ so an sonn/ mond und sternen und s. f. vor dem jüngsten tag vorgehen sollen. Als der ich selbs glaube/ daß sol- che in gantz kurtzer zeit werden vorbey seyn/ und also nicht viel weil erfordert werde werden/ daher wo alles biß auff dieselbige erfüllet wäre/ wäre freylich die hoffende erlösung als täglich nahe zu erwarten. Sondern ich beziehe mich 1. auff die propheceyung Pauli/ so er als ein grosses geheimnüß seinen Rö- mern offenbaret. Rom. 11/ 25. welchen spruch ich nicht dunckel achte zu seyn/ sondern wo er recht in der furcht GOttes von Christlicher einfalt erwogen wird/ leicht erhellen werde/ daß ob nicht eben das gesamte Jüdische volck/ doch der gröste theil derselbigen zu seiner zeit also bekehret werden solle/ daß wie jetzo bißher das vornehmste des heiligen ölbaums aus wilden und ein- gepfropfften zweigen bestanden/ nachmahlen/ weilen dieser ein grosser theil um ihres unglaubens willen ausgehauen werden/ wiederum das meiste sol- ches ölbaums werde aus denen wieder eingepfropfften zweigen bestehen. Diesen verstand sehe ich so einfältig aus diesen worten Pauli zu fliessen/ daß es der wenigsten gewalt nicht bedarff/ den text zu zwingen/ wie gleich- wol diejenige/ welche diese propheceyung in den allgemach und fast ein- zel geschehenden bekehrungen gewisser Jüdischer personen/ wo sie aus allen Seculis zusammen gerechnet werden/ erfüllet zu seyn vermuthen/ vie- ler mühe bedürffen/ den text anders zu beugen/ daß er das jenige nicht sage/ was gleichwol der einfältige buchstab bringet. Jch gestehe gern/ daß so wohl unser theurer mann GOttes Lutherus von solcher bekehrung der Jüden in etlichen stellen (denn in der kirchen-postill 1543. war er der mei- nung) keine hoffnung gehabt: daß auch mein eigner/ sonsten werthgeachte- ster/ Praeceptor, Hr. D. Dannhauer in einem besondern tractat diesen spruch anders zu deuten sich bemühet. Jch bekenne aber dabey/ daß ich seine son- sten so accurate art etwas zu erweisen in solchem tractätlein nicht gefunden/ und daher in der meinung/ welche er unter andern bestreitet/ jemehr bekräff- tiget worden bin/ als da ich sahe/ wie so gar schwach alles sey/ was deroselben entgegen gehalten wird/ hingegen wieviel kunst es bedörffe/ einen andern ver- stand in den text zu bringen. Daher auch nochmahl ernennter Hr. D. Dann- hauer, da er die unterschiedliche meinungen vorleget/ fast die vornehmste un- sere Theologos erzehlet/ die dergl. bekehrung erwarten: nahmenlich werden von ihm angezogen Lossius, AEgidius Hunnius. Balth. Menzerus, Balduinus, Calixtus, Keßlerus, Rungius: Da er hingegen zu seiner meinung keine an- dere zu allegiren gefunden aus den unsrigen/ nechst Luthero, als Brentium. Pap- E e 2
SECTIO XLIII. nicht ſeye/ daß wir uns ſeiner ſo zureden taͤglich zu verſehen und zu getroͤſtenhaͤtten/ vielmehr daß unterſchiedliche propheceyungen in der ſchrifft noch uͤ- brig ſind/ derer erfuͤllung vorhin zu erwarten ſeye. Jch fuͤhre dazu nicht an/ die zeichen welche Luc. 21. erzehlet werden/ ſo an ſonn/ mond und ſternen und ſ. f. vor dem juͤngſten tag vorgehen ſollen. Als der ich ſelbs glaube/ daß ſol- che in gantz kurtzer zeit werden vorbey ſeyn/ und alſo nicht viel weil erfordert werde werden/ daher wo alles biß auff dieſelbige erfuͤllet waͤre/ waͤre freylich die hoffende erloͤſung als taͤglich nahe zu erwarten. Sondern ich beziehe mich 1. auff die propheceyung Pauli/ ſo er als ein groſſes geheimnuͤß ſeinen Roͤ- mern offenbaret. Rom. 11/ 25. welchen ſpruch ich nicht dunckel achte zu ſeyn/ ſondern wo er recht in der furcht GOttes von Chriſtlicher einfalt erwogen wird/ leicht erhellen werde/ daß ob nicht eben das geſamte Juͤdiſche volck/ doch der groͤſte theil derſelbigen zu ſeiner zeit alſo bekehret werden ſolle/ daß wie jetzo bißher das vornehmſte des heiligen oͤlbaums aus wilden und ein- gepfropfften zweigen beſtanden/ nachmahlen/ weilen dieſer ein groſſer theil um ihres unglaubens willen ausgehauen werden/ wiederum das meiſte ſol- ches oͤlbaums werde aus denen wieder eingepfropfften zweigen beſtehen. Dieſen verſtand ſehe ich ſo einfaͤltig aus dieſen worten Pauli zu flieſſen/ daß es der wenigſten gewalt nicht bedarff/ den text zu zwingen/ wie gleich- wol diejenige/ welche dieſe propheceyung in den allgemach und faſt ein- zel geſchehenden bekehrungen gewiſſer Juͤdiſcher perſonen/ wo ſie aus allen Seculis zuſammen gerechnet werden/ erfuͤllet zu ſeyn vermuthen/ vie- ler muͤhe beduͤrffen/ den text anders zu beugen/ daß er das jenige nicht ſage/ was gleichwol der einfaͤltige buchſtab bringet. Jch geſtehe gern/ daß ſo wohl unſer theurer mann GOttes Lutherus von ſolcher bekehrung der Juͤden in etlichen ſtellen (denn in der kirchen-poſtill 1543. war er der mei- nung) keine hoffnung gehabt: daß auch mein eigner/ ſonſten werthgeachte- ſter/ Præceptor, Hr. D. Dannhauer in einem beſondern tractat dieſen ſpruch anders zu deuten ſich bemuͤhet. Jch bekenne aber dabey/ daß ich ſeine ſon- ſten ſo accuratè art etwas zu erweiſen in ſolchem tractaͤtlein nicht gefunden/ und daher in der meinung/ welche er unter andern beſtreitet/ jemehr bekraͤff- tiget worden bin/ als da ich ſahe/ wie ſo gar ſchwach alles ſey/ was deroſelben entgegen gehalten wird/ hingegen wieviel kunſt es bedoͤrffe/ einen andern ver- ſtand in den text zu bringen. Daher auch nochmahl ernennter Hr. D. Dann- hauer, da er die unterſchiedliche meinungen vorleget/ faſt die vornehmſte un- ſere Theologos erzehlet/ die dergl. bekehrung erwarten: nahmenlich werden von ihm angezogen Loſſius, Ægidius Hunnius. Balth. Menzerus, Balduinus, Calixtus, Keßlerus, Rungius: Da er hingegen zu ſeiner meinung keine an- dere zu allegiren gefunden aus den unſrigen/ nechſt Luthero, als Brentium. Pap- E e 2
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SECTIO XLIII.
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haͤtten/ vielmehr daß unterſchiedliche propheceyungen in der ſchrifft noch uͤ-
brig ſind/ derer erfuͤllung vorhin zu erwarten ſeye. Jch fuͤhre dazu nicht an/
die zeichen welche Luc. 21. erzehlet werden/ ſo an ſonn/ mond und ſternen und
ſ. f. vor dem juͤngſten tag vorgehen ſollen. Als der ich ſelbs glaube/ daß ſol-
che in gantz kurtzer zeit werden vorbey ſeyn/ und alſo nicht viel weil erfordert
werde werden/ daher wo alles biß auff dieſelbige erfuͤllet waͤre/ waͤre freylich
die hoffende erloͤſung als taͤglich nahe zu erwarten. Sondern ich beziehe mich
1. auff die propheceyung Pauli/ ſo er als ein groſſes geheimnuͤß ſeinen Roͤ-
mern offenbaret. Rom. 11/ 25. welchen ſpruch ich nicht dunckel achte zu ſeyn/
ſondern wo er recht in der furcht GOttes von Chriſtlicher einfalt erwogen
wird/ leicht erhellen werde/ daß ob nicht eben das geſamte Juͤdiſche volck/
doch der groͤſte theil derſelbigen zu ſeiner zeit alſo bekehret werden ſolle/ daß
wie jetzo bißher das vornehmſte des heiligen oͤlbaums aus wilden und ein-
gepfropfften zweigen beſtanden/ nachmahlen/ weilen dieſer ein groſſer theil
um ihres unglaubens willen ausgehauen werden/ wiederum das meiſte ſol-
ches oͤlbaums werde aus denen wieder eingepfropfften zweigen beſtehen.
Dieſen verſtand ſehe ich ſo einfaͤltig aus dieſen worten Pauli zu flieſſen/
daß es der wenigſten gewalt nicht bedarff/ den text zu zwingen/ wie gleich-
wol diejenige/ welche dieſe propheceyung in den allgemach und faſt ein-
zel geſchehenden bekehrungen gewiſſer Juͤdiſcher perſonen/ wo ſie aus allen
Seculis zuſammen gerechnet werden/ erfuͤllet zu ſeyn vermuthen/ vie-
ler muͤhe beduͤrffen/ den text anders zu beugen/ daß er das jenige nicht
ſage/ was gleichwol der einfaͤltige buchſtab bringet. Jch geſtehe gern/ daß
ſo wohl unſer theurer mann GOttes Lutherus von ſolcher bekehrung der
Juͤden in etlichen ſtellen (denn in der kirchen-poſtill 1543. war er der mei-
nung) keine hoffnung gehabt: daß auch mein eigner/ ſonſten werthgeachte-
ſter/ Præceptor, Hr. D. Dannhauer in einem beſondern tractat dieſen ſpruch
anders zu deuten ſich bemuͤhet. Jch bekenne aber dabey/ daß ich ſeine ſon-
ſten ſo accuratè art etwas zu erweiſen in ſolchem tractaͤtlein nicht gefunden/
und daher in der meinung/ welche er unter andern beſtreitet/ jemehr bekraͤff-
tiget worden bin/ als da ich ſahe/ wie ſo gar ſchwach alles ſey/ was deroſelben
entgegen gehalten wird/ hingegen wieviel kunſt es bedoͤrffe/ einen andern ver-
ſtand in den text zu bringen. Daher auch nochmahl ernennter Hr. D. Dann-
hauer, da er die unterſchiedliche meinungen vorleget/ faſt die vornehmſte un-
ſere Theologos erzehlet/ die dergl. bekehrung erwarten: nahmenlich werden
von ihm angezogen Loſſius, Ægidius Hunnius. Balth. Menzerus, Balduinus,
Calixtus, Keßlerus, Rungius: Da er hingegen zu ſeiner meinung keine an-
dere zu allegiren gefunden aus den unſrigen/ nechſt Luthero, als Brentium.
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