Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.SECTIO XXVIII. halten möchte/ also ist auch ein gleichgrosser unterscheid unter der bewandnüßder ersten einwohnung GOTTes gegen nachfolgender dero befestigung. Wo dieses in acht genommen wird/ so sihet man leicht/ daß es zur seligkeit keiner dritten wiedergeburt des heiligen Geistes bedörffe/ als dessen wirckung alles schon ist/ was durch das wasser und wort geschehen/ und er immer selbs da- bey gewesen ist. Ein anders ist/ ob der heil. Geist über einen wiedergebohr- nen auff ausserordentliche art käme/ gewisse dinge zuverrichten: als etwa in der schrifft einige mal stehet/ daß der Geist des HErrn über einige gera- then seye/ dahin auch der trieb und erleuchtung der Propheten gehöret: so aber keine eigentliche wiedergeburt machet/ noch zur seligkeit nöthig ist. Jndessen daß der heilige Geist auff gewisse weise auch zu einigen kommen und ihnen gegeben werden könne/ bey denen er dochschon ist/ sehen wir klahr an den jüngern des HErrn. Diese hatten den glauben wahrhafftig als sie bey dem HErrn JEsu waren/ dessen zeugnüß er ihnen auch einigemal gibet/ so hat- ten sie auch den heiligen Geist/ ohne welchen der glaube nie seyn kan/ ohne welchen sie JEsum keinen HErren nennen könten 1. Cor. 12. ohne wel- chen sie auch die offenbahrung vom vater nicht hätten haben können: Matth. 16/ 17. Sie empfiengen ihn aber nachmal auffs neue Joh. 20. zu ihrem amt/ in welches sie wieder gesetzet wurden/ biß sie auff Pfingsten gar auff eine wunderthätige art darmit getauffet/ und dermassen erfül- let wurden/ daß das vorige gleichsam nichts dagegen zu rechnen gewe- sen/ so gar daß es heisset/ der heilige Geist seye noch nicht da gewe- sen/ weil der HERR noch nicht verklähret war. Joh. 7/ 39. Also gilt in dieser materie nicht/ was man sonst sagt/ was einer empfange/ das könne er nicht schon haben. Jch hoffe diese erklährung solle deutlich gnug seyn/ vielleicht auch dem guten freund ein gnüge thun/ oder er wol gar eben dieses auch also erkannt/ sich aber nicht deutlich gnug zu verstehen zu geben die wort gehabt haben. Was gleichfalls anlangt die materie der erleuchtung/ habe auch die zuversicht/ wo wir uns gegen einander gnug erklähren/ daß wir leicht eins werden mögen. Es ist die erleuchtung eine wirckung des heiligen Geistes/ und doch auch des worts/ also daß die bei- den reden einander nicht entgegen stehen. Der heilige Geist ist die einige hauptursach/ und lässet sich keine andre zur seite setzen. Das wort aber ist das kräfftige mittel/ durch welches er wircket. Spricht man aber/ das wort seye ein liecht/ mir müßten aber erst die augen geöffnet werden/ daß ich das liecht sehen könne: so ist zu mercken/ daß wir in dem wort nicht allein gleichsam das materiale ansehen müssen/ nemlich die göttliche wahrheiten und von Gott offenbahrte geheimnüssen/ sondern auch das formale, die darein gelegte gött- liche Z 3
SECTIO XXVIII. halten moͤchte/ alſo iſt auch ein gleichgroſſer unterſcheid unter der bewandnuͤßder erſten einwohnung GOTTes gegen nachfolgender dero befeſtigung. Wo dieſes in acht genommen wird/ ſo ſihet man leicht/ daß es zur ſeligkeit keiner dritten wiedergeburt des heiligen Geiſtes bedoͤrffe/ als deſſen wirckung alles ſchon iſt/ was durch das waſſer und wort geſchehen/ und er immer ſelbs da- bey geweſen iſt. Ein anders iſt/ ob der heil. Geiſt uͤber einen wiedergebohr- nen auff auſſerordentliche art kaͤme/ gewiſſe dinge zuverrichten: als etwa in der ſchrifft einige mal ſtehet/ daß der Geiſt des HErrn uͤber einige gera- then ſeye/ dahin auch der trieb und erleuchtung der Propheten gehoͤret: ſo aber keine eigentliche wiedergeburt machet/ noch zur ſeligkeit noͤthig iſt. Jndeſſen daß der heilige Geiſt auff gewiſſe weiſe auch zu einigen kommen und ihnen gegeben werden koͤnne/ bey denen er dochſchon iſt/ ſehen wir klahr an den juͤngern des HErrn. Dieſe hatten den glauben wahrhafftig als ſie bey dem HErrn JEſu waren/ deſſen zeugnuͤß er ihnen auch einigemal gibet/ ſo hat- ten ſie auch den heiligen Geiſt/ ohne welchen der glaube nie ſeyn kan/ ohne welchen ſie JEſum keinen HErren nennen koͤnten 1. Cor. 12. ohne wel- chen ſie auch die offenbahrung vom vater nicht haͤtten haben koͤnnen: Matth. 16/ 17. Sie empfiengen ihn aber nachmal auffs neue Joh. 20. zu ihrem amt/ in welches ſie wieder geſetzet wurden/ biß ſie auff Pfingſten gar auff eine wunderthaͤtige art darmit getauffet/ und dermaſſen erfuͤl- let wurden/ daß das vorige gleichſam nichts dagegen zu rechnen gewe- ſen/ ſo gar daß es heiſſet/ der heilige Geiſt ſeye noch nicht da gewe- ſen/ weil der HERR noch nicht verklaͤhret war. Joh. 7/ 39. Alſo gilt in dieſer materie nicht/ was man ſonſt ſagt/ was einer empfange/ das koͤnne er nicht ſchon haben. Jch hoffe dieſe erklaͤhrung ſolle deutlich gnug ſeyn/ vielleicht auch dem guten freund ein gnuͤge thun/ oder er wol gar eben dieſes auch alſo erkannt/ ſich aber nicht deutlich gnug zu verſtehen zu geben die wort gehabt haben. Was gleichfalls anlangt die materie der erleuchtung/ habe auch die zuverſicht/ wo wir uns gegen einander gnug erklaͤhren/ daß wir leicht eins werden moͤgen. Es iſt die erleuchtung eine wirckung des heiligen Geiſtes/ und doch auch des worts/ alſo daß die bei- den reden einander nicht entgegen ſtehen. Der heilige Geiſt iſt die einige haupturſach/ und laͤſſet ſich keine andre zur ſeite ſetzen. Das wort aber iſt das kraͤfftige mittel/ durch welches er wircket. Spricht man aber/ das wort ſeye ein liecht/ mir muͤßten aber erſt die augen geoͤffnet werden/ daß ich das liecht ſehen koͤnne: ſo iſt zu mercken/ daß wir in dem wort nicht allein gleichſam das materiale anſehen muͤſſen/ nemlich die goͤttliche wahrheiten und von Gott offenbahrte geheimnuͤſſen/ ſondern auch das formale, die darein gelegte goͤtt- liche Z 3
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SECTIO XXVIII.
halten moͤchte/ alſo iſt auch ein gleichgroſſer unterſcheid unter der bewandnuͤß
der erſten einwohnung GOTTes gegen nachfolgender dero befeſtigung. Wo
dieſes in acht genommen wird/ ſo ſihet man leicht/ daß es zur ſeligkeit keiner
dritten wiedergeburt des heiligen Geiſtes bedoͤrffe/ als deſſen wirckung alles
ſchon iſt/ was durch das waſſer und wort geſchehen/ und er immer ſelbs da-
bey geweſen iſt. Ein anders iſt/ ob der heil. Geiſt uͤber einen wiedergebohr-
nen auff auſſerordentliche art kaͤme/ gewiſſe dinge zuverrichten: als etwa in
der ſchrifft einige mal ſtehet/ daß der Geiſt des HErrn uͤber einige gera-
then ſeye/ dahin auch der trieb und erleuchtung der Propheten gehoͤret:
ſo aber keine eigentliche wiedergeburt machet/ noch zur ſeligkeit noͤthig iſt.
Jndeſſen daß der heilige Geiſt auff gewiſſe weiſe auch zu einigen kommen und
ihnen gegeben werden koͤnne/ bey denen er dochſchon iſt/ ſehen wir klahr an den
juͤngern des HErrn. Dieſe hatten den glauben wahrhafftig als ſie bey dem
HErrn JEſu waren/ deſſen zeugnuͤß er ihnen auch einigemal gibet/ ſo hat-
ten ſie auch den heiligen Geiſt/ ohne welchen der glaube nie ſeyn kan/ ohne
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Matth. 16/ 17. Sie empfiengen ihn aber nachmal auffs neue Joh. 20. zu
ihrem amt/ in welches ſie wieder geſetzet wurden/ biß ſie auff Pfingſten gar
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let wurden/ daß das vorige gleichſam nichts dagegen zu rechnen gewe-
ſen/ ſo gar daß es heiſſet/ der heilige Geiſt ſeye noch nicht da gewe-
ſen/ weil der HERR noch nicht verklaͤhret war. Joh. 7/ 39. Alſo
gilt in dieſer materie nicht/ was man ſonſt ſagt/ was einer empfange/ das
koͤnne er nicht ſchon haben. Jch hoffe dieſe erklaͤhrung ſolle deutlich gnug
ſeyn/ vielleicht auch dem guten freund ein gnuͤge thun/ oder er wol gar
eben dieſes auch alſo erkannt/ ſich aber nicht deutlich gnug zu verſtehen zu
geben die wort gehabt haben. Was gleichfalls anlangt die materie der
erleuchtung/ habe auch die zuverſicht/ wo wir uns gegen einander gnug
erklaͤhren/ daß wir leicht eins werden moͤgen. Es iſt die erleuchtung eine
wirckung des heiligen Geiſtes/ und doch auch des worts/ alſo daß die bei-
den reden einander nicht entgegen ſtehen. Der heilige Geiſt iſt die einige
haupturſach/ und laͤſſet ſich keine andre zur ſeite ſetzen. Das wort aber iſt das
kraͤfftige mittel/ durch welches er wircket. Spricht man aber/ das wort ſeye
ein liecht/ mir muͤßten aber erſt die augen geoͤffnet werden/ daß ich das liecht
ſehen koͤnne: ſo iſt zu mercken/ daß wir in dem wort nicht allein gleichſam das
materiale anſehen muͤſſen/ nemlich die goͤttliche wahrheiten und von Gott
offenbahrte geheimnuͤſſen/ ſondern auch das formale, die darein gelegte goͤtt-
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Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/197>, abgerufen am 16.02.2025. |