Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Soden, Julius von: Alethia. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Römern gewähren, den Aschen-Krug, in
seiner edlen und schönen Form, auf ihre Tische,
vor ihr Lager zu stellen, der die geliebte Hül-
le alles dessen umschloß, was ihm einst theuer
war?

Kann der Mensch ohne Lächeln, ohne
Schaam sich von dem kindischen Gefühle Rech-
enschaft geben, mit dem er die Dauer sei-
nes irdischen
Daseyns auch in der leblo-
sen Leiche zu verlängern strebt, den Zeit-
Raum dieser Dauer ängstlich mißt und berech-
net und Glük in der Jdee findet, nach Jah-
ren, Jahrhunderten -- immer nur Momente
in der Urne der Ewigkeit -- diese Gebeine
noch unversehrt zu wissen?

Und ist überhaupt Sinn darin, der
Menschheit den Uebergang aus Einer Existenz

Roͤmern gewaͤhren, den Aſchen-Krug, in
ſeiner edlen und ſchoͤnen Form, auf ihre Tiſche,
vor ihr Lager zu ſtellen, der die geliebte Huͤl-
le alles deſſen umſchloß, was ihm einſt theuer
war?

Kann der Menſch ohne Laͤcheln, ohne
Schaam ſich von dem kindiſchen Gefuͤhle Rech-
enſchaft geben, mit dem er die Dauer ſei-
nes irdiſchen
Daſeyns auch in der leblo-
ſen Leiche zu verlaͤngern ſtrebt, den Zeit-
Raum dieſer Dauer aͤngſtlich mißt und berech-
net und Gluͤk in der Jdee findet, nach Jah-
ren, Jahrhunderten — immer nur Momente
in der Urne der Ewigkeit — dieſe Gebeine
noch unverſehrt zu wiſſen?

Und iſt uͤberhaupt Sinn darin, der
Menſchheit den Uebergang aus Einer Exiſtenz

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0247" n="235"/>
Ro&#x0364;mern gewa&#x0364;hren, den A&#x017F;chen-Krug, in<lb/>
&#x017F;einer edlen und &#x017F;cho&#x0364;nen Form, auf ihre Ti&#x017F;che,<lb/>
vor ihr Lager zu &#x017F;tellen, der die geliebte Hu&#x0364;l-<lb/>
le alles de&#x017F;&#x017F;en um&#x017F;chloß, was ihm ein&#x017F;t theuer<lb/>
war?</p><lb/>
        <p>Kann der Men&#x017F;ch ohne La&#x0364;cheln, ohne<lb/>
Schaam &#x017F;ich von dem kindi&#x017F;chen Gefu&#x0364;hle Rech-<lb/>
en&#x017F;chaft geben, mit dem er <hi rendition="#g">die Dauer &#x017F;ei-<lb/>
nes irdi&#x017F;chen</hi> Da&#x017F;eyns auch in der leblo-<lb/>
&#x017F;en Leiche zu verla&#x0364;ngern &#x017F;trebt, den Zeit-<lb/>
Raum die&#x017F;er Dauer a&#x0364;ng&#x017F;tlich mißt und berech-<lb/>
net und Glu&#x0364;k in der Jdee findet, nach Jah-<lb/>
ren, Jahrhunderten &#x2014; immer nur Momente<lb/>
in der Urne der Ewigkeit &#x2014; die&#x017F;e Gebeine<lb/>
noch unver&#x017F;ehrt zu wi&#x017F;&#x017F;en?</p><lb/>
        <p>Und i&#x017F;t u&#x0364;berhaupt Sinn <hi rendition="#g">darin,</hi> der<lb/>
Men&#x017F;chheit den Uebergang aus Einer Exi&#x017F;tenz<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[235/0247] Roͤmern gewaͤhren, den Aſchen-Krug, in ſeiner edlen und ſchoͤnen Form, auf ihre Tiſche, vor ihr Lager zu ſtellen, der die geliebte Huͤl- le alles deſſen umſchloß, was ihm einſt theuer war? Kann der Menſch ohne Laͤcheln, ohne Schaam ſich von dem kindiſchen Gefuͤhle Rech- enſchaft geben, mit dem er die Dauer ſei- nes irdiſchen Daſeyns auch in der leblo- ſen Leiche zu verlaͤngern ſtrebt, den Zeit- Raum dieſer Dauer aͤngſtlich mißt und berech- net und Gluͤk in der Jdee findet, nach Jah- ren, Jahrhunderten — immer nur Momente in der Urne der Ewigkeit — dieſe Gebeine noch unverſehrt zu wiſſen? Und iſt uͤberhaupt Sinn darin, der Menſchheit den Uebergang aus Einer Exiſtenz

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/soden_alethia_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/soden_alethia_1796/247
Zitationshilfe: Soden, Julius von: Alethia. Leipzig, 1796, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/soden_alethia_1796/247>, abgerufen am 24.11.2024.