Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das erste Capitel. schädlichem verstande nehmen. Daß auch die unsrige sich auff die lehre derallgemeinen kirchen beruffen/ verstehen sie die sache so weit/ als dieselbe in diesem punct einstimmig ist/ nemlich betreffend die wahre und wesentliche gegenwart des leibes und blutes Christi/ damit aber nicht zugleich billigen- de die absonderliche determination des modi, daß es durch eine transsubstan- tiation geschehe/ welchen die Römische kirche ferner hinzugethan/ die übrige allgemeine kirche aber sich dessen nicht theilhafftig gemacht. Wobey haupt- sächlich in acht zu nehmen/ daß dieser articul vornemlich wegen Zwinglii und seiner parthey zu solcher zeit hingesetzt worden/ und also unsre bekenner/ die sich und ihre lehr von diesen sondern wolten/ gnug gehabt haben/ daß sie die wesentliche gegenwart behaupteten/ ohnnöthig achtende/ sich weiter davon herauszulassen. 2. Daß Lutherus solche lehr selbs zu glauben frey gestellet habe: Nun 3. Daß gelehrte Reformirte davor hielten/ wo man die wesentliche ge- 4. Kommet er endlich auff GOttes wort/ aus welchem auch der streit gen/
Das erſte Capitel. ſchaͤdlichem verſtande nehmen. Daß auch die unſrige ſich auff die lehre derallgemeinen kirchen beruffen/ verſtehen ſie die ſache ſo weit/ als dieſelbe in dieſem punct einſtimmig iſt/ nemlich betreffend die wahre und weſentliche gegenwart des leibes und blutes Chriſti/ damit aber nicht zugleich billigen- de die abſonderliche determination des modi, daß es duꝛch eine transſubſtan- tiation geſchehe/ welchen die Roͤmiſche kirche ferner hinzugethan/ die uͤbrige allgemeine kirche aber ſich deſſen nicht theilhafftig gemacht. Wobey haupt- ſaͤchlich in acht zu nehmen/ daß dieſer articul vornemlich wegen Zwinglii und ſeiner parthey zu ſolcher zeit hingeſetzt worden/ und alſo unſre bekenner/ die ſich und ihre lehr von dieſen ſondern wolten/ gnug gehabt haben/ daß ſie die weſentliche gegenwart behaupteten/ ohnnoͤthig achtende/ ſich weiter davon herauszulaſſen. 2. Daß Lutherus ſolche lehr ſelbs zu glauben frey geſtellet habe: Nun 3. Daß gelehrte Reformirte davor hielten/ wo man die weſentliche ge- 4. Kommet er endlich auff GOttes wort/ aus welchem auch der ſtreit gen/
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Das erſte Capitel.
ſchaͤdlichem verſtande nehmen. Daß auch die unſrige ſich auff die lehre der
allgemeinen kirchen beruffen/ verſtehen ſie die ſache ſo weit/ als dieſelbe in
dieſem punct einſtimmig iſt/ nemlich betreffend die wahre und weſentliche
gegenwart des leibes und blutes Chriſti/ damit aber nicht zugleich billigen-
de die abſonderliche determination des modi, daß es duꝛch eine transſubſtan-
tiation geſchehe/ welchen die Roͤmiſche kirche ferner hinzugethan/ die uͤbrige
allgemeine kirche aber ſich deſſen nicht theilhafftig gemacht. Wobey haupt-
ſaͤchlich in acht zu nehmen/ daß dieſer articul vornemlich wegen Zwinglii und
ſeiner parthey zu ſolcher zeit hingeſetzt worden/ und alſo unſre bekenner/ die
ſich und ihre lehr von dieſen ſondern wolten/ gnug gehabt haben/ daß ſie die
weſentliche gegenwart behaupteten/ ohnnoͤthig achtende/ ſich weiter davon
herauszulaſſen.
2. Daß Lutherus ſolche lehr ſelbs zu glauben frey geſtellet habe: Nun
laͤugnen wir nicht ſolches geſchehen zu ſeyn/ in dem buch von der babyloni-
ſchen gefaͤngnuͤß/ wie aber ſolches buch 1520/ und alſo in den erſten jahren
ſeiner mehrern erleuchtung/ geſchrieben worden/ koͤnte ihm noch unterſchied-
liches (wie denn auch von andern puncten es nicht zu laͤugnen ſtehet) ankle-
ben/ darinnen er die wahrheit noch weiter erſt zu erkennen noth haͤtte/ ſo auch
in dieſem ihm begegnet/ und er mit der zeit auch weiter in der erkaͤntnuͤß ge-
wachſen iſt. Daher unter den 17. articuln/ welche er ſelbs auffgeſetzt/ und
aus denen nachmal Melanchthon die Augſpurgiſche Confeſſion formiret/ er
ſeine lehre hievon deutlich gnug austruckt art. 10. daß Euchariſtia oder des
altars Sacrament ſtehet auch in zweyen ſtuͤcken/ nemlich daß da
ſeye wahrhafftig im brodt und im wein der wahre leib und das blut
Chriſti.
3. Daß gelehrte Reformirte davor hielten/ wo man die weſentliche ge-
genwart glaubte/ ſo muͤſte man auch die verwandelung glaͤuben/ præjudicirt
uns nichts/ wie denn weder ſie eine ſolche folge erweiſen koͤnnen/ noch in der
that eine ſolche iſt.
4. Kommet er endlich auff GOttes wort/ aus welchem auch der ſtreit
allein ausgemachet werden kan/ und will alſo die verwandelung erweiſen/
weil wir die wort der einſetzung nach dem buchſtaben verſtehen wollen/ und a-
ber dieſe wort: diß iſt mein leib/ in dem verſtand wahr waͤren/ wo das brodt
verwandelt wuͤrde. Nun laͤugnet man nicht/ daß ſie freylich auch in ſolchem
verſtand koͤnten wahr heiſſen/ aber davon iſt die frag/ ob ſolches der von dem
HErrn gemeinte verſtand ſeye. Er ſagt aber/ nach unſrer erklaͤhrung waͤ-
ren die wort/ das iſt mein leib/ dem buchſtaben nach falſch: wo er nun die-
ſes erweiſen koͤnte/ verloͤhren wir viel: es bleibet aber bey ſeinem bloſſen ſa-
gen/
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