Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Soden, Julius von: Alethia. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite


über nachgedacht, haben zuerst über das nicht
von Vernunft, nur von Gewohnheit gehei-
ligte Vorurtheil sich hinweggeschwungen,
das öffentliche Nachfrage nach einer Gat-
tin verbiethet. Bei ihnen sind zuerst Ehe-
Prokuratoren und öffentliche Heuraths-Ge-
suche erschienen.

Und doch sind die Sitten dort weniger
als irgendwo einer solchen Rükkehr zur Wahr-
heit günstig; nirgendwo ist das Weib mehr
zur Abgeschiedenheit, Stille, und Sittsam-
keit gebannt, nirgend -- die unvermeidliche
Sittenlosigkeit der höheren Stände in einer
monstruösen Hauptstadt nothwendig abge-
rechnet -- die Heiligkeit ehelicher Treue und
weiblicher Ehre größer.

Daher hat denn auch jene Rükkehr
zur Wahrheit wenig ausgebreiteten Einfluß,


uͤber nachgedacht, haben zuerſt uͤber das nicht
von Vernunft, nur von Gewohnheit gehei-
ligte Vorurtheil ſich hinweggeſchwungen,
das oͤffentliche Nachfrage nach einer Gat-
tin verbiethet. Bei ihnen ſind zuerſt Ehe-
Prokuratoren und oͤffentliche Heuraths-Ge-
ſuche erſchienen.

Und doch ſind die Sitten dort weniger
als irgendwo einer ſolchen Ruͤkkehr zur Wahr-
heit guͤnſtig; nirgendwo iſt das Weib mehr
zur Abgeſchiedenheit, Stille, und Sittſam-
keit gebannt, nirgend — die unvermeidliche
Sittenloſigkeit der hoͤheren Staͤnde in einer
monſtruoͤſen Hauptſtadt nothwendig abge-
rechnet — die Heiligkeit ehelicher Treue und
weiblicher Ehre groͤßer.

Daher hat denn auch jene Ruͤkkehr
zur Wahrheit wenig ausgebreiteten Einfluß,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0131" n="119"/><lb/>
u&#x0364;ber nachgedacht, haben zuer&#x017F;t u&#x0364;ber das nicht<lb/>
von Vernunft, nur von Gewohnheit gehei-<lb/>
ligte Vorurtheil &#x017F;ich hinwegge&#x017F;chwungen,<lb/><hi rendition="#g">das o&#x0364;ffentliche</hi> Nachfrage nach einer Gat-<lb/>
tin verbiethet. Bei ihnen &#x017F;ind <hi rendition="#g">zuer&#x017F;t</hi> Ehe-<lb/>
Prokuratoren und o&#x0364;ffentliche Heuraths-Ge-<lb/>
&#x017F;uche er&#x017F;chienen.</p><lb/>
        <p>Und doch &#x017F;ind die Sitten dort weniger<lb/>
als irgendwo einer &#x017F;olchen Ru&#x0364;kkehr zur Wahr-<lb/>
heit gu&#x0364;n&#x017F;tig; nirgendwo i&#x017F;t das Weib mehr<lb/>
zur Abge&#x017F;chiedenheit, Stille, und Sitt&#x017F;am-<lb/>
keit gebannt, nirgend &#x2014; die unvermeidliche<lb/>
Sittenlo&#x017F;igkeit der ho&#x0364;heren Sta&#x0364;nde in einer<lb/>
mon&#x017F;truo&#x0364;&#x017F;en Haupt&#x017F;tadt nothwendig abge-<lb/>
rechnet &#x2014; die Heiligkeit ehelicher Treue und<lb/>
weiblicher Ehre gro&#x0364;ßer.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Daher</hi> hat denn auch jene Ru&#x0364;kkehr<lb/>
zur Wahrheit wenig ausgebreiteten Einfluß,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0131] uͤber nachgedacht, haben zuerſt uͤber das nicht von Vernunft, nur von Gewohnheit gehei- ligte Vorurtheil ſich hinweggeſchwungen, das oͤffentliche Nachfrage nach einer Gat- tin verbiethet. Bei ihnen ſind zuerſt Ehe- Prokuratoren und oͤffentliche Heuraths-Ge- ſuche erſchienen. Und doch ſind die Sitten dort weniger als irgendwo einer ſolchen Ruͤkkehr zur Wahr- heit guͤnſtig; nirgendwo iſt das Weib mehr zur Abgeſchiedenheit, Stille, und Sittſam- keit gebannt, nirgend — die unvermeidliche Sittenloſigkeit der hoͤheren Staͤnde in einer monſtruoͤſen Hauptſtadt nothwendig abge- rechnet — die Heiligkeit ehelicher Treue und weiblicher Ehre groͤßer. Daher hat denn auch jene Ruͤkkehr zur Wahrheit wenig ausgebreiteten Einfluß,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/soden_alethia_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/soden_alethia_1796/131
Zitationshilfe: Soden, Julius von: Alethia. Leipzig, 1796, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/soden_alethia_1796/131>, abgerufen am 30.11.2024.