Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Soden, Julius von: Alethia. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite


Pierrot seyn, dessen ganze Spaßmacherei
darin besteht, alles zu duzen, ein ganzes
Schwein zu verzehren, und sich von den Hof-
Schranzen Maul-Schellen geben zu lassen.
Der Hof-Narr muß Kopf, Wiz und vis
comica
besizen, und die Weisheit muß ihm,
wie Hamlet -- den Narren machen helfen.
Ein solcher Narr ist aber allerdings ein sehr
wohlthätiges Wesen, und der Hof-Narr,
der jenem Kaiser auf die Frage: Woran er
gerade jezt denke? Die Antwort gab: "Jch
"denke, welcher erbärmliche Mensch du wärst,
"wenn es uns allen zugleich einfiel, dich
"nicht mehr Kaiser zu nennen!" -- hat ihm
vielleicht mehr Kluges gesagt, als alle seine
Räthe.

Das Theater hat die Hof-Narren er-
sezen sollen, aber du lieber Himmel! wo darf


Pierrot ſeyn, deſſen ganze Spaßmacherei
darin beſteht, alles zu duzen, ein ganzes
Schwein zu verzehren, und ſich von den Hof-
Schranzen Maul-Schellen geben zu laſſen.
Der Hof-Narr muß Kopf, Wiz und vis
comica
beſizen, und die Weisheit muß ihm,
wie Hamlet — den Narren machen helfen.
Ein ſolcher Narr iſt aber allerdings ein ſehr
wohlthaͤtiges Weſen, und der Hof-Narr,
der jenem Kaiſer auf die Frage: Woran er
gerade jezt denke? Die Antwort gab: „Jch
„denke, welcher erbaͤrmliche Menſch du waͤrſt,
„wenn es uns allen zugleich einfiel, dich
„nicht mehr Kaiſer zu nennen!“ — hat ihm
vielleicht mehr Kluges geſagt, als alle ſeine
Raͤthe.

Das Theater hat die Hof-Narren er-
ſezen ſollen, aber du lieber Himmel! wo darf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0241" n="229"/><lb/>
Pierrot &#x017F;eyn, de&#x017F;&#x017F;en ganze Spaßmacherei<lb/><hi rendition="#g">darin</hi> be&#x017F;teht, alles zu duzen, ein ganzes<lb/>
Schwein zu verzehren, und &#x017F;ich von den Hof-<lb/>
Schranzen Maul-Schellen geben zu la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Der Hof-Narr muß Kopf, Wiz und <hi rendition="#aq">vis<lb/>
comica</hi> be&#x017F;izen, und die Weisheit muß <hi rendition="#g">ihm</hi>,<lb/>
wie Hamlet &#x2014; den Narren machen helfen.<lb/>
Ein <hi rendition="#g">&#x017F;olcher</hi> Narr i&#x017F;t aber allerdings ein &#x017F;ehr<lb/>
wohltha&#x0364;tiges We&#x017F;en, und der Hof-Narr,<lb/>
der jenem Kai&#x017F;er auf die Frage: Woran er<lb/>
gerade jezt denke? Die Antwort gab: &#x201E;Jch<lb/>
&#x201E;denke, welcher erba&#x0364;rmliche Men&#x017F;ch du wa&#x0364;r&#x017F;t,<lb/>
&#x201E;wenn es <hi rendition="#g">uns</hi> allen <hi rendition="#g">zugleich</hi> einfiel, dich<lb/>
&#x201E;nicht mehr Kai&#x017F;er zu nennen!&#x201C; &#x2014; hat ihm<lb/>
vielleicht mehr Kluges ge&#x017F;agt, als alle &#x017F;eine<lb/>
Ra&#x0364;the.</p><lb/>
        <p>Das Theater hat die Hof-Narren er-<lb/>
&#x017F;ezen &#x017F;ollen, aber du lieber Himmel! wo darf<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[229/0241] Pierrot ſeyn, deſſen ganze Spaßmacherei darin beſteht, alles zu duzen, ein ganzes Schwein zu verzehren, und ſich von den Hof- Schranzen Maul-Schellen geben zu laſſen. Der Hof-Narr muß Kopf, Wiz und vis comica beſizen, und die Weisheit muß ihm, wie Hamlet — den Narren machen helfen. Ein ſolcher Narr iſt aber allerdings ein ſehr wohlthaͤtiges Weſen, und der Hof-Narr, der jenem Kaiſer auf die Frage: Woran er gerade jezt denke? Die Antwort gab: „Jch „denke, welcher erbaͤrmliche Menſch du waͤrſt, „wenn es uns allen zugleich einfiel, dich „nicht mehr Kaiſer zu nennen!“ — hat ihm vielleicht mehr Kluges geſagt, als alle ſeine Raͤthe. Das Theater hat die Hof-Narren er- ſezen ſollen, aber du lieber Himmel! wo darf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/soden_alethia_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/soden_alethia_1796/241
Zitationshilfe: Soden, Julius von: Alethia. Leipzig, 1796, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/soden_alethia_1796/241>, abgerufen am 24.11.2024.