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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das erste Capitel.
schädlichem verstande nehmen. Daß auch die unsrige sich auff die lehre der
allgemeinen kirchen beruffen/ verstehen sie die sache so weit/ als dieselbe in
diesem punct einstimmig ist/ nemlich betreffend die wahre und wesentliche
gegenwart des leibes und blutes Christi/ damit aber nicht zugleich billigen-
de die absonderliche determination des modi, daß es durch eine transsubstan-
tiation
geschehe/ welchen die Römische kirche ferner hinzugethan/ die übrige
allgemeine kirche aber sich dessen nicht theilhafftig gemacht. Wobey haupt-
sächlich in acht zu nehmen/ daß dieser articul vornemlich wegen Zwinglii und
seiner parthey zu solcher zeit hingesetzt worden/ und also unsre bekenner/ die
sich und ihre lehr von diesen sondern wolten/ gnug gehabt haben/ daß sie die
wesentliche gegenwart behaupteten/ ohnnöthig achtende/ sich weiter davon
herauszulassen.

2. Daß Lutherus solche lehr selbs zu glauben frey gestellet habe: Nun
läugnen wir nicht solches geschehen zu seyn/ in dem buch von der babyloni-
schen gefängnüß/
wie aber solches buch 1520/ und also in den ersten jahren
seiner mehrern erleuchtung/ geschrieben worden/ könte ihm noch unterschied-
liches (wie denn auch von andern puncten es nicht zu läugnen stehet) ankle-
ben/ darinnen er die wahrheit noch weiter erst zu erkennen noth hätte/ so auch
in diesem ihm begegnet/ und er mit der zeit auch weiter in der erkäntnüß ge-
wachsen ist. Daher unter den 17. articuln/ welche er selbs auffgesetzt/ und
aus denen nachmal Melanchthon die Augspurgische Confession formiret/ er
seine lehre hievon deutlich gnug austruckt art. 10. daß Eucharistia oder des
altars Sacrament stehet auch in zweyen stücken/ nemlich daß da
seye wahrhafftig im brodt und im wein der wahre leib und das blut
Christi.

3. Daß gelehrte Reformirte davor hielten/ wo man die wesentliche ge-
genwart glaubte/ so müste man auch die verwandelung gläuben/ praejudicirt
uns nichts/ wie denn weder sie eine solche folge erweisen können/ noch in der
that eine solche ist.

4. Kommet er endlich auff GOttes wort/ aus welchem auch der streit
allein ausgemachet werden kan/ und will also die verwandelung erweisen/
weil wir die wort der einsetzung nach dem buchstaben verstehen wollen/ und a-
ber diese wort: diß ist mein leib/ in dem verstand wahr wären/ wo das brodt
verwandelt würde. Nun läugnet man nicht/ daß sie freylich auch in solchem
verstand könten wahr heissen/ aber davon ist die frag/ ob solches der von dem
HErrn gemeinte verstand seye. Er sagt aber/ nach unsrer erklährung wä-
ren die wort/ das ist mein leib/ dem buchstaben nach falsch: wo er nun die-
ses erweisen könte/ verlöhren wir viel: es bleibet aber bey seinem blossen sa-

gen/

Das erſte Capitel.
ſchaͤdlichem verſtande nehmen. Daß auch die unſrige ſich auff die lehre der
allgemeinen kirchen beruffen/ verſtehen ſie die ſache ſo weit/ als dieſelbe in
dieſem punct einſtimmig iſt/ nemlich betreffend die wahre und weſentliche
gegenwart des leibes und blutes Chriſti/ damit aber nicht zugleich billigen-
de die abſonderliche determination des modi, daß es duꝛch eine transſubſtan-
tiation
geſchehe/ welchen die Roͤmiſche kirche ferner hinzugethan/ die uͤbrige
allgemeine kirche aber ſich deſſen nicht theilhafftig gemacht. Wobey haupt-
ſaͤchlich in acht zu nehmen/ daß dieſer articul vornemlich wegen Zwinglii und
ſeiner parthey zu ſolcher zeit hingeſetzt worden/ und alſo unſre bekenner/ die
ſich und ihre lehr von dieſen ſondern wolten/ gnug gehabt haben/ daß ſie die
weſentliche gegenwart behaupteten/ ohnnoͤthig achtende/ ſich weiter davon
herauszulaſſen.

2. Daß Lutherus ſolche lehr ſelbs zu glauben frey geſtellet habe: Nun
laͤugnen wir nicht ſolches geſchehen zu ſeyn/ in dem buch von der babyloni-
ſchen gefaͤngnuͤß/
wie aber ſolches buch 1520/ und alſo in den erſten jahren
ſeiner mehrern erleuchtung/ geſchrieben worden/ koͤnte ihm noch unterſchied-
liches (wie denn auch von andern puncten es nicht zu laͤugnen ſtehet) ankle-
ben/ darinnen er die wahrheit noch weiter erſt zu erkennen noth haͤtte/ ſo auch
in dieſem ihm begegnet/ und er mit der zeit auch weiter in der erkaͤntnuͤß ge-
wachſen iſt. Daher unter den 17. articuln/ welche er ſelbs auffgeſetzt/ und
aus denen nachmal Melanchthon die Augſpurgiſche Confeſſion formiret/ er
ſeine lehre hievon deutlich gnug austruckt art. 10. daß Euchariſtia oder des
altars Sacrament ſtehet auch in zweyen ſtuͤcken/ nemlich daß da
ſeye wahrhafftig im brodt und im wein der wahre leib und das blut
Chriſti.

3. Daß gelehrte Reformirte davor hielten/ wo man die weſentliche ge-
genwart glaubte/ ſo muͤſte man auch die verwandelung glaͤuben/ præjudicirt
uns nichts/ wie denn weder ſie eine ſolche folge erweiſen koͤnnen/ noch in der
that eine ſolche iſt.

4. Kommet er endlich auff GOttes wort/ aus welchem auch der ſtreit
allein ausgemachet werden kan/ und will alſo die verwandelung erweiſen/
weil wir die wort der einſetzung nach dem buchſtaben verſtehen wollen/ und a-
ber dieſe wort: diß iſt mein leib/ in dem verſtand wahr waͤren/ wo das brodt
verwandelt wuͤrde. Nun laͤugnet man nicht/ daß ſie freylich auch in ſolchem
verſtand koͤnten wahr heiſſen/ aber davon iſt die frag/ ob ſolches der von dem
HErrn gemeinte verſtand ſeye. Er ſagt aber/ nach unſrer erklaͤhrung waͤ-
ren die wort/ das iſt mein leib/ dem buchſtaben nach falſch: wo er nun die-
ſes erweiſen koͤnte/ verloͤhren wir viel: es bleibet aber bey ſeinem bloſſen ſa-

gen/
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[126/0142] Das erſte Capitel. ſchaͤdlichem verſtande nehmen. Daß auch die unſrige ſich auff die lehre der allgemeinen kirchen beruffen/ verſtehen ſie die ſache ſo weit/ als dieſelbe in dieſem punct einſtimmig iſt/ nemlich betreffend die wahre und weſentliche gegenwart des leibes und blutes Chriſti/ damit aber nicht zugleich billigen- de die abſonderliche determination des modi, daß es duꝛch eine transſubſtan- tiation geſchehe/ welchen die Roͤmiſche kirche ferner hinzugethan/ die uͤbrige allgemeine kirche aber ſich deſſen nicht theilhafftig gemacht. Wobey haupt- ſaͤchlich in acht zu nehmen/ daß dieſer articul vornemlich wegen Zwinglii und ſeiner parthey zu ſolcher zeit hingeſetzt worden/ und alſo unſre bekenner/ die ſich und ihre lehr von dieſen ſondern wolten/ gnug gehabt haben/ daß ſie die weſentliche gegenwart behaupteten/ ohnnoͤthig achtende/ ſich weiter davon herauszulaſſen. 2. Daß Lutherus ſolche lehr ſelbs zu glauben frey geſtellet habe: Nun laͤugnen wir nicht ſolches geſchehen zu ſeyn/ in dem buch von der babyloni- ſchen gefaͤngnuͤß/ wie aber ſolches buch 1520/ und alſo in den erſten jahren ſeiner mehrern erleuchtung/ geſchrieben worden/ koͤnte ihm noch unterſchied- liches (wie denn auch von andern puncten es nicht zu laͤugnen ſtehet) ankle- ben/ darinnen er die wahrheit noch weiter erſt zu erkennen noth haͤtte/ ſo auch in dieſem ihm begegnet/ und er mit der zeit auch weiter in der erkaͤntnuͤß ge- wachſen iſt. Daher unter den 17. articuln/ welche er ſelbs auffgeſetzt/ und aus denen nachmal Melanchthon die Augſpurgiſche Confeſſion formiret/ er ſeine lehre hievon deutlich gnug austruckt art. 10. daß Euchariſtia oder des altars Sacrament ſtehet auch in zweyen ſtuͤcken/ nemlich daß da ſeye wahrhafftig im brodt und im wein der wahre leib und das blut Chriſti. 3. Daß gelehrte Reformirte davor hielten/ wo man die weſentliche ge- genwart glaubte/ ſo muͤſte man auch die verwandelung glaͤuben/ præjudicirt uns nichts/ wie denn weder ſie eine ſolche folge erweiſen koͤnnen/ noch in der that eine ſolche iſt. 4. Kommet er endlich auff GOttes wort/ aus welchem auch der ſtreit allein ausgemachet werden kan/ und will alſo die verwandelung erweiſen/ weil wir die wort der einſetzung nach dem buchſtaben verſtehen wollen/ und a- ber dieſe wort: diß iſt mein leib/ in dem verſtand wahr waͤren/ wo das brodt verwandelt wuͤrde. Nun laͤugnet man nicht/ daß ſie freylich auch in ſolchem verſtand koͤnten wahr heiſſen/ aber davon iſt die frag/ ob ſolches der von dem HErrn gemeinte verſtand ſeye. Er ſagt aber/ nach unſrer erklaͤhrung waͤ- ren die wort/ das iſt mein leib/ dem buchſtaben nach falſch: wo er nun die- ſes erweiſen koͤnte/ verloͤhren wir viel: es bleibet aber bey ſeinem bloſſen ſa- gen/

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/142>, abgerufen am 23.11.2024.