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Siniscalchi, Liborio: Sacramentalisches Abendmahl. Übers. v. Peter Obladen. Costanz/Ulm, 1752.

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Betrachtungen.
es ihr, und als selber wieder kame, brachte er in
einem Büchslein einen heiligen Particul, den
sie indessen in der Kirch aufbehalten. Sie
durchsahe fast ihren da verborgenen Heyland;
alsdann warffe sie sich auf die Erden, und bet-
tete ihne an; und mit jener Aengstigkeit, mit
der sich ein vor Durst lechzender Hirsch zu
dem Bronnen eylt, genosse sie diese Göttliche
Seelen-Speis. Nachmahls sagte sie, von
Freudens-Zähren überronnen: Anjetzo lasse
deine Mago im Frieden fahren, o HErr!
dann meine Augen haben das Heyl der gan-
zen Welt gesehen.
Nachdem schlosse sie die Händ
Creutzweis über die Brust, erh ebte die Augen
gegen Himmel, gabe dem Jäger ein Zeichen, er
solle gehen. Er gienge; da er aber an das
Gestatt gekommen, sich einschiffen zu lassen,
wurde er von einem innerlichen Antrieb in die
Kirch beruffen, Theotisten zu bitten, daß sie
auch für ihne betten möchte. Aber, o GOtt
er fande sie todt auf der Erden. Er weinte
aus zartem Mitleyden, küßte ihre Füß zu tau-
sendmahlen, und zörnte über sich selbst, daß er
also von ihr geeylt, und so seeligen Tod nicht
beygewohnet habe. Baron. Annal.
Christi 902. Surius 10.
Novemb.



Sechste

Betrachtungen.
es ihr, und als ſelber wieder kame, brachte er in
einem Büchslein einen heiligen Particul, den
ſie indeſſen in der Kirch aufbehalten. Sie
durchſahe faſt ihren da verborgenen Heyland;
alsdann warffe ſie ſich auf die Erden, und bet-
tete ihne an; und mit jener Aengſtigkeit, mit
der ſich ein vor Durſt lechzender Hirſch zu
dem Bronnen eylt, genoſſe ſie dieſe Göttliche
Seelen-Speis. Nachmahls ſagte ſie, von
Freudens-Zähren überronnen: Anjetzo laſſe
deine Mago im Frieden fahren, o HErr!
dann meine Augen haben das Heyl der gan-
zen Welt geſehen.
Nachdem ſchloſſe ſie die Händ
Creutzweis über die Bruſt, erh ebte die Augen
gegen Himmel, gabe dem Jäger ein Zeichen, er
ſolle gehen. Er gienge; da er aber an das
Geſtatt gekommen, ſich einſchiffen zu laſſen,
wurde er von einem innerlichen Antrieb in die
Kirch beruffen, Theotiſten zu bitten, daß ſie
auch für ihne betten möchte. Aber, o GOtt
er fande ſie todt auf der Erden. Er weinte
aus zartem Mitleyden, küßte ihre Füß zu tau-
ſendmahlen, und zörnte über ſich ſelbſt, daß er
alſo von ihr geeylt, und ſo ſeeligen Tod nicht
beygewohnet habe. Baron. Annal.
Chriſti 902. Surius 10.
Novemb.



Sechſte
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[64/0101] Betrachtungen. es ihr, und als ſelber wieder kame, brachte er in einem Büchslein einen heiligen Particul, den ſie indeſſen in der Kirch aufbehalten. Sie durchſahe faſt ihren da verborgenen Heyland; alsdann warffe ſie ſich auf die Erden, und bet- tete ihne an; und mit jener Aengſtigkeit, mit der ſich ein vor Durſt lechzender Hirſch zu dem Bronnen eylt, genoſſe ſie dieſe Göttliche Seelen-Speis. Nachmahls ſagte ſie, von Freudens-Zähren überronnen: Anjetzo laſſe deine Mago im Frieden fahren, o HErr! dann meine Augen haben das Heyl der gan- zen Welt geſehen. Nachdem ſchloſſe ſie die Händ Creutzweis über die Bruſt, erh ebte die Augen gegen Himmel, gabe dem Jäger ein Zeichen, er ſolle gehen. Er gienge; da er aber an das Geſtatt gekommen, ſich einſchiffen zu laſſen, wurde er von einem innerlichen Antrieb in die Kirch beruffen, Theotiſten zu bitten, daß ſie auch für ihne betten möchte. Aber, o GOtt er fande ſie todt auf der Erden. Er weinte aus zartem Mitleyden, küßte ihre Füß zu tau- ſendmahlen, und zörnte über ſich ſelbſt, daß er alſo von ihr geeylt, und ſo ſeeligen Tod nicht beygewohnet habe. Baron. Annal. Chriſti 902. Surius 10. Novemb. Sechſte

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Zitationshilfe: Siniscalchi, Liborio: Sacramentalisches Abendmahl. Übers. v. Peter Obladen. Costanz/Ulm, 1752, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siniscalchi_abendmahl_1752/101>, abgerufen am 24.11.2024.