wohl dieses für jenes, aber nicht umgekehrt hinzugeben bereit ist. In der noch nicht vielgliedrig komplizierten Praxis kann der höhere oder geringere Wert nur Folge oder Ausdruck dieses unmittelbaren prakti- schen Willens zum Tausche sein. Und wenn wir sagen, wir tauschten die Dinge gegeneinander aus, weil sie gleich wertvoll sind, so ist das nur jene häufige begrifflich-sprachliche Umkehrung, mit der wir so oft jemanden zu lieben glauben, weil er bestimmte Eigenschaften besässe -- während wir ihm diese Eigenschaft nur geliehen haben, weil wir ihn lieben, oder mit der wir sittliche Imperative aus religiösen Dogmen herleiten, während wir in Wirklichkeit an diese glauben, weil jene in uns lebendig sind.
Der Preis fällt seinem begrifflichen Wesen nach mit dem ökono- misch objektiven Werte zusammen; ohne ihn würde es überhaupt nicht gelingen, die Grenzlinie, die den letzteren von dem subjektiven Wert scheidet, zu ziehen. Der Ausdruck nämlich, dass der Tausch Wert- gleichheit voraussetze, ist vom Standpunkt der beiden Kontrahenten aus nicht zutreffend. A und B mögen ihre Besitztümer a und b unter- einander eintauschen, da diese beiden gleich viel wert sind. Allein A hätte keine Veranlassung, sein a fortzugeben, wenn er wirklich nur den für ihn gleich grossen Wert b dafür erhielte. b muss für ihn ein grösseres Wertquantum als das, was er bisher an a besessen hat, bedeuten; und ebenso muss B bei dem Tausche mehr gewinnen als einbüssen, um auf ihn einzutreten. Wenn für A also b wertvoller ist als a, für B dagegen a wertvoller als b, so gleicht sich dies objektiv, vom Standpunkt eines Beobachters, freilich aus. Allein diese Wert- gleichheit besteht nicht für den Kontrahenten, der mehr empfängt, als er fortgiebt. Wenn dieser dennoch überzeugt ist, mit dem Anderen nach Recht und Billigkeit gehandelt und Gleichwertiges ausgetauscht zu haben, so ist dies für A so auszudrücken: objektiv zwar habe er an B Gleiches für Gleiches geliefert, der Preis (a) sei das Äqui- valent für den Gegenstand (b), aber subjektiv sei der Wert von b freilich für ihn grösser als der von a. Nun ist aber das Wertgefühl, das A an b knüpft, doch in sich eine Einheit und in ihm selbst der Teilstrich nicht mehr wahrnehmbar, der das objektive Wertquantum gegen seine subjektive Zugabe abgrenzte. Ausschliesslich also die Thatsache, dass das Objekt ausgetauscht wird, d. h. ein Preis ist und einen Preis kostet, zieht diese Grenze, bestimmt innerhalb seines subjektiven Wert- quantums den Teil, mit dem es als objektiver Gegenwert in den Ver- kehr eintritt.
Eine andere Beobachtung belehrt uns nicht weniger, dass der Tausch keineswegs von einer vorangehenden Vorstellung objektiver
wohl dieses für jenes, aber nicht umgekehrt hinzugeben bereit ist. In der noch nicht vielgliedrig komplizierten Praxis kann der höhere oder geringere Wert nur Folge oder Ausdruck dieses unmittelbaren prakti- schen Willens zum Tausche sein. Und wenn wir sagen, wir tauschten die Dinge gegeneinander aus, weil sie gleich wertvoll sind, so ist das nur jene häufige begrifflich-sprachliche Umkehrung, mit der wir so oft jemanden zu lieben glauben, weil er bestimmte Eigenschaften besäſse — während wir ihm diese Eigenschaft nur geliehen haben, weil wir ihn lieben, oder mit der wir sittliche Imperative aus religiösen Dogmen herleiten, während wir in Wirklichkeit an diese glauben, weil jene in uns lebendig sind.
Der Preis fällt seinem begrifflichen Wesen nach mit dem ökono- misch objektiven Werte zusammen; ohne ihn würde es überhaupt nicht gelingen, die Grenzlinie, die den letzteren von dem subjektiven Wert scheidet, zu ziehen. Der Ausdruck nämlich, daſs der Tausch Wert- gleichheit voraussetze, ist vom Standpunkt der beiden Kontrahenten aus nicht zutreffend. A und B mögen ihre Besitztümer α und β unter- einander eintauschen, da diese beiden gleich viel wert sind. Allein A hätte keine Veranlassung, sein α fortzugeben, wenn er wirklich nur den für ihn gleich groſsen Wert β dafür erhielte. β muſs für ihn ein gröſseres Wertquantum als das, was er bisher an α besessen hat, bedeuten; und ebenso muſs B bei dem Tausche mehr gewinnen als einbüſsen, um auf ihn einzutreten. Wenn für A also β wertvoller ist als α, für B dagegen α wertvoller als β, so gleicht sich dies objektiv, vom Standpunkt eines Beobachters, freilich aus. Allein diese Wert- gleichheit besteht nicht für den Kontrahenten, der mehr empfängt, als er fortgiebt. Wenn dieser dennoch überzeugt ist, mit dem Anderen nach Recht und Billigkeit gehandelt und Gleichwertiges ausgetauscht zu haben, so ist dies für A so auszudrücken: objektiv zwar habe er an B Gleiches für Gleiches geliefert, der Preis (α) sei das Äqui- valent für den Gegenstand (β), aber subjektiv sei der Wert von β freilich für ihn gröſser als der von α. Nun ist aber das Wertgefühl, das A an β knüpft, doch in sich eine Einheit und in ihm selbst der Teilstrich nicht mehr wahrnehmbar, der das objektive Wertquantum gegen seine subjektive Zugabe abgrenzte. Ausschlieſslich also die Thatsache, daſs das Objekt ausgetauscht wird, d. h. ein Preis ist und einen Preis kostet, zieht diese Grenze, bestimmt innerhalb seines subjektiven Wert- quantums den Teil, mit dem es als objektiver Gegenwert in den Ver- kehr eintritt.
Eine andere Beobachtung belehrt uns nicht weniger, daſs der Tausch keineswegs von einer vorangehenden Vorstellung objektiver
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[48/0072]
wohl dieses für jenes, aber nicht umgekehrt hinzugeben bereit ist. In
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geringere Wert nur Folge oder Ausdruck dieses unmittelbaren prakti-
schen Willens zum Tausche sein. Und wenn wir sagen, wir tauschten
die Dinge gegeneinander aus, weil sie gleich wertvoll sind, so ist das
nur jene häufige begrifflich-sprachliche Umkehrung, mit der wir so oft
jemanden zu lieben glauben, weil er bestimmte Eigenschaften besäſse —
während wir ihm diese Eigenschaft nur geliehen haben, weil wir ihn
lieben, oder mit der wir sittliche Imperative aus religiösen Dogmen
herleiten, während wir in Wirklichkeit an diese glauben, weil jene in
uns lebendig sind.
Der Preis fällt seinem begrifflichen Wesen nach mit dem ökono-
misch objektiven Werte zusammen; ohne ihn würde es überhaupt nicht
gelingen, die Grenzlinie, die den letzteren von dem subjektiven Wert
scheidet, zu ziehen. Der Ausdruck nämlich, daſs der Tausch Wert-
gleichheit voraussetze, ist vom Standpunkt der beiden Kontrahenten
aus nicht zutreffend. A und B mögen ihre Besitztümer α und β unter-
einander eintauschen, da diese beiden gleich viel wert sind. Allein A
hätte keine Veranlassung, sein α fortzugeben, wenn er wirklich nur
den für ihn gleich groſsen Wert β dafür erhielte. β muſs für ihn ein
gröſseres Wertquantum als das, was er bisher an α besessen hat,
bedeuten; und ebenso muſs B bei dem Tausche mehr gewinnen als
einbüſsen, um auf ihn einzutreten. Wenn für A also β wertvoller ist
als α, für B dagegen α wertvoller als β, so gleicht sich dies objektiv,
vom Standpunkt eines Beobachters, freilich aus. Allein diese Wert-
gleichheit besteht nicht für den Kontrahenten, der mehr empfängt, als
er fortgiebt. Wenn dieser dennoch überzeugt ist, mit dem Anderen
nach Recht und Billigkeit gehandelt und Gleichwertiges ausgetauscht
zu haben, so ist dies für A so auszudrücken: objektiv zwar habe
er an B Gleiches für Gleiches geliefert, der Preis (α) sei das Äqui-
valent für den Gegenstand (β), aber subjektiv sei der Wert von β
freilich für ihn gröſser als der von α. Nun ist aber das Wertgefühl,
das A an β knüpft, doch in sich eine Einheit und in ihm selbst der
Teilstrich nicht mehr wahrnehmbar, der das objektive Wertquantum gegen
seine subjektive Zugabe abgrenzte. Ausschlieſslich also die Thatsache,
daſs das Objekt ausgetauscht wird, d. h. ein Preis ist und einen Preis
kostet, zieht diese Grenze, bestimmt innerhalb seines subjektiven Wert-
quantums den Teil, mit dem es als objektiver Gegenwert in den Ver-
kehr eintritt.
Eine andere Beobachtung belehrt uns nicht weniger, daſs der
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/72>, abgerufen am 25.11.2024.
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