Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.ARTIC. VI. SECT. XXXII. unbedacht geschehen/ so ist ihm gleichwol rathsamer/ daß er nicht viel wercks da-von mache/ noch gelegenheit gebe/ daß seine schwachheit offenbahrer werde 5. Jedoch ist die sache auch recht zu untersuchen/ ob es eigentlich ein solches aus der beicht schwätzen seye/ oder nicht/ dann was einen beichtvater eigentlich auszu- reden so ernstlich verboten ist/ betrifft daß jenige/ was ihm beichtkinder von ih- ren eigenen sünden zu ihren trost und rath gebeichtet haben/ die er/ also nicht ih- me sondern GOtt gebeichtet/ in unverbrüchlichen secreto behalten muß; und sich zu dero offenbahrung nicht nötigen lassen kan/ vielweniger selbsten damit aus- brechen darff. Es wird aber manchmal von unberichteten leuten alles dieses vor ein ausschwätzen gehalten/ wo sie den Prediger auch in andern sachen etwas anvertrauet/ und selbiges kommet aus/ da dann der Prediger es ausspargiret haben muß oder es sind solche sachen/ welche der Prediger gewissenshalben nicht gantz verhälen dörffe/ oder wo auch von den sünden der beichtkinder geredet wird/ sind selbe den beichtvater anderwers her schon bekand gewesen ausser derselben beicht/ oder nachmal durch andern weiter kund worden. Jn allen diesen stü- cken kan zuweilen der Prediger gantz unschuldig seyn/ oder allein einer unvor- sichtigkeit beschuldiget werden/ da er nicht so wol wider das sigillum confessio- ris (welches eigentlich wie gemeldet allein die eigene begangene und gebeichtete sunden angehet) als wider das freundliche vertrauer/ so unter leuten und Chri- sten sein solle/ gesündiget: wie wol ich auch nicht läugne/ daß es bey einen Pre- diger so viel schwehrer gefehlet ist/ als der in andern stücken/ also auch in ver- schwiegenheit/ ausser den sigillo confessionis, andern mit guten exempel vor- leuchten soll; sonderlich weil man in allem etwa gegen denselben aus solchen vertrauen freyer herauß zu gehn pfleget. 6. lände sich nun bey solchen beicht- vater auch in d[ie]ser sache einiger fehler/ wolte ihm rathen/ daß er die beichtkinder willi[g] dimittire/ denen er das vertrauen gegen sich/ ob er wo[l] sein amt nicht unmit- telbar verletzet/ oder das sigillum gebrochen hat/ auffs wenigne sehr berommen hat 7. Wo aber er allerdings unschuldig befunden wird/ so erzeiget sich bey den beichtkindern entweder ein frevel und boßhelt gegen ihn/ daraus sie derglei- chen von ihm ausgegeben/ und ihn zu beschimpffen gesucht haben/ welcher eine a[nsehn]liche anordung/ auch nach befinden vor der gantzen gemeinde/ verdienere/ oder es ist ein mißverstand und haben sich solche leute irrige concept von der sache gemachet. Wo dieses letztere ist/ weil sie gleichwol mit solchem ungegründeten argwohn wider die liebe und vertrauen/ auch ehrerbietung so sie den pfarrherrn schuldig wären gehandelt/ ist ihnen von beyden Predigern erstlich deswegen zu zusprechen/ und ihr unrecht ihnen vorzuhalten: So worte auch den ersten beicht- vater die macht und wahl geben/ ob er sie noch ferner hehalten (als die sich der freybeit durch ihre schuld verlustig gemacht) oder da sie sich seines dienstes selbs unwürdig gemachet/ den andern übergeben wolte/ der sie nicht anderst als auf demü- q q 3
ARTIC. VI. SECT. XXXII. unbedacht geſchehen/ ſo iſt ihm gleichwol rathſamer/ daß er nicht viel wercks da-von mache/ noch gelegenheit gebe/ daß ſeine ſchwachheit offenbahrer werde 5. Jedoch iſt die ſache auch recht zu unterſuchen/ ob es eigentlich ein ſolches aus der beicht ſchwaͤtzen ſeye/ oder nicht/ dann was einen beichtvater eigentlich auszu- reden ſo ernſtlich verboten iſt/ betrifft daß jenige/ was ihm beichtkinder von ih- ren eigenen ſuͤnden zu ihren troſt und rath gebeichtet haben/ die er/ alſo nicht ih- me ſondern GOtt gebeichtet/ in unverbruͤchlichen ſecreto behalten muß; und ſich zu dero offenbahrung nicht noͤtigen laſſen kan/ vielweniger ſelbſten damit aus- brechen darff. Es wird aber manchmal von unberichteten leuten alles dieſes vor ein ausſchwaͤtzen gehalten/ wo ſie den Prediger auch in andern ſachen etwas anvertrauet/ und ſelbiges kommet aus/ da dann der Prediger es ausſpargiret haben muß oder es ſind ſolche ſachen/ welche der Prediger gewiſſenshalben nicht gantz verhaͤlen doͤrffe/ oder wo auch von den ſuͤnden der beichtkinder geredet wird/ ſind ſelbe den beichtvater anderwers her ſchon bekand geweſen auſſer derſelben beicht/ oder nachmal durch andern weiter kund worden. Jn allen dieſen ſtuͤ- cken kan zuweilen der Prediger gantz unſchuldig ſeyn/ oder allein einer unvor- ſichtigkeit beſchuldiget werden/ da er nicht ſo wol wider das ſigillum confeſſio- ris (welches eigentlich wie gemeldet allein die eigene begangene und gebeichtete ſunden angehet) als wider das freundliche vertrauer/ ſo unter leuten und Chri- ſten ſein ſolle/ geſuͤndiget: wie wol ich auch nicht laͤugne/ daß es bey einen Pre- diger ſo viel ſchwehrer gefehlet iſt/ als der in andern ſtuͤcken/ alſo auch in ver- ſchwiegenheit/ auſſer den ſigillo confesſionis, andern mit guten exempel vor- leuchten ſoll; ſonderlich weil man in allem etwa gegen denſelben aus ſolchen vertrauen freyer herauß zu gehn pfleget. 6. laͤnde ſich nun bey ſolchen beicht- vater auch in d[ie]ſer ſache einiger fehler/ wolte ihm rathen/ daß er die beichtkinder willi[g] dimittire/ denen er das vertrauen gegen ſich/ ob er wo[l] ſein amt nicht unmit- telbar verletzet/ oder das ſigillum gebrochen hat/ auffs wenigne ſehr berommen hat 7. Wo aber er allerdings unſchuldig befunden wird/ ſo erzeiget ſich bey den beichtkindern entweder ein frevel und boßhelt gegen ihn/ daraus ſie derglei- chen von ihm ausgegeben/ und ihn zu beſchimpffen geſucht haben/ welcher eine a[nſehn]liche anordung/ auch nach befinden vor der gantzen gemeinde/ verdienere/ oder es iſt ein mißverſtand und haben ſich ſolche leute irrige concept von der ſache gemachet. Wo dieſes letztere iſt/ weil ſie gleichwol mit ſolchem ungegruͤndeten argwohn wider die liebe und vertrauen/ auch ehrerbietung ſo ſie den pfarrherrn ſchuldig waͤren gehandelt/ iſt ihnen von beyden Predigern erſtlich deswegen zu zuſprechen/ und ihr unrecht ihnen vorzuhalten: So worte auch den erſten beicht- vater die macht und wahl geben/ ob er ſie noch ferner hehalten (als die ſich der freybeit durch ihre ſchuld verluſtig gemacht) oder da ſie ſich ſeines dienſtes ſelbs unwuͤrdig gemachet/ den andern uͤbergeben wolte/ der ſie nicht anderſt als auf demuͤ- q q 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f1109" n="309"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">ARTIC. VI. SECT. XXXII.</hi></hi></fw><lb/> unbedacht geſchehen/ ſo iſt ihm gleichwol rathſamer/ daß er nicht viel wercks da-<lb/> von mache/ noch gelegenheit gebe/ daß ſeine ſchwachheit offenbahrer werde 5.<lb/> Jedoch iſt die ſache auch recht zu unterſuchen/ ob es eigentlich ein ſolches aus der<lb/> beicht ſchwaͤtzen ſeye/ oder nicht/ dann was einen beichtvater eigentlich auszu-<lb/> reden ſo ernſtlich verboten iſt/ betrifft daß jenige/ was ihm beichtkinder von ih-<lb/> ren eigenen ſuͤnden zu ihren troſt und rath gebeichtet haben/ die er/ alſo nicht ih-<lb/> me ſondern GOtt gebeichtet/ in unverbruͤchlichen <hi rendition="#aq">ſecreto</hi> behalten muß; und ſich<lb/> zu dero offenbahrung nicht noͤtigen laſſen kan/ vielweniger ſelbſten damit aus-<lb/> brechen darff. Es wird aber manchmal von unberichteten leuten alles dieſes<lb/> vor ein ausſchwaͤtzen gehalten/ wo ſie den Prediger auch in andern ſachen etwas<lb/> anvertrauet/ und ſelbiges kommet aus/ da dann der Prediger es aus<hi rendition="#aq">ſpargir</hi>et<lb/> haben muß oder es ſind ſolche ſachen/ welche der Prediger gewiſſenshalben nicht<lb/> gantz verhaͤlen doͤrffe/ oder wo auch von den ſuͤnden der beichtkinder geredet wird/<lb/> ſind ſelbe den beichtvater anderwers her ſchon bekand geweſen auſſer derſelben<lb/> beicht/ oder nachmal durch andern weiter kund worden. Jn allen dieſen ſtuͤ-<lb/> cken kan zuweilen der Prediger gantz unſchuldig ſeyn/ oder allein einer unvor-<lb/> ſichtigkeit beſchuldiget werden/ da er nicht ſo wol wider das <hi rendition="#aq">ſigillum confeſſio-<lb/> ris</hi> (welches eigentlich wie gemeldet allein die eigene begangene und gebeichtete<lb/> ſunden angehet) als wider das freundliche vertrauer/ ſo unter leuten und Chri-<lb/> ſten ſein ſolle/ geſuͤndiget: wie wol ich auch nicht laͤugne/ daß es bey einen Pre-<lb/> diger ſo viel ſchwehrer gefehlet iſt/ als der in andern ſtuͤcken/ alſo auch in ver-<lb/> ſchwiegenheit/ auſſer den <hi rendition="#aq">ſigillo confesſionis,</hi> andern mit guten exempel vor-<lb/> leuchten ſoll; ſonderlich weil man in allem etwa gegen denſelben aus ſolchen<lb/> vertrauen freyer herauß zu gehn pfleget. 6. laͤnde ſich nun bey ſolchen beicht-<lb/> vater auch in d<supplied>ie</supplied>ſer ſache einiger fehler/ wolte ihm rathen/ daß er die beichtkinder<lb/> willi<supplied>g</supplied> <hi rendition="#aq">dimitti</hi>re/ denen er das vertrauen gegen ſich/ ob er wo<supplied>l</supplied> ſein amt nicht unmit-<lb/> telbar verletzet/ oder das <hi rendition="#aq">ſigillum</hi> gebrochen hat/ auffs wenigne ſehr berommen<lb/> hat 7. Wo aber er allerdings unſchuldig befunden wird/ ſo erzeiget ſich bey<lb/> den beichtkindern entweder ein frevel und boßhelt gegen ihn/ daraus ſie derglei-<lb/> chen von ihm ausgegeben/ und ihn zu beſchimpffen geſucht haben/ welcher eine<lb/> a<supplied>nſehn</supplied>liche anordung/ auch nach befinden vor der gantzen gemeinde/ verdienere/<lb/> oder es iſt ein mißverſtand und haben ſich ſolche leute irrige <hi rendition="#aq">concept</hi> von der ſache<lb/> gemachet. Wo dieſes letztere iſt/ weil ſie gleichwol mit ſolchem ungegruͤndeten<lb/> argwohn wider die liebe und vertrauen/ auch ehrerbietung ſo ſie den pfarrherrn<lb/> ſchuldig waͤren gehandelt/ iſt ihnen von beyden Predigern erſtlich deswegen zu<lb/> zuſprechen/ und ihr unrecht ihnen vorzuhalten: So worte auch den erſten beicht-<lb/> vater die macht und wahl geben/ ob er ſie noch ferner hehalten (als die ſich der<lb/> freybeit durch ihre ſchuld verluſtig gemacht) oder da ſie ſich ſeines dienſtes ſelbs<lb/> unwuͤrdig gemachet/ den andern uͤbergeben wolte/ der ſie nicht anderſt als auf<lb/> <fw place="bottom" type="sig">q q 3</fw><fw place="bottom" type="catch">demuͤ-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [309/1109]
ARTIC. VI. SECT. XXXII.
unbedacht geſchehen/ ſo iſt ihm gleichwol rathſamer/ daß er nicht viel wercks da-
von mache/ noch gelegenheit gebe/ daß ſeine ſchwachheit offenbahrer werde 5.
Jedoch iſt die ſache auch recht zu unterſuchen/ ob es eigentlich ein ſolches aus der
beicht ſchwaͤtzen ſeye/ oder nicht/ dann was einen beichtvater eigentlich auszu-
reden ſo ernſtlich verboten iſt/ betrifft daß jenige/ was ihm beichtkinder von ih-
ren eigenen ſuͤnden zu ihren troſt und rath gebeichtet haben/ die er/ alſo nicht ih-
me ſondern GOtt gebeichtet/ in unverbruͤchlichen ſecreto behalten muß; und ſich
zu dero offenbahrung nicht noͤtigen laſſen kan/ vielweniger ſelbſten damit aus-
brechen darff. Es wird aber manchmal von unberichteten leuten alles dieſes
vor ein ausſchwaͤtzen gehalten/ wo ſie den Prediger auch in andern ſachen etwas
anvertrauet/ und ſelbiges kommet aus/ da dann der Prediger es ausſpargiret
haben muß oder es ſind ſolche ſachen/ welche der Prediger gewiſſenshalben nicht
gantz verhaͤlen doͤrffe/ oder wo auch von den ſuͤnden der beichtkinder geredet wird/
ſind ſelbe den beichtvater anderwers her ſchon bekand geweſen auſſer derſelben
beicht/ oder nachmal durch andern weiter kund worden. Jn allen dieſen ſtuͤ-
cken kan zuweilen der Prediger gantz unſchuldig ſeyn/ oder allein einer unvor-
ſichtigkeit beſchuldiget werden/ da er nicht ſo wol wider das ſigillum confeſſio-
ris (welches eigentlich wie gemeldet allein die eigene begangene und gebeichtete
ſunden angehet) als wider das freundliche vertrauer/ ſo unter leuten und Chri-
ſten ſein ſolle/ geſuͤndiget: wie wol ich auch nicht laͤugne/ daß es bey einen Pre-
diger ſo viel ſchwehrer gefehlet iſt/ als der in andern ſtuͤcken/ alſo auch in ver-
ſchwiegenheit/ auſſer den ſigillo confesſionis, andern mit guten exempel vor-
leuchten ſoll; ſonderlich weil man in allem etwa gegen denſelben aus ſolchen
vertrauen freyer herauß zu gehn pfleget. 6. laͤnde ſich nun bey ſolchen beicht-
vater auch in dieſer ſache einiger fehler/ wolte ihm rathen/ daß er die beichtkinder
willig dimittire/ denen er das vertrauen gegen ſich/ ob er wol ſein amt nicht unmit-
telbar verletzet/ oder das ſigillum gebrochen hat/ auffs wenigne ſehr berommen
hat 7. Wo aber er allerdings unſchuldig befunden wird/ ſo erzeiget ſich bey
den beichtkindern entweder ein frevel und boßhelt gegen ihn/ daraus ſie derglei-
chen von ihm ausgegeben/ und ihn zu beſchimpffen geſucht haben/ welcher eine
anſehnliche anordung/ auch nach befinden vor der gantzen gemeinde/ verdienere/
oder es iſt ein mißverſtand und haben ſich ſolche leute irrige concept von der ſache
gemachet. Wo dieſes letztere iſt/ weil ſie gleichwol mit ſolchem ungegruͤndeten
argwohn wider die liebe und vertrauen/ auch ehrerbietung ſo ſie den pfarrherrn
ſchuldig waͤren gehandelt/ iſt ihnen von beyden Predigern erſtlich deswegen zu
zuſprechen/ und ihr unrecht ihnen vorzuhalten: So worte auch den erſten beicht-
vater die macht und wahl geben/ ob er ſie noch ferner hehalten (als die ſich der
freybeit durch ihre ſchuld verluſtig gemacht) oder da ſie ſich ſeines dienſtes ſelbs
unwuͤrdig gemachet/ den andern uͤbergeben wolte/ der ſie nicht anderſt als auf
demuͤ-
q q 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/1109 |
Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/1109>, abgerufen am 16.02.2025. |