Simmel, Georg: Stefan George. Eine kunstphilosophische Betrachtung. In: Die Zukunft, 26. Februar, Bd. 22 (1898), S. 386–396.Literaturgeschichte an, während es der Kunstphilosophie auf die eigenthümliche Bedeutsamkeit des ästhetischen Prinzips ankommt, weniger aber darauf, ob es sich mit einem an sich größeren oder geringeren Talent verwirklicht. Für so groß ich auch das rein poetische Genie Stefan Georges halte, so könnte man trotzdem einräumen, daß seine Bedeutung als Künstler über seiner spezifischen Bedeutung als Dichter steht. Wie bei manchen Personen die allgemein menschlichen Eigenschaften die Begabung und Kraft zur einzelnen Leistung überragen und auch an ihr das eigentlich Werthvolle ausmachen, so übertrifft bei ihm vielleicht Ausbildung und Vertiefung des allgemeinen Elementes Kunst die differentia specifica, die aus dem "Künstler überhaupt" den Dichter macht. Das Kunstwerk trägt von seinem Ursprung aus Jnteressen der Sinnlichkeit, der Religion, der Nachahmungfreude, des Jntellektes u.s.w. einen ganzen Komplex von Jnhalten und Wirkungen zu Lehen, die vielleicht in der Lyrik, wegen der Weitverzweigtheit ihrer Wurzeln, länger als in irgend einer anderen Kunst ungeschieden neben einander leben. Stefan George hat in der Gegenwart die prinzipielle Sonderung eingeleitet, die auch in dieser Kunst die Kunst zum Universalerben jenes Komplexes werden läßt. [irrelevantes Material - 15 Zeilen fehlen] Literaturgeschichte an, während es der Kunstphilosophie auf die eigenthümliche Bedeutsamkeit des ästhetischen Prinzips ankommt, weniger aber darauf, ob es sich mit einem an sich größeren oder geringeren Talent verwirklicht. Für so groß ich auch das rein poetische Genie Stefan Georges halte, so könnte man trotzdem einräumen, daß seine Bedeutung als Künstler über seiner spezifischen Bedeutung als Dichter steht. Wie bei manchen Personen die allgemein menschlichen Eigenschaften die Begabung und Kraft zur einzelnen Leistung überragen und auch an ihr das eigentlich Werthvolle ausmachen, so übertrifft bei ihm vielleicht Ausbildung und Vertiefung des allgemeinen Elementes Kunst die differentia specifica, die aus dem „Künstler überhaupt“ den Dichter macht. Das Kunstwerk trägt von seinem Ursprung aus Jnteressen der Sinnlichkeit, der Religion, der Nachahmungfreude, des Jntellektes u.s.w. einen ganzen Komplex von Jnhalten und Wirkungen zu Lehen, die vielleicht in der Lyrik, wegen der Weitverzweigtheit ihrer Wurzeln, länger als in irgend einer anderen Kunst ungeschieden neben einander leben. Stefan George hat in der Gegenwart die prinzipielle Sonderung eingeleitet, die auch in dieser Kunst die Kunst zum Universalerben jenes Komplexes werden läßt. [irrelevantes Material – 15 Zeilen fehlen] <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0012" n="396"/> Literaturgeschichte an, während es der Kunstphilosophie auf die eigenthümliche Bedeutsamkeit des ästhetischen Prinzips ankommt, weniger aber darauf, ob es sich mit einem an sich größeren oder geringeren Talent verwirklicht. Für so groß ich auch das rein poetische Genie Stefan Georges halte, so könnte man trotzdem einräumen, daß seine Bedeutung als Künstler über seiner spezifischen Bedeutung als Dichter steht. Wie bei manchen Personen die allgemein menschlichen Eigenschaften die Begabung und Kraft zur einzelnen Leistung überragen und auch an ihr das eigentlich Werthvolle ausmachen, so übertrifft bei ihm vielleicht Ausbildung und Vertiefung des allgemeinen Elementes Kunst die <hi rendition="#aq">differentia specifica</hi>, die aus dem „Künstler überhaupt“ den Dichter macht. Das Kunstwerk trägt von seinem Ursprung aus Jnteressen der Sinnlichkeit, der Religion, der Nachahmungfreude, des Jntellektes u.s.w. einen ganzen Komplex von Jnhalten und Wirkungen zu Lehen, die vielleicht in der Lyrik, wegen der Weitverzweigtheit ihrer Wurzeln, länger als in irgend einer anderen Kunst ungeschieden neben einander leben. Stefan George hat in der Gegenwart die prinzipielle Sonderung eingeleitet, die auch in dieser Kunst die <hi rendition="#g">Kunst</hi> zum Universalerben jenes Komplexes werden läßt.</p> <byline rendition="#right #g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118614436">Georg Simmel</persName>.</byline> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <gap reason="insignificant" unit="lines" quantity="15"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [396/0012]
Literaturgeschichte an, während es der Kunstphilosophie auf die eigenthümliche Bedeutsamkeit des ästhetischen Prinzips ankommt, weniger aber darauf, ob es sich mit einem an sich größeren oder geringeren Talent verwirklicht. Für so groß ich auch das rein poetische Genie Stefan Georges halte, so könnte man trotzdem einräumen, daß seine Bedeutung als Künstler über seiner spezifischen Bedeutung als Dichter steht. Wie bei manchen Personen die allgemein menschlichen Eigenschaften die Begabung und Kraft zur einzelnen Leistung überragen und auch an ihr das eigentlich Werthvolle ausmachen, so übertrifft bei ihm vielleicht Ausbildung und Vertiefung des allgemeinen Elementes Kunst die differentia specifica, die aus dem „Künstler überhaupt“ den Dichter macht. Das Kunstwerk trägt von seinem Ursprung aus Jnteressen der Sinnlichkeit, der Religion, der Nachahmungfreude, des Jntellektes u.s.w. einen ganzen Komplex von Jnhalten und Wirkungen zu Lehen, die vielleicht in der Lyrik, wegen der Weitverzweigtheit ihrer Wurzeln, länger als in irgend einer anderen Kunst ungeschieden neben einander leben. Stefan George hat in der Gegenwart die prinzipielle Sonderung eingeleitet, die auch in dieser Kunst die Kunst zum Universalerben jenes Komplexes werden läßt.
Georg Simmel.
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Zitationshilfe: | Simmel, Georg: Stefan George. Eine kunstphilosophische Betrachtung. In: Die Zukunft, 26. Februar, Bd. 22 (1898), S. 386–396, hier S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_george_1898/12>, abgerufen am 16.07.2024. |