begehrungswürdig macht, wie bei alten Briefmarken, Kuriositäten, Antiquitäten ohne ästhetischen oder historischen Wert u. ähnl.) Übrigens mag die Unterschiedsempfindung, deren es für den Genuss im engeren Sinne des Wortes bedarf, allenthalben durch eine Seltenheit des Ob- jekts, d. h. dadurch, dass es eben nicht überall und jederzeit genossen wird, bedingt sein. Allein diese innere psychologische Bedingung des Genusses wird nicht praktisch, schon weil sie nicht zur Überwindung, sondern grade zur Konservierung, ja zur Steigerung der Seltenheit führen müsste, was erfahrungsgemäss nicht geschieht. Um was es sich praktisch ausser dem direkten, von der Qualität der Dinge abhängigen Genuss ihrer nur handeln kann, ist der Weg zu demselben. Sobald dieser Weg ein langer und schwieriger ist, über Opfer an Geduld, Enttäuschungen, Arbeit, Verzichtleistungen etc. hinwegführt, nennen wir den Gegenstand "selten". Man kann dies unmittelbar so ausdrücken: die Dinge sind nicht schwer zu erlangen, weil sie selten sind, sondern sie sind selten, weil sie schwer zu erlangen sind. Die starre äusser- liche Thatsache, dass es einen zu geringen Vorrat an gewissen Gütern giebt, um all unser Begehren nach ihnen zu befriedigen, wäre an sich bedeutungslos. Ob sie im Sinne des wirtschaftlichen Wertes selten sind, darüber entscheidet allein der Umstand, welches Mass von Kraft, Geduld, Hingabe zu ihrem Erwerbe nötig ist. Die Schwierigkeit des Erlangens, d. h. die Grösse des in den Tausch einzusetzenden Opfers ist das eigentümliche konstitutive Wertmoment, von dem die Selten- heit nur die äussere Erscheinung, nur die Objektivierung in der Form der Quantität ausmacht. Man übersieht oft, dass die Seltenheit rein als solche doch nur eine negative Bestimmung ist, ein Seiendes durch ein Nichtseiendes charakterisiert. Das Nichtseiende aber kann nicht wirksam sein, jede positive Folge muss von einer positiven Be- stimmung und Kraft ausgehen, von der jene negative gleichsam nur der Schatten ist. Diese konkreten Kräfte sind aber ersichtlich nur die in den Tausch eingesetzten. Nur darf man den Charakter der Konkretheit dadurch nicht herabgesetzt glauben, dass er hier nicht an dem Einzel- wesen als solchen haftet. Die Relativität zwischen den Dingen hat die einzigartige Stellung: über das Einzelne hinauszureichen, nur an der Mehrheit als solcher zu subsistieren, und doch keine bloss begriff- liche Verallgemeinerung und Abstraktion zu sein. Man mag den einen Gegenstand noch so genau auf seine für sich seienden Bestimmungen untersuchen: den wirtschaftlichen Wert wird man nicht finden, da dieser ausschliesslich in dem Wechselverhältnis besteht, das sich auf Grund dieser Bestimmungen zwischen mehreren Gegenständen herstellt, jedes das andere bedingend und ihm die Bedeutung zurück- gebend, die es von ihm empfängt.
begehrungswürdig macht, wie bei alten Briefmarken, Kuriositäten, Antiquitäten ohne ästhetischen oder historischen Wert u. ähnl.) Übrigens mag die Unterschiedsempfindung, deren es für den Genuſs im engeren Sinne des Wortes bedarf, allenthalben durch eine Seltenheit des Ob- jekts, d. h. dadurch, daſs es eben nicht überall und jederzeit genossen wird, bedingt sein. Allein diese innere psychologische Bedingung des Genusses wird nicht praktisch, schon weil sie nicht zur Überwindung, sondern grade zur Konservierung, ja zur Steigerung der Seltenheit führen müſste, was erfahrungsgemäſs nicht geschieht. Um was es sich praktisch auſser dem direkten, von der Qualität der Dinge abhängigen Genuſs ihrer nur handeln kann, ist der Weg zu demselben. Sobald dieser Weg ein langer und schwieriger ist, über Opfer an Geduld, Enttäuschungen, Arbeit, Verzichtleistungen etc. hinwegführt, nennen wir den Gegenstand „selten“. Man kann dies unmittelbar so ausdrücken: die Dinge sind nicht schwer zu erlangen, weil sie selten sind, sondern sie sind selten, weil sie schwer zu erlangen sind. Die starre äuſser- liche Thatsache, daſs es einen zu geringen Vorrat an gewissen Gütern giebt, um all unser Begehren nach ihnen zu befriedigen, wäre an sich bedeutungslos. Ob sie im Sinne des wirtschaftlichen Wertes selten sind, darüber entscheidet allein der Umstand, welches Maſs von Kraft, Geduld, Hingabe zu ihrem Erwerbe nötig ist. Die Schwierigkeit des Erlangens, d. h. die Gröſse des in den Tausch einzusetzenden Opfers ist das eigentümliche konstitutive Wertmoment, von dem die Selten- heit nur die äuſsere Erscheinung, nur die Objektivierung in der Form der Quantität ausmacht. Man übersieht oft, daſs die Seltenheit rein als solche doch nur eine negative Bestimmung ist, ein Seiendes durch ein Nichtseiendes charakterisiert. Das Nichtseiende aber kann nicht wirksam sein, jede positive Folge muſs von einer positiven Be- stimmung und Kraft ausgehen, von der jene negative gleichsam nur der Schatten ist. Diese konkreten Kräfte sind aber ersichtlich nur die in den Tausch eingesetzten. Nur darf man den Charakter der Konkretheit dadurch nicht herabgesetzt glauben, daſs er hier nicht an dem Einzel- wesen als solchen haftet. Die Relativität zwischen den Dingen hat die einzigartige Stellung: über das Einzelne hinauszureichen, nur an der Mehrheit als solcher zu subsistieren, und doch keine bloſs begriff- liche Verallgemeinerung und Abstraktion zu sein. Man mag den einen Gegenstand noch so genau auf seine für sich seienden Bestimmungen untersuchen: den wirtschaftlichen Wert wird man nicht finden, da dieser ausschlieſslich in dem Wechselverhältnis besteht, das sich auf Grund dieser Bestimmungen zwischen mehreren Gegenständen herstellt, jedes das andere bedingend und ihm die Bedeutung zurück- gebend, die es von ihm empfängt.
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[57/0081]
begehrungswürdig macht, wie bei alten Briefmarken, Kuriositäten,
Antiquitäten ohne ästhetischen oder historischen Wert u. ähnl.) Übrigens
mag die Unterschiedsempfindung, deren es für den Genuſs im engeren
Sinne des Wortes bedarf, allenthalben durch eine Seltenheit des Ob-
jekts, d. h. dadurch, daſs es eben nicht überall und jederzeit genossen
wird, bedingt sein. Allein diese innere psychologische Bedingung des
Genusses wird nicht praktisch, schon weil sie nicht zur Überwindung,
sondern grade zur Konservierung, ja zur Steigerung der Seltenheit
führen müſste, was erfahrungsgemäſs nicht geschieht. Um was es sich
praktisch auſser dem direkten, von der Qualität der Dinge abhängigen
Genuſs ihrer nur handeln kann, ist der Weg zu demselben. Sobald
dieser Weg ein langer und schwieriger ist, über Opfer an Geduld,
Enttäuschungen, Arbeit, Verzichtleistungen etc. hinwegführt, nennen
wir den Gegenstand „selten“. Man kann dies unmittelbar so ausdrücken:
die Dinge sind nicht schwer zu erlangen, weil sie selten sind, sondern
sie sind selten, weil sie schwer zu erlangen sind. Die starre äuſser-
liche Thatsache, daſs es einen zu geringen Vorrat an gewissen Gütern
giebt, um all unser Begehren nach ihnen zu befriedigen, wäre an sich
bedeutungslos. Ob sie im Sinne des wirtschaftlichen Wertes selten
sind, darüber entscheidet allein der Umstand, welches Maſs von Kraft,
Geduld, Hingabe zu ihrem Erwerbe nötig ist. Die Schwierigkeit des
Erlangens, d. h. die Gröſse des in den Tausch einzusetzenden Opfers
ist das eigentümliche konstitutive Wertmoment, von dem die Selten-
heit nur die äuſsere Erscheinung, nur die Objektivierung in der
Form der Quantität ausmacht. Man übersieht oft, daſs die Seltenheit
rein als solche doch nur eine negative Bestimmung ist, ein Seiendes
durch ein Nichtseiendes charakterisiert. Das Nichtseiende aber kann
nicht wirksam sein, jede positive Folge muſs von einer positiven Be-
stimmung und Kraft ausgehen, von der jene negative gleichsam nur der
Schatten ist. Diese konkreten Kräfte sind aber ersichtlich nur die in den
Tausch eingesetzten. Nur darf man den Charakter der Konkretheit
dadurch nicht herabgesetzt glauben, daſs er hier nicht an dem Einzel-
wesen als solchen haftet. Die Relativität zwischen den Dingen hat
die einzigartige Stellung: über das Einzelne hinauszureichen, nur an
der Mehrheit als solcher zu subsistieren, und doch keine bloſs begriff-
liche Verallgemeinerung und Abstraktion zu sein. Man mag den einen
Gegenstand noch so genau auf seine für sich seienden Bestimmungen
untersuchen: den wirtschaftlichen Wert wird man nicht finden, da
dieser ausschlieſslich in dem Wechselverhältnis besteht, das sich
auf Grund dieser Bestimmungen zwischen mehreren Gegenständen
herstellt, jedes das andere bedingend und ihm die Bedeutung zurück-
gebend, die es von ihm empfängt.
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/81>, abgerufen am 26.11.2024.
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