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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. VI. SECTIO XXXVIII.
ren in dieser schul gehalten/ daß einiges in derselben habe erfahren/ auch noch täg-
lich meine lection darinnen recitiren muß. Danck seye aber dem liebsten Vater/
der mich darinnen geübet hat/ und noch übet/ aber gewißlich zu meinem gegenwär-
tigen und künfftigen nutzen. Wie daher auch denselben versichern kan/ daß die
zeit kommen werde/ da auch geliebter bruder seinem GOtt deswegen hertzlich prei-
sen/ daher er aber auch so viel williger der prüfung desselben sich jetzund bequemen
und geduldig aushalten wird.

Die frage der beichtpfennige wegen betreffende/ so erkläre ich mich mit
wenigem also 1. besser wäre es/ wir hätten bey unsrer kirche keine beichtpfennige/
indem ob sie wohl an sich nicht unrecht/ dannoch viele gelegenheit und schein des
bösen sich dabey findet. Daher zu wünschen/ daß die Prediger insgesamt auff
andere und solche art mit besoldungen versorget worden/ daß sie derselben gar nicht
bedörfften/ sondern ohne sie nothdürfftig leben könten. 2. Wo ein Prediger eines
orts mit den seinigen ohne dieselbige sich nothdürfftig nicht ausbringen kan/ und
die gemeinde auff andere art ihn nicht erhalten will/ so findet er sich dazu aller-
dings genöthiget/ dieselbe zu nehmen. 3 Wer aber auch ohne dieselbe auff ande-
re weise zu leben weist/ und sich bey solchem nehmen einen scrupel machet/ oder
auffs wenigste von dem nicht nehmen mehrere erbauung hoffet/ mag mit recht sie
zu nehmen nicht angehalten werden. Wie auch keine kirchenordnungen iemand
dazu nöthigen/ sondern damit gnug haben/ sie zu erlauben. Nun stehet einem
frey/ seiner freyheit sich zugebrauchen oder nicht. 4. Wo ihrer mehrere an ei-
nem ort an dem dienst des HErrn stehen/ können viele ursachen seyn/ die einen/
welcher lieber dieselbe nicht nehme/ sie zu nehmen persvadiren mögen/ als nem-
lich der collegarum, die sich durch solch exempel beschämet zu werden sorgen/ wi-
drigkeit/ und daraus besorgende ärgernüssen/ die (wie auch erfahren worden) zu-
nehmende menge der beichtkinder/ aus einiger solcher absicht des sparens/ und
erfolgender mißbrauch/ und dergleichen. Also das zu weilen die daher entstehende
ungelegenheiten leicht den von dem nicht nehmen hoffenden geistlichen nutzen ü-
bertreffen mögen. Daß deßwegen einem/ welcher dergleichen seines orts vorsi-
het/ zu diesen unsern verwirrten zeiten/ fast lieber einrathen wolte/ nach der an-
dern exempel auch zu nehmen/ es seye dann sach/ das er sich durch ein votum sol-
cher freyheit begeben hätte/ oder andere scrupel des gewissens fühlte/ die er nicht zu
überwinden vermöchte. 5. Wo sich aber ein Christlicher Prediger sie zunehmen
resolviret/ so wird er gleich wol acht geben/ auf die personen/ die ihm vorkom-
men/ um die arme und die das wenige geld schwehr entrathen/ zu überheben/
in dem die exempel deren/ welche die armen etwa dazu genötiget/ der gantzen sache
die übelste nachrede gemacht/ daher dergleichen am fleißigsten zumeiden ja billich
ist/ solche leute/ von denen man sorgen muß/ daß sie aus mangel geldes ihre devo-
tion
auffschieben/ würden voran dessen/ daß man nichts von ihnen begehre/ zu ver-

sichern.

ARTIC. VI. SECTIO XXXVIII.
ren in dieſer ſchul gehalten/ daß einiges in derſelben habe erfahren/ auch noch taͤg-
lich meine lection darinnen recitiren muß. Danck ſeye aber dem liebſten Vater/
der mich darinnen geuͤbet hat/ und noch uͤbet/ aber gewißlich zu meinem gegenwaͤr-
tigen und kuͤnfftigen nutzen. Wie daher auch denſelben verſichern kan/ daß die
zeit kommen werde/ da auch geliebter bruder ſeinem GOtt deswegen hertzlich prei-
ſen/ daher er aber auch ſo viel williger der pruͤfung deſſelben ſich jetzund bequemen
und geduldig aushalten wird.

Die frage der beichtpfennige wegen betreffende/ ſo erklaͤre ich mich mit
wenigem alſo 1. beſſer waͤre es/ wir haͤtten bey unſrer kirche keine beichtpfennige/
indem ob ſie wohl an ſich nicht unrecht/ dannoch viele gelegenheit und ſchein des
boͤſen ſich dabey findet. Daher zu wuͤnſchen/ daß die Prediger insgeſamt auff
andere und ſolche art mit beſoldungen verſorget worden/ daß ſie derſelben gar nicht
bedoͤrfften/ ſondern ohne ſie nothduͤrfftig leben koͤnten. 2. Wo ein Prediger eines
orts mit den ſeinigen ohne dieſelbige ſich nothduͤrfftig nicht ausbringen kan/ und
die gemeinde auff andere art ihn nicht erhalten will/ ſo findet er ſich dazu aller-
dings genoͤthiget/ dieſelbe zu nehmen. 3 Wer aber auch ohne dieſelbe auff ande-
re weiſe zu leben weiſt/ und ſich bey ſolchem nehmen einen ſcrupel machet/ oder
auffs wenigſte von dem nicht nehmen mehrere erbauung hoffet/ mag mit recht ſie
zu nehmen nicht angehalten werden. Wie auch keine kirchenordnungen iemand
dazu noͤthigen/ ſondern damit gnug haben/ ſie zu erlauben. Nun ſtehet einem
frey/ ſeiner freyheit ſich zugebrauchen oder nicht. 4. Wo ihrer mehrere an ei-
nem ort an dem dienſt des HErrn ſtehen/ koͤnnen viele urſachen ſeyn/ die einen/
welcher lieber dieſelbe nicht nehme/ ſie zu nehmen perſvadiren moͤgen/ als nem-
lich der collegarum, die ſich durch ſolch exempel beſchaͤmet zu werden ſorgen/ wi-
drigkeit/ und daraus beſorgende aͤrgernuͤſſen/ die (wie auch erfahren worden) zu-
nehmende menge der beichtkinder/ aus einiger ſolcher abſicht des ſparens/ und
erfolgender mißbrauch/ und dergleichen. Alſo das zu weilen die daher entſtehende
ungelegenheiten leicht den von dem nicht nehmen hoffenden geiſtlichen nutzen uͤ-
bertreffen moͤgen. Daß deßwegen einem/ welcher dergleichen ſeines orts vorſi-
het/ zu dieſen unſern verwirrten zeiten/ faſt lieber einrathen wolte/ nach der an-
dern exempel auch zu nehmen/ es ſeye dann ſach/ das er ſich durch ein votum ſol-
cher freyheit begeben haͤtte/ oder andere ſcrupel des gewiſſens fuͤhlte/ die er nicht zu
uͤberwinden vermoͤchte. 5. Wo ſich aber ein Chriſtlicher Prediger ſie zunehmen
reſolviret/ ſo wird er gleich wol acht geben/ auf die perſonen/ die ihm vorkom-
men/ um die arme und die das wenige geld ſchwehr entrathen/ zu uͤberheben/
in dem die exempel deren/ welche die armen etwa dazu genoͤtiget/ der gantzen ſache
die uͤbelſte nachrede gemacht/ daher dergleichen am fleißigſten zumeiden ja billich
iſt/ ſolche leute/ von denen man ſorgen muß/ daß ſie aus mangel geldes ihre devo-
tion
auffſchieben/ wuͤrden voran deſſen/ daß man nichts von ihnen begehre/ zu ver-

ſichern.
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[323/1123] ARTIC. VI. SECTIO XXXVIII. ren in dieſer ſchul gehalten/ daß einiges in derſelben habe erfahren/ auch noch taͤg- lich meine lection darinnen recitiren muß. Danck ſeye aber dem liebſten Vater/ der mich darinnen geuͤbet hat/ und noch uͤbet/ aber gewißlich zu meinem gegenwaͤr- tigen und kuͤnfftigen nutzen. Wie daher auch denſelben verſichern kan/ daß die zeit kommen werde/ da auch geliebter bruder ſeinem GOtt deswegen hertzlich prei- ſen/ daher er aber auch ſo viel williger der pruͤfung deſſelben ſich jetzund bequemen und geduldig aushalten wird. Die frage der beichtpfennige wegen betreffende/ ſo erklaͤre ich mich mit wenigem alſo 1. beſſer waͤre es/ wir haͤtten bey unſrer kirche keine beichtpfennige/ indem ob ſie wohl an ſich nicht unrecht/ dannoch viele gelegenheit und ſchein des boͤſen ſich dabey findet. Daher zu wuͤnſchen/ daß die Prediger insgeſamt auff andere und ſolche art mit beſoldungen verſorget worden/ daß ſie derſelben gar nicht bedoͤrfften/ ſondern ohne ſie nothduͤrfftig leben koͤnten. 2. Wo ein Prediger eines orts mit den ſeinigen ohne dieſelbige ſich nothduͤrfftig nicht ausbringen kan/ und die gemeinde auff andere art ihn nicht erhalten will/ ſo findet er ſich dazu aller- dings genoͤthiget/ dieſelbe zu nehmen. 3 Wer aber auch ohne dieſelbe auff ande- re weiſe zu leben weiſt/ und ſich bey ſolchem nehmen einen ſcrupel machet/ oder auffs wenigſte von dem nicht nehmen mehrere erbauung hoffet/ mag mit recht ſie zu nehmen nicht angehalten werden. Wie auch keine kirchenordnungen iemand dazu noͤthigen/ ſondern damit gnug haben/ ſie zu erlauben. Nun ſtehet einem frey/ ſeiner freyheit ſich zugebrauchen oder nicht. 4. Wo ihrer mehrere an ei- nem ort an dem dienſt des HErrn ſtehen/ koͤnnen viele urſachen ſeyn/ die einen/ welcher lieber dieſelbe nicht nehme/ ſie zu nehmen perſvadiren moͤgen/ als nem- lich der collegarum, die ſich durch ſolch exempel beſchaͤmet zu werden ſorgen/ wi- drigkeit/ und daraus beſorgende aͤrgernuͤſſen/ die (wie auch erfahren worden) zu- nehmende menge der beichtkinder/ aus einiger ſolcher abſicht des ſparens/ und erfolgender mißbrauch/ und dergleichen. Alſo das zu weilen die daher entſtehende ungelegenheiten leicht den von dem nicht nehmen hoffenden geiſtlichen nutzen uͤ- bertreffen moͤgen. Daß deßwegen einem/ welcher dergleichen ſeines orts vorſi- het/ zu dieſen unſern verwirrten zeiten/ faſt lieber einrathen wolte/ nach der an- dern exempel auch zu nehmen/ es ſeye dann ſach/ das er ſich durch ein votum ſol- cher freyheit begeben haͤtte/ oder andere ſcrupel des gewiſſens fuͤhlte/ die er nicht zu uͤberwinden vermoͤchte. 5. Wo ſich aber ein Chriſtlicher Prediger ſie zunehmen reſolviret/ ſo wird er gleich wol acht geben/ auf die perſonen/ die ihm vorkom- men/ um die arme und die das wenige geld ſchwehr entrathen/ zu uͤberheben/ in dem die exempel deren/ welche die armen etwa dazu genoͤtiget/ der gantzen ſache die uͤbelſte nachrede gemacht/ daher dergleichen am fleißigſten zumeiden ja billich iſt/ ſolche leute/ von denen man ſorgen muß/ daß ſie aus mangel geldes ihre devo- tion auffſchieben/ wuͤrden voran deſſen/ daß man nichts von ihnen begehre/ zu ver- ſichern.

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/1123>, abgerufen am 24.11.2024.