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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
heit insgemein zu viel praejudiciret zu werden schiene: Es wäre denn sache/
daß der proceß so gar grob/ und eine offenbahre boßheit wäre/ daß ein sol-
cher allerdings von seiner stelle removiret zu werden meritirte/ und ihm also
nicht so wohl auff instantz des sich vor beleidigt angebenden/ als aus gerech-
tem eiffer der übrigen assessorum solche straffe zuerkant würde. So lange
aber einer noch in dem übrigen seiner stelle würdig gehalten/ und also davon
nicht verstossen wird/ mag er mit recht von den deliberationibus über das ge-
schäfft/ darüber er einmahl zu mißfallen und nachtheil des andern Collegae
gesprochen/ allein deßwegen nicht ausgeschlossen/ oder vor partheyisch decla-
ri
rt werden. 5. Es seye denn/ daß der laedirte andere und vor dem richter gültige
erweisthum seiner partheylichkeit darbringen könte/ so er aber billich/ ehe die
materie vorgekommen/ thun/ und ihn also/ ehe er zum votiren gekommen/ ausge-
schlossen zu werden/ mit gnugsamer ursachen anführung ansuchen sollen: dahin-
gegen/ wo er ihn zu dem votiren gelassen/ oder hat lassen müssen/ die sonst nicht
erwiesene partheyligkeit daraus nicht genug erwiesen wird/ daß dieser ihm
mit seinem voto hart gefallen wäre. Hingegen 6. solte es etwas verdächtig
seyn/ wo einer/ welcher eines scandali bezüchtiget wird/ mit ernst darauff
bestehen wolte/ denjenigen bey seiner verantwortung und erklährung nicht
zu leiden/ der seine meinung wider ihn gegeben hätte. Da vielmehr wer sich
seiner unschuld und guter sache wohl bewust ist/ wol leiden mag/ daß auch die
ungezweiffelte feinde seine verantwortung und erklährung hören mögen/ als
der derselben keinen scheu tragen muß/ daß sie von leuten untersucht werde/
die eben nichts mit willen durchstreichen lassen/ was nicht wohl gegrün-
det ist.

II.
Ob nicht ein jedweder prediger/ wenn ihm ein sünder vorkommt/
den er vermeint schwehrlich und ärgerlich gesündiget zuha-
ben/ der auch seine sünde nicht will erkennen/ vermag
a sacra
coena
zu suspendiren/ biß das Consistorium von der sache
geurtheilet hat?
Bey

Das andere Capitel.
heit insgemein zu viel præjudiciret zu werden ſchiene: Es waͤre denn ſache/
daß der proceß ſo gar grob/ und eine offenbahre boßheit waͤre/ daß ein ſol-
cher allerdings von ſeiner ſtelle removiret zu werden meritirte/ und ihm alſo
nicht ſo wohl auff inſtantz des ſich vor beleidigt angebenden/ als aus gerech-
tem eiffer der uͤbrigen aſſeſſorum ſolche ſtraffe zuerkant wuͤrde. So lange
aber einer noch in dem uͤbrigen ſeiner ſtelle wuͤrdig gehalten/ und alſo davon
nicht verſtoſſen wird/ mag er mit recht von den deliberationibus uͤber das ge-
ſchaͤfft/ daruͤber er einmahl zu mißfallen und nachtheil des andern Collegæ
geſprochen/ allein deßwegen nicht ausgeſchloſſen/ oder vor partheyiſch decla-
ri
rt werden. 5. Es ſeye deñ/ daß der lædirte andere und vor dem richter guͤltige
erweisthum ſeiner partheylichkeit darbringen koͤnte/ ſo er aber billich/ ehe die
materie vorgekom̃en/ thun/ und ihn alſo/ ehe er zum votiren gekommen/ ausge-
ſchloſſen zu werden/ mit gnugſamer urſachẽ anfuͤhrung anſuchen ſollen: dahin-
gegen/ wo er ihn zu dem votiren gelaſſen/ oder hat laſſen muͤſſen/ die ſonſt nicht
erwieſene partheyligkeit daraus nicht genug erwieſen wird/ daß dieſer ihm
mit ſeinem voto hart gefallen waͤre. Hingegen 6. ſolte es etwas verdaͤchtig
ſeyn/ wo einer/ welcher eines ſcandali bezuͤchtiget wird/ mit ernſt darauff
beſtehen wolte/ denjenigen bey ſeiner verantwortung und erklaͤhrung nicht
zu leiden/ der ſeine meinung wider ihn gegeben haͤtte. Da vielmehr wer ſich
ſeiner unſchuld und guter ſache wohl bewuſt iſt/ wol leiden mag/ daß auch die
ungezweiffelte feinde ſeine verantwortung und erklaͤhrung hoͤren moͤgen/ als
der derſelben keinen ſcheu tragen muß/ daß ſie von leuten unterſucht werde/
die eben nichts mit willen durchſtreichen laſſen/ was nicht wohl gegruͤn-
det iſt.

II.
Ob nicht ein jedweder prediger/ wenn ihm ein ſuͤnder vorkommt/
den er vermeint ſchwehrlich und aͤrgerlich geſuͤndiget zuha-
ben/ der auch ſeine ſuͤnde nicht will erkennen/ vermag
a ſacra
cœna
zu ſuſpendiren/ biß das Conſiſtorium von der ſache
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Bey
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[296/1096] Das andere Capitel. heit insgemein zu viel præjudiciret zu werden ſchiene: Es waͤre denn ſache/ daß der proceß ſo gar grob/ und eine offenbahre boßheit waͤre/ daß ein ſol- cher allerdings von ſeiner ſtelle removiret zu werden meritirte/ und ihm alſo nicht ſo wohl auff inſtantz des ſich vor beleidigt angebenden/ als aus gerech- tem eiffer der uͤbrigen aſſeſſorum ſolche ſtraffe zuerkant wuͤrde. So lange aber einer noch in dem uͤbrigen ſeiner ſtelle wuͤrdig gehalten/ und alſo davon nicht verſtoſſen wird/ mag er mit recht von den deliberationibus uͤber das ge- ſchaͤfft/ daruͤber er einmahl zu mißfallen und nachtheil des andern Collegæ geſprochen/ allein deßwegen nicht ausgeſchloſſen/ oder vor partheyiſch decla- rirt werden. 5. Es ſeye deñ/ daß der lædirte andere und vor dem richter guͤltige erweisthum ſeiner partheylichkeit darbringen koͤnte/ ſo er aber billich/ ehe die materie vorgekom̃en/ thun/ und ihn alſo/ ehe er zum votiren gekommen/ ausge- ſchloſſen zu werden/ mit gnugſamer urſachẽ anfuͤhrung anſuchen ſollen: dahin- gegen/ wo er ihn zu dem votiren gelaſſen/ oder hat laſſen muͤſſen/ die ſonſt nicht erwieſene partheyligkeit daraus nicht genug erwieſen wird/ daß dieſer ihm mit ſeinem voto hart gefallen waͤre. Hingegen 6. ſolte es etwas verdaͤchtig ſeyn/ wo einer/ welcher eines ſcandali bezuͤchtiget wird/ mit ernſt darauff beſtehen wolte/ denjenigen bey ſeiner verantwortung und erklaͤhrung nicht zu leiden/ der ſeine meinung wider ihn gegeben haͤtte. Da vielmehr wer ſich ſeiner unſchuld und guter ſache wohl bewuſt iſt/ wol leiden mag/ daß auch die ungezweiffelte feinde ſeine verantwortung und erklaͤhrung hoͤren moͤgen/ als der derſelben keinen ſcheu tragen muß/ daß ſie von leuten unterſucht werde/ die eben nichts mit willen durchſtreichen laſſen/ was nicht wohl gegruͤn- det iſt. II. Ob nicht ein jedweder prediger/ wenn ihm ein ſuͤnder vorkommt/ den er vermeint ſchwehrlich und aͤrgerlich geſuͤndiget zuha- ben/ der auch ſeine ſuͤnde nicht will erkennen/ vermag a ſacra cœna zu ſuſpendiren/ biß das Conſiſtorium von der ſache geurtheilet hat? Bey

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/1096>, abgerufen am 24.11.2024.