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[Spalding, Johann Joachim]: Betrachtung über die Bestimmung des Menschen. 3. Aufl. Berlin, 1749.

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Quid sumus? et quidnam victuri gignimur?
PERSIVS.

Jch sehe, daß ich die kurze Zeit, die ich auf der
Welt zu leben habe, nach ganz verschiede-
nen Grundregeln zubringen kann, deren
Wehrt und Folgen daher auch unmöglich
einerley seyn können. Da ich nun unläug-
bar eine Fähigkeit zu wählen, und in meinen Entschliessungen
eines dem andern vorzuziehen an mir finde, so muß ich auch
hiebey nicht blindlings zufahren, sondern vorher nach meinem
beßten Vermögen auszumachen suchen, welcher Weg der
sicherste, anständigste und vortheilhafteste sey. Manche Er-
fahrungen haben mich schon in Dingen von geringerer Wich-
tigkeit gelehret, daß die quälende Empfindung der Reue nach
vollbrachten Handlungen nicht in meiner Gewalt ist; desto
mehr würde ich mir hernach vorzuwerfen haben, wenn ich nicht
die ernsthafteste Ueberlegung auf dasjenige gerichtet hätte,
worauf mein eigentlicher Wehrt und die ganze Verfassung
meines Lebens ankömmt. Es ist doch einmal der Mühe
wehrt, zu wissen, warum ich da bin, und was ich vernünfti-
ger Weise seyn soll.

Die
A 2


Quid ſumus? et quidnam victuri gignimur?
PERSIVS.

Jch ſehe, daß ich die kurze Zeit, die ich auf der
Welt zu leben habe, nach ganz verſchiede-
nen Grundregeln zubringen kann, deren
Wehrt und Folgen daher auch unmoͤglich
einerley ſeyn koͤnnen. Da ich nun unlaͤug-
bar eine Faͤhigkeit zu waͤhlen, und in meinen Entſchlieſſungen
eines dem andern vorzuziehen an mir finde, ſo muß ich auch
hiebey nicht blindlings zufahren, ſondern vorher nach meinem
beßten Vermoͤgen auszumachen ſuchen, welcher Weg der
ſicherſte, anſtaͤndigſte und vortheilhafteſte ſey. Manche Er-
fahrungen haben mich ſchon in Dingen von geringerer Wich-
tigkeit gelehret, daß die quaͤlende Empfindung der Reue nach
vollbrachten Handlungen nicht in meiner Gewalt iſt; deſto
mehr wuͤrde ich mir hernach vorzuwerfen haben, wenn ich nicht
die ernſthafteſte Ueberlegung auf dasjenige gerichtet haͤtte,
worauf mein eigentlicher Wehrt und die ganze Verfaſſung
meines Lebens ankoͤmmt. Es iſt doch einmal der Muͤhe
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ger Weiſe ſeyn ſoll.

Die
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[[3]/0013] Quid ſumus? et quidnam victuri gignimur? PERSIVS. Jch ſehe, daß ich die kurze Zeit, die ich auf der Welt zu leben habe, nach ganz verſchiede- nen Grundregeln zubringen kann, deren Wehrt und Folgen daher auch unmoͤglich einerley ſeyn koͤnnen. Da ich nun unlaͤug- bar eine Faͤhigkeit zu waͤhlen, und in meinen Entſchlieſſungen eines dem andern vorzuziehen an mir finde, ſo muß ich auch hiebey nicht blindlings zufahren, ſondern vorher nach meinem beßten Vermoͤgen auszumachen ſuchen, welcher Weg der ſicherſte, anſtaͤndigſte und vortheilhafteſte ſey. Manche Er- fahrungen haben mich ſchon in Dingen von geringerer Wich- tigkeit gelehret, daß die quaͤlende Empfindung der Reue nach vollbrachten Handlungen nicht in meiner Gewalt iſt; deſto mehr wuͤrde ich mir hernach vorzuwerfen haben, wenn ich nicht die ernſthafteſte Ueberlegung auf dasjenige gerichtet haͤtte, worauf mein eigentlicher Wehrt und die ganze Verfaſſung meines Lebens ankoͤmmt. Es iſt doch einmal der Muͤhe wehrt, zu wiſſen, warum ich da bin, und was ich vernuͤnfti- ger Weiſe ſeyn ſoll. Die A 2

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Zitationshilfe: [Spalding, Johann Joachim]: Betrachtung über die Bestimmung des Menschen. 3. Aufl. Berlin, 1749, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spalding_bestimmung_1749/13>, abgerufen am 21.11.2024.