Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.SECTIO XV. das ansehen haben/ daß er solches in einem guten verstand zugebe/ solcher ver-stand aber ist derjenige/ welcher der sache selbst vielmehr alle krafft benimmet; dann da blieben die verdienste Christi allein diejenige/ aus dero ansehen GOtt dasjenige in der seelen wircket/ was die gerechtigkeit ist/ dadurch der mensch gerecht werden solle. Also bleibets abermal/ daß die in dem menschen gewirckte heiligkeit/ und daher etwas so zu den wercken gehöret/ uns recht- fertigen soll/ nicht aber allein die gerechtigkeit Christi selbs/ dero doch diese chre zustehet/ damit unsre seligkeit wahrhafftig ein geschenck und nicht ein verdienst seye. P. 31. redet er von dem glauben/ wie derselbe rechtfertige/ und lässet ihm Daß S. Jacobus den glauben ohne die werck todt nennet/ gestehen wir die
SECTIO XV. das anſehen haben/ daß er ſolches in einem guten verſtand zugebe/ ſolcher ver-ſtand aber iſt derjenige/ welcher der ſache ſelbſt vielmehr alle krafft benimmet; dann da blieben die verdienſte Chriſti allein diejenige/ aus dero anſehen GOtt dasjenige in der ſeelen wircket/ was die gerechtigkeit iſt/ dadurch der menſch gerecht werden ſolle. Alſo bleibets abermal/ daß die in dem menſchen gewirckte heiligkeit/ und daher etwas ſo zu den wercken gehoͤret/ uns recht- fertigen ſoll/ nicht aber allein die gerechtigkeit Chriſti ſelbs/ dero doch dieſe chre zuſtehet/ damit unſre ſeligkeit wahrhafftig ein geſchenck und nicht ein verdienſt ſeye. P. 31. redet er von dem glauben/ wie derſelbe rechtfertige/ und laͤſſet ihm Daß S. Jacobus den glauben ohne die werck todt nennet/ geſtehen wir die
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SECTIO XV.
das anſehen haben/ daß er ſolches in einem guten verſtand zugebe/ ſolcher ver-
ſtand aber iſt derjenige/ welcher der ſache ſelbſt vielmehr alle krafft benimmet;
dann da blieben die verdienſte Chriſti allein diejenige/ aus dero anſehen
GOtt dasjenige in der ſeelen wircket/ was die gerechtigkeit iſt/ dadurch der
menſch gerecht werden ſolle. Alſo bleibets abermal/ daß die in dem menſchen
gewirckte heiligkeit/ und daher etwas ſo zu den wercken gehoͤret/ uns recht-
fertigen ſoll/ nicht aber allein die gerechtigkeit Chriſti ſelbs/ dero doch dieſe
chre zuſtehet/ damit unſre ſeligkeit wahrhafftig ein geſchenck und nicht ein
verdienſt ſeye.
P. 31. redet er von dem glauben/ wie derſelbe rechtfertige/ und laͤſſet ihm
nichts weiter zu/ als den anfang der rechtfertigung/ nicht das gantze werck.
Wann er zwahr darnach auch darzu erfordert das vertrauen/ damit er ſich
die gnade zueigne/ ſind wir mit ihm ſo fern eins: aber wir begreiffen unter
dem nahmen des glaubens/ der gerecht macht/ eben ſolches vertrauen/ als
welches wir das dritte ſtuͤck deſſelben erkennen/ und gern zugeben/ daß der
glaube/ wie er nur eine wiſſenſchafft und beyfall iſt/ uns freylich nicht allein
gerecht mache/ ſondern ſeine meiſte krafft ſtehet in dem vertrauen oder zuver-
ſicht/ damit er ſich goͤttliche gnaden-verheiſſung zueignet. Daß auch alsdenn
ein anfang der liebe/ haß gegen die ſuͤnde/ und vorſatz des neuen lebens/ ver-
handen ſeye/ iſt abermal unſtreitig/ und welcher glaube nicht ſolche bey ſich
haͤtte/ koͤnte nicht rechtfertigen/ denn er waͤre der wahre lebendige glaube
nicht: aber ob ſie wol bey dem glauben ſind/ ſind ſie gleichwol nicht dasjeni-
ge/ das gerecht machet/ als die mit zu den wercken gehoͤren/ welche Paulus
von der rechtfertigung ſchlechter dinges ausſchlieſſet/ ſondern der glaube.
Und ſolches darum/ weil der glaube in dieſem werck ſelbs nicht anzuſehen iſt/
als eine tugend/ die von GOtt zu unſrer gerechtigkeit eine wuͤrdigkeit haͤtte/
(denn da wuͤrden ſonſten die andern tugenden eben ſo wol ihren platz finden)
ſondern nur als etwas/ damit man das geſchencke GOttes annimmet: Da
hingegen die liebe und anders von GOtt nichts annehmen/ ſondern vielmehr
der menſch durch dieſelbe ſich GOtt dem HErrn ergibet. Denn darinnen
ſtehet das gantze haupt-werck/ daß die rechtfertigung und ſeligkeit bloſſe ge-
ſchencke bleiben/ und wir alſo keine wuͤrdigkeit dabey prætendiren koͤnnen.
Wie ich hoffe ſolche materie aus dem grund in dem 8. Capitel wider D. Bre-
ving ausgefuͤhrt zu haben.
Daß S. Jacobus den glauben ohne die werck todt nennet/ geſtehen wir
auch/ und erkennen einen ſolchen glauben nach 1. Joh. 2/ 4. vor keinen wah-
ren glauben/ daher derſelbe weder allein noch mit was anders rechtfertigen
kan. Aber was P. Dez hinzuſetzt aus Gal. 5/ 6. daß der glaube erſt durch
die
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