der nach richtigen philosophischen Grundsä- zen nichts Schrekliches haben kann; wenn wir also der Phantasie des Sterbenden einen rosenfarbnen Spiel-Raum öffneten, statt sie auf die Folter zu spannen.
Alle unsre Versinnligungen des Todes, alle unsre Trauer- und Begräbnis-Anstalten sind also zwekwidrig. Man bestreue die Hül- le des entflohnen Geistes mit Blumen, man vertraue sie, wenn sie ja langsam verwesen muß dem mütterlichen Schooße der Erde, man pflanze Rosen auf den Hügel, der sie bedekt, man begleite sie mit dem stillen Gesange der Wehmuth und Sehnsucht, aber man wand- le alles in freundliche Bilder. Der Kirch- Hof werde, wie bei den Völkern des Orients, wie bei der harmlosen Sekte der Herrnhuter, ein Garten, ein öffentlicher Ort des Ver-
der nach richtigen philoſophiſchen Grundſaͤ- zen nichts Schrekliches haben kann; wenn wir alſo der Phantaſie des Sterbenden einen roſenfarbnen Spiel-Raum oͤffneten, ſtatt ſie auf die Folter zu ſpannen.
Alle unſre Verſinnligungen des Todes, alle unſre Trauer- und Begraͤbnis-Anſtalten ſind alſo zwekwidrig. Man beſtreue die Huͤl- le des entflohnen Geiſtes mit Blumen, man vertraue ſie, wenn ſie ja langſam verweſen muß dem muͤtterlichen Schooße der Erde, man pflanze Roſen auf den Huͤgel, der ſie bedekt, man begleite ſie mit dem ſtillen Geſange der Wehmuth und Sehnſucht, aber man wand- le alles in freundliche Bilder. Der Kirch- Hof werde, wie bei den Voͤlkern des Orients, wie bei der harmloſen Sekte der Herrnhuter, ein Garten, ein oͤffentlicher Ort des Ver-
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der nach richtigen philoſophiſchen Grundſaͤ-
zen nichts Schrekliches haben kann; wenn
wir alſo der Phantaſie des Sterbenden einen
roſenfarbnen Spiel-Raum oͤffneten, ſtatt ſie
auf die Folter zu ſpannen.
Alle unſre Verſinnligungen des Todes,
alle unſre Trauer- und Begraͤbnis-Anſtalten
ſind alſo zwekwidrig. Man beſtreue die Huͤl-
le des entflohnen Geiſtes mit Blumen, man
vertraue ſie, wenn ſie ja langſam verweſen muß
dem muͤtterlichen Schooße der Erde, man
pflanze Roſen auf den Huͤgel, der ſie bedekt,
man begleite ſie mit dem ſtillen Geſange der
Wehmuth und Sehnſucht, aber man wand-
le alles in freundliche Bilder. Der Kirch-
Hof werde, wie bei den Voͤlkern des Orients,
wie bei der harmloſen Sekte der Herrnhuter,
ein Garten, ein oͤffentlicher Ort des Ver-
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Soden, Julius von: Alethia. Leipzig, 1796, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/soden_alethia_1796/249>, abgerufen am 16.02.2025.
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