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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das erste Capitel.
in dem nahmen GOTTES die sünde sollen vergeben seyn/ in dem
man ihm hierdurch die vergebung überreichet an statt GOTTES;
dann weil derselbige sie allen bußfertigen und glaubigen verheissen hat/ so
eignet der prediger solche seine verheissung damit thätlich denjenigen zu/ wel-
che er vor glaubig und bußfertig erkennet. Jn diesem verstand ists einerley
vergeben und die vergebung der sünden verkündigen: Es ist nach der
schrifft redens-art eine wahre vergebung/ aber solche vergebung bestehet in
einer verkündigung/ dadurch die wirckliche zueignung der vergebenden gna-
de geschihet. Und wo man dann die beyde wort einander entgegen setzet/ daß
die prediger die sünde nicht vergeben/ sondern nur die vergebung verkündi-
gen/ so müste das wort vergeben (das man ihnen abspricht) in dem schärff-
sten und GOtt allein zukommenden verstand genommen werden/ indem in
dem andern es mit dem verkündigen einerley ist/ und eines durch das andere
erklähret wird. Daher in der Franckfurtischen kirchen-agenda lautet die
formul der absolution also: und ich verkündige ihnen solches als ein or-
dentlicher diener Christi und seiner kirchen im nahmen und befehl
GOttes des Vaters/ des Sohns/ und des Heiligen Geistes. Amen.

Also auch in der Straßburgischen formul: So verkündige ich euch als
ein ordentl. kirchen-diener die vergebung aller eurer sünden hier auf
erden/ daß ihr deren auch im himmel loß seyd in ewigkeit/ im nahmen
Gottes des Vaters/ des Sohnes/ und des Heil. Geistes. Amen.
Jn
der Dreßdnischen formul werden sie zusammen gesetzet: Auff solch euer be-
käntnüß verkündige ich euch allen m. f. w. und vergebe euch an statt
und auff befehl meines HErrn JEsu Christi.
m. f. w. Wo zu sehen/
daß beyde wort beysammen stehen/ damit eins durch das andre erklähret
werde/ weßwegen sie an sich selbst einander nicht entgegen seyn können. Da-
her kommt alles darauff an/ wie die wort genommen werden; nur daß man
dahin sehe/ daß weder dem prediger beygeleget werde/ was allein Gottes ist/
nemlich aus eigenem recht die sünde selbst nachlassen/ und seinen zorn dar-
über ablegen/ noch auch das amt des predigers mit entziehung des trosts der
schwachen gewissen/ dessen sie aus der absolution bedörffen/ geschwächet wer-
de. Zwischen diesen beyden abwegen gehet man sicher. Wolte einer den ter-
minum
die vergebung verkündigen gantz verwerffen/ und meinen/ die verge-
bung GOttes die müste erst aus der vergebung des predigers folgen/ der ir-
rete/ und müste ihm widersprochen werden. Dann des predigers absolution
hat an keinem krafft/ als der bußfertig und glaubig ist/ in welchem augenblick
aber buß und glauben vorhanden/ da ist GOttes vergebung bereits da/ wel-
che in der absolution nur von dem prediger auff den bußfertigen gezogen und

gele-

Das erſte Capitel.
in dem nahmen GOTTES die ſuͤnde ſollen vergeben ſeyn/ in dem
man ihm hierdurch die vergebung uͤberreichet an ſtatt GOTTES;
dann weil derſelbige ſie allen bußfertigen und glaubigen verheiſſen hat/ ſo
eignet der prediger ſolche ſeine verheiſſung damit thaͤtlich denjenigen zu/ wel-
che er vor glaubig und bußfertig erkennet. Jn dieſem verſtand iſts einerley
vergeben und die vergebung der ſuͤnden verkuͤndigen: Es iſt nach der
ſchrifft redens-art eine wahre vergebung/ aber ſolche vergebung beſtehet in
einer verkuͤndigung/ dadurch die wirckliche zueignung der vergebenden gna-
de geſchihet. Und wo man dann die beyde wort einander entgegen ſetzet/ daß
die prediger die ſuͤnde nicht vergeben/ ſondern nur die vergebung verkuͤndi-
gen/ ſo muͤſte das wort vergeben (das man ihnen abſpricht) in dem ſchaͤrff-
ſten und GOtt allein zukommenden verſtand genommen werden/ indem in
dem andern es mit dem verkuͤndigen einerley iſt/ und eines durch das andere
erklaͤhret wird. Daher in der Franckfurtiſchen kirchen-agenda lautet die
formul der abſolution alſo: und ich verkuͤndige ihnen ſolches als ein or-
dentlicher diener Chriſti und ſeiner kirchen im nahmen und befehl
GOttes des Vaters/ des Sohns/ und des Heiligen Geiſtes. Amen.

Alſo auch in der Straßburgiſchen formul: So verkuͤndige ich euch als
ein ordentl. kirchen-diener die vergebung aller eurer ſuͤnden hier auf
erden/ daß ihꝛ deren auch im himmel loß ſeyd in ewigkeit/ im nahmen
Gottes des Vaters/ des Sohnes/ und des Heil. Geiſtes. Amen.
Jn
der Dreßdniſchen formul werden ſie zuſammen geſetzet: Auff ſolch euer be-
kaͤntnuͤß verkuͤndige ich euch allen m. f. w. und vergebe euch an ſtatt
und auff befehl meines HErrn JEſu Chriſti.
m. f. w. Wo zu ſehen/
daß beyde wort beyſammen ſtehen/ damit eins durch das andre erklaͤhret
werde/ weßwegen ſie an ſich ſelbſt einander nicht entgegen ſeyn koͤnnen. Da-
her kommt alles darauff an/ wie die wort genommen werden; nur daß man
dahin ſehe/ daß weder dem prediger beygeleget werde/ was allein Gottes iſt/
nemlich aus eigenem recht die ſuͤnde ſelbſt nachlaſſen/ und ſeinen zorn dar-
uͤber ablegen/ noch auch das amt des predigers mit entziehung des troſts der
ſchwachen gewiſſen/ deſſen ſie aus der abſolution bedoͤrffen/ geſchwaͤchet wer-
de. Zwiſchen dieſen beyden abwegen gehet man ſicher. Wolte einer den ter-
minum
die vergebung verkuͤndigen gantz verwerffen/ und meinen/ die verge-
bung GOttes die muͤſte erſt aus der vergebung des predigers folgen/ der ir-
rete/ und muͤſte ihm widerſprochen werden. Dann des predigers abſolution
hat an keinem krafft/ als der bußfertig und glaubig iſt/ in welchem augenblick
aber buß und glauben vorhanden/ da iſt GOttes vergebung bereits da/ wel-
che in der abſolution nur von dem prediger auff den bußfertigen gezogen und

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[200/0216] Das erſte Capitel. in dem nahmen GOTTES die ſuͤnde ſollen vergeben ſeyn/ in dem man ihm hierdurch die vergebung uͤberreichet an ſtatt GOTTES; dann weil derſelbige ſie allen bußfertigen und glaubigen verheiſſen hat/ ſo eignet der prediger ſolche ſeine verheiſſung damit thaͤtlich denjenigen zu/ wel- che er vor glaubig und bußfertig erkennet. Jn dieſem verſtand iſts einerley vergeben und die vergebung der ſuͤnden verkuͤndigen: Es iſt nach der ſchrifft redens-art eine wahre vergebung/ aber ſolche vergebung beſtehet in einer verkuͤndigung/ dadurch die wirckliche zueignung der vergebenden gna- de geſchihet. Und wo man dann die beyde wort einander entgegen ſetzet/ daß die prediger die ſuͤnde nicht vergeben/ ſondern nur die vergebung verkuͤndi- gen/ ſo muͤſte das wort vergeben (das man ihnen abſpricht) in dem ſchaͤrff- ſten und GOtt allein zukommenden verſtand genommen werden/ indem in dem andern es mit dem verkuͤndigen einerley iſt/ und eines durch das andere erklaͤhret wird. Daher in der Franckfurtiſchen kirchen-agenda lautet die formul der abſolution alſo: und ich verkuͤndige ihnen ſolches als ein or- dentlicher diener Chriſti und ſeiner kirchen im nahmen und befehl GOttes des Vaters/ des Sohns/ und des Heiligen Geiſtes. Amen. Alſo auch in der Straßburgiſchen formul: So verkuͤndige ich euch als ein ordentl. kirchen-diener die vergebung aller eurer ſuͤnden hier auf erden/ daß ihꝛ deren auch im himmel loß ſeyd in ewigkeit/ im nahmen Gottes des Vaters/ des Sohnes/ und des Heil. Geiſtes. Amen. Jn der Dreßdniſchen formul werden ſie zuſammen geſetzet: Auff ſolch euer be- kaͤntnuͤß verkuͤndige ich euch allen m. f. w. und vergebe euch an ſtatt und auff befehl meines HErrn JEſu Chriſti. m. f. w. Wo zu ſehen/ daß beyde wort beyſammen ſtehen/ damit eins durch das andre erklaͤhret werde/ weßwegen ſie an ſich ſelbſt einander nicht entgegen ſeyn koͤnnen. Da- her kommt alles darauff an/ wie die wort genommen werden; nur daß man dahin ſehe/ daß weder dem prediger beygeleget werde/ was allein Gottes iſt/ nemlich aus eigenem recht die ſuͤnde ſelbſt nachlaſſen/ und ſeinen zorn dar- uͤber ablegen/ noch auch das amt des predigers mit entziehung des troſts der ſchwachen gewiſſen/ deſſen ſie aus der abſolution bedoͤrffen/ geſchwaͤchet wer- de. Zwiſchen dieſen beyden abwegen gehet man ſicher. Wolte einer den ter- minum die vergebung verkuͤndigen gantz verwerffen/ und meinen/ die verge- bung GOttes die muͤſte erſt aus der vergebung des predigers folgen/ der ir- rete/ und muͤſte ihm widerſprochen werden. Dann des predigers abſolution hat an keinem krafft/ als der bußfertig und glaubig iſt/ in welchem augenblick aber buß und glauben vorhanden/ da iſt GOttes vergebung bereits da/ wel- che in der abſolution nur von dem prediger auff den bußfertigen gezogen und gele-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/216>, abgerufen am 24.11.2024.