Siniscalchi, Liborio: Sacramentalisches Abendmahl. Übers. v. Peter Obladen. Costanz/Ulm, 1752.Betrachtungen men, und verwüstet, führten sie mit sich in eineelende Dienstbarkeit viele Christen, und unter diesen eine Jungfrau von grosser Heiligkeit, mit Nahmen Theotiste. Diese entflohe aus denen Händen der Barbaren, und verschlosse sich in die Insul Paro, so dortmahls gantz öd, und ohnbewohnt ware; also zwar, daß man nur wilde Thier allda sahe. Sie gienge über steile Felsen, Distel und Dorn; Endlichen ka- me sie auf den Gipfel eines Bergs, da sie gantz allein, 30. Jahr lang ein himmlisches Leben ge- führet. Allda nährte Theotiste sich mit Bohnen, so das Wasser aufgeweicht. Ihr Tranck ware Wasser, so aus dem nächsten Brunden entspran- ge; das Ruhe-Bett ein Hauffen Blätter. Da ihr die abgetragene Kleider Stuck-weis vom Leib fielen, mußte sie Sommer und Winter viel ley- den. Sie lebte jedoch wohl getröst, wegen himmlischen Erquickungen, mit denen der HErr ihren Geist in langen Betrachtungen übergos- sen. Eines jedoch betrübte sie sehr; daß sie nemlich das heiligste Sacrament nicht em- pfangen konte; dahero gienge sie offt durch die Wildnussen, und ihre Seuffzer erthöneten in diese Wort: Elende! wie kanst also weit von deinem JEsu leben? Ach! gestatte nicht, o HErr! daß ich sterbe, bevor dich mein Hertz aufgenommen! Ein anders mahl begabe sie sich in eine Mutter-GOttes-Kirch, so ehemahls wegen ihrer Herrlichkeit berühmt ware; aber damahls gantz zerstöhrt aussahe. Sie warffe sich
Betrachtungen men, und verwüſtet, führten ſie mit ſich in eineelende Dienſtbarkeit viele Chriſten, und unter dieſen eine Jungfrau von groſſer Heiligkeit, mit Nahmen Theotiſte. Dieſe entflohe aus denen Händen der Barbaren, und verſchloſſe ſich in die Inſul Paro, ſo dortmahls gantz öd, und ohnbewohnt ware; alſo zwar, daß man nur wilde Thier allda ſahe. Sie gienge über ſteile Felſen, Diſtel und Dorn; Endlichen ka- me ſie auf den Gipfel eines Bergs, da ſie gantz allein, 30. Jahr lang ein himmliſches Leben ge- führet. Allda nährte Theotiſte ſich mit Bohnen, ſo das Waſſer aufgeweicht. Ihr Tranck ware Waſſer, ſo aus dem nächſten Bruñen entſpran- ge; das Ruhe-Bett ein Hauffen Blätter. Da ihr die abgetragene Kleider Stuck-weis vom Leib fielen, mußte ſie Sommer und Winter viel ley- den. Sie lebte jedoch wohl getröſt, wegen himmliſchen Erquickungen, mit denen der HErr ihren Geiſt in langen Betrachtungen übergoſ- ſen. Eines jedoch betrübte ſie ſehr; daß ſie nemlich das heiligſte Sacrament nicht em- pfangen konte; dahero gienge ſie offt durch die Wildnuſſen, und ihre Seuffzer erthöneten in dieſe Wort: Elende! wie kanſt alſo weit von deinem JEſu leben? Ach! geſtatte nicht, o HErr! daß ich ſterbe, bevor dich mein Hertz aufgenommen! Ein anders mahl begabe ſie ſich in eine Mutter-GOttes-Kirch, ſo ehemahls wegen ihrer Herrlichkeit berühmt ware; aber damahls gantz zerſtöhrt ausſahe. Sie warffe ſich
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0099" n="62"/><fw place="top" type="header">Betrachtungen</fw><lb/> men, und verwüſtet, führten ſie mit ſich in eine<lb/> elende Dienſtbarkeit viele Chriſten, und unter<lb/> dieſen eine Jungfrau von groſſer Heiligkeit,<lb/> mit Nahmen <hi rendition="#aq">Theotiſte.</hi> Dieſe entflohe aus<lb/> denen Händen der Barbaren, und verſchloſſe<lb/> ſich in die Inſul <hi rendition="#aq">Paro,</hi> ſo dortmahls gantz öd,<lb/> und ohnbewohnt ware; alſo zwar, daß man<lb/> nur wilde Thier allda ſahe. Sie gienge über<lb/> ſteile Felſen, Diſtel und Dorn; Endlichen ka-<lb/> me ſie auf den Gipfel eines Bergs, da ſie gantz<lb/> allein, 30. Jahr lang ein himmliſches Leben ge-<lb/> führet. Allda nährte <hi rendition="#aq">Theotiſte</hi> ſich mit Bohnen,<lb/> ſo das Waſſer aufgeweicht. Ihr Tranck ware<lb/> Waſſer, ſo aus dem nächſten Bruñen entſpran-<lb/> ge; das Ruhe-Bett ein Hauffen Blätter. Da ihr<lb/> die abgetragene Kleider Stuck-weis vom Leib<lb/> fielen, mußte ſie Sommer und Winter viel ley-<lb/> den. Sie lebte jedoch wohl getröſt, wegen<lb/> himmliſchen Erquickungen, mit denen der HErr<lb/> ihren Geiſt in langen Betrachtungen übergoſ-<lb/> ſen. Eines jedoch betrübte ſie ſehr; daß ſie<lb/> nemlich das heiligſte Sacrament nicht em-<lb/> pfangen konte; dahero gienge ſie offt durch<lb/> die Wildnuſſen, und ihre Seuffzer erthöneten<lb/> in dieſe Wort: Elende! wie kanſt alſo weit von<lb/> deinem JEſu leben? Ach! geſtatte nicht, o<lb/> HErr! daß ich ſterbe, bevor dich mein Hertz<lb/> aufgenommen! Ein anders mahl begabe ſie<lb/> ſich in eine Mutter-GOttes-Kirch, ſo ehemahls<lb/> wegen ihrer Herrlichkeit berühmt ware; aber<lb/> damahls gantz zerſtöhrt ausſahe. Sie warffe<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſich</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [62/0099]
Betrachtungen
men, und verwüſtet, führten ſie mit ſich in eine
elende Dienſtbarkeit viele Chriſten, und unter
dieſen eine Jungfrau von groſſer Heiligkeit,
mit Nahmen Theotiſte. Dieſe entflohe aus
denen Händen der Barbaren, und verſchloſſe
ſich in die Inſul Paro, ſo dortmahls gantz öd,
und ohnbewohnt ware; alſo zwar, daß man
nur wilde Thier allda ſahe. Sie gienge über
ſteile Felſen, Diſtel und Dorn; Endlichen ka-
me ſie auf den Gipfel eines Bergs, da ſie gantz
allein, 30. Jahr lang ein himmliſches Leben ge-
führet. Allda nährte Theotiſte ſich mit Bohnen,
ſo das Waſſer aufgeweicht. Ihr Tranck ware
Waſſer, ſo aus dem nächſten Bruñen entſpran-
ge; das Ruhe-Bett ein Hauffen Blätter. Da ihr
die abgetragene Kleider Stuck-weis vom Leib
fielen, mußte ſie Sommer und Winter viel ley-
den. Sie lebte jedoch wohl getröſt, wegen
himmliſchen Erquickungen, mit denen der HErr
ihren Geiſt in langen Betrachtungen übergoſ-
ſen. Eines jedoch betrübte ſie ſehr; daß ſie
nemlich das heiligſte Sacrament nicht em-
pfangen konte; dahero gienge ſie offt durch
die Wildnuſſen, und ihre Seuffzer erthöneten
in dieſe Wort: Elende! wie kanſt alſo weit von
deinem JEſu leben? Ach! geſtatte nicht, o
HErr! daß ich ſterbe, bevor dich mein Hertz
aufgenommen! Ein anders mahl begabe ſie
ſich in eine Mutter-GOttes-Kirch, ſo ehemahls
wegen ihrer Herrlichkeit berühmt ware; aber
damahls gantz zerſtöhrt ausſahe. Sie warffe
ſich
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern:
Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |