Exempel. Eine, in einen Bronnen geworffene heilige Hostten, würckt grosse Wunder.
In der Stadt Brüssel hatte ein Jud einer edlen, aber armen Frauen mit Wucher ein gewisses Stuck Geld geborgt; zum Ver- satz nahme er von ihr ein Kleid, so sie an de- nen Haupt-Festen zu tragen pflegte. Als nun das heilige Oster-Fest herbey kame, bittete sie den Wucherer inständigst, er möchte ihr doch das Kleid nur für diesen Tag leyhen; damit sie mit andern ihres gleichens zu dem Tisch des HErrn gehen könnte. Als dieses der Jud vernommen, gedachte er alsobald eine heilige Hostien zu erhalten, und ihr jene Unbild anzu- thun, so vor kurtzer Zeit ein anderer Jud in Paris an einer ausgeübt. Dahero sagte er zu der Frau: Wenn ihr mir die Hostien über- lieffert/ so man euch wird zu nüssen reichen/ will ich euch das Kleid geben; sonsten nicht. Was aber jener verfluchte Schelm zu Paris angefangen, gibt folgendes: Er warffe nem- lich die heilige Hostien in ein siedendes Was- ser, weilen sie aber darinnen ohnverletzt bliebe, durchstoche er sie mit einem Messer, und es flosse häussiges Blut heraus. Nun auf obiges wieder zu kommen, erschracke die Frau Anfangs ab diesem Begehren,; Nach- mahls wanckte ihr Gemüth, und sie bedenckte
sich
Betrachtungen
Exempel. Eine, in einen Bronnen geworffene heilige Hoſtten, würckt groſſe Wunder.
In der Stadt Brüſſel hatte ein Jud einer edlen, aber armen Frauen mit Wucher ein gewiſſes Stuck Geld geborgt; zum Ver- ſatz nahme er von ihr ein Kleid, ſo ſie an de- nen Haupt-Feſten zu tragen pflegte. Als nun das heilige Oſter-Feſt herbey kame, bittete ſie den Wucherer inſtändigſt, er möchte ihr doch das Kleid nur für dieſen Tag leyhen; damit ſie mit andern ihres gleichens zu dem Tiſch des HErrn gehen könnte. Als dieſes der Jud vernommen, gedachte er alſobald eine heilige Hoſtien zu erhalten, und ihr jene Unbild anzu- thun, ſo vor kurtzer Zeit ein anderer Jud in Paris an einer ausgeübt. Dahero ſagte er zu der Frau: Wenn ihr mir die Hoſtien über- lieffert/ ſo man euch wird zu nüſſen reichen/ will ich euch das Kleid geben; ſonſten nicht. Was aber jener verfluchte Schelm zu Paris angefangen, gibt folgendes: Er warffe nem- lich die heilige Hoſtien in ein ſiedendes Waſ- ſer, weilen ſie aber darinnen ohnverletzt bliebe, durchſtoche er ſie mit einem Meſſer, und es floſſe häuſſiges Blut heraus. Nun auf obiges wieder zu kommen, erſchracke die Frau Anfangs ab dieſem Begehren,; Nach- mahls wanckte ihr Gemüth, und ſie bedenckte
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Betrachtungen
Exempel.
Eine, in einen Bronnen geworffene
heilige Hoſtten, würckt groſſe
Wunder.
In der Stadt Brüſſel hatte ein Jud einer
edlen, aber armen Frauen mit Wucher
ein gewiſſes Stuck Geld geborgt; zum Ver-
ſatz nahme er von ihr ein Kleid, ſo ſie an de-
nen Haupt-Feſten zu tragen pflegte. Als nun
das heilige Oſter-Feſt herbey kame, bittete ſie
den Wucherer inſtändigſt, er möchte ihr doch
das Kleid nur für dieſen Tag leyhen; damit
ſie mit andern ihres gleichens zu dem Tiſch
des HErrn gehen könnte. Als dieſes der Jud
vernommen, gedachte er alſobald eine heilige
Hoſtien zu erhalten, und ihr jene Unbild anzu-
thun, ſo vor kurtzer Zeit ein anderer Jud in
Paris an einer ausgeübt. Dahero ſagte er
zu der Frau: Wenn ihr mir die Hoſtien über-
lieffert/ ſo man euch wird zu nüſſen reichen/
will ich euch das Kleid geben; ſonſten nicht.
Was aber jener verfluchte Schelm zu Paris
angefangen, gibt folgendes: Er warffe nem-
lich die heilige Hoſtien in ein ſiedendes Waſ-
ſer, weilen ſie aber darinnen ohnverletzt
bliebe, durchſtoche er ſie mit einem Meſſer,
und es floſſe häuſſiges Blut heraus. Nun
auf obiges wieder zu kommen, erſchracke die
Frau Anfangs ab dieſem Begehren,; Nach-
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Siniscalchi, Liborio: Sacramentalisches Abendmahl. Übers. v. Peter Obladen. Costanz/Ulm, 1752, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siniscalchi_abendmahl_1752/137>, abgerufen am 24.11.2024.
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