angeben. Aber bei der zahllosen Mannich- faltigkeit der menschlichen Verhältnisse, Ka- raktere und Temperamente, hat in der sub- jektiven Frage: ob der einzelne Fall unter die Vorschrift passe? Jrrthum, Seelen-Schwäche und Leidenschaft einen so ungeheuern Spiel- Raum, daß er die allgemeinen Vorschrif- ten in der ehelichen Verbindung schwerer, sel- tener als irgend anders, würklich und leben- dig werden läßt.
Nur scheint es, der Grund: warum die Ehe -- der Bund zweier Wesen ver- schiedenen Geschlechts zur Liebe, zur wech- selseitigen Beglükung, zur Zusammen- schmelzung ihres Seyns, dessen höchste Blüthe uns dem Götter-Stande so nahe bringt, und, ihrem Geiste nach, bringen soll, -- warum er so selten dem Zweke entspricht, und größ-
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angeben. Aber bei der zahlloſen Mannich- faltigkeit der menſchlichen Verhaͤltniſſe, Ka- raktere und Temperamente, hat in der ſub- jektiven Frage: ob der einzelne Fall unter die Vorſchrift paſſe? Jrrthum, Seelen-Schwaͤche und Leidenſchaft einen ſo ungeheuern Spiel- Raum, daß er die allgemeinen Vorſchrif- ten in der ehelichen Verbindung ſchwerer, ſel- tener als irgend anders, wuͤrklich und leben- dig werden laͤßt.
Nur ſcheint es, der Grund: warum die Ehe — der Bund zweier Weſen ver- ſchiedenen Geſchlechts zur Liebe, zur wech- ſelſeitigen Begluͤkung, zur Zuſammen- ſchmelzung ihres Seyns, deſſen hoͤchſte Bluͤthe uns dem Goͤtter-Stande ſo nahe bringt, und, ihrem Geiſte nach, bringen ſoll, — warum er ſo ſelten dem Zweke entſpricht, und groͤß-
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angeben. Aber bei der zahlloſen Mannich-
faltigkeit der menſchlichen Verhaͤltniſſe, Ka-
raktere und Temperamente, hat in der ſub-
jektiven Frage: ob der einzelne Fall unter die
Vorſchrift paſſe? Jrrthum, Seelen-Schwaͤche
und Leidenſchaft einen ſo ungeheuern Spiel-
Raum, daß er die allgemeinen Vorſchrif-
ten in der ehelichen Verbindung ſchwerer, ſel-
tener als irgend anders, wuͤrklich und leben-
dig werden laͤßt.
Nur ſcheint es, der Grund: warum
die Ehe — der Bund zweier Weſen ver-
ſchiedenen Geſchlechts zur Liebe, zur wech-
ſelſeitigen Begluͤkung, zur Zuſammen-
ſchmelzung ihres Seyns, deſſen hoͤchſte Bluͤthe
uns dem Goͤtter-Stande ſo nahe bringt, und,
ihrem Geiſte nach, bringen ſoll, — warum
er ſo ſelten dem Zweke entſpricht, und groͤß-
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Soden, Julius von: Alethia. Leipzig, 1796, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/soden_alethia_1796/125>, abgerufen am 23.07.2024.
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