zwischen ihnen her. Es ist andrerseits dem Blut zu vergleichen, dessen kontinuierliche Strömung alle Verästelungen der Glieder durchdringt, und, alle gleichmässig ernährend, die Einheit ihrer Funktionen trägt. Und was das zweite betrifft: so ermöglicht das Geld, indem es zwischen den Menschen und die Dinge tritt, jenem eine sozusagen abstrakte Existenz, ein Freisein von unmittelbaren Rücksichten auf die Dinge und von unmittelbarer Beziehung zu ihnen, ohne das es zu gewissen Ent- wicklungschancen unserer Innerlichkeit nicht käme; wenn der moderne Mensch unter günstigen Umständen eine Reserve des Subjektiven, eine Heimlichkeit und Abgeschlossenheit des persönlichsten Seins erringt, die etwas von dem religiösen Lebensstil früherer Zeiten ersetzt, so wird das dadurch bedingt, dass das Geld uns in immer steigendem Mass die unmittelbaren Berührungen mit den Dingen erspart, während es uns doch zugleich ihre Beherrschung und die Auswahl des uns Zusagenden unendlich erleichtert.
Und deshalb mögen diese Gegenrichtungen, da sie nun einmal eingeschlagen sind, auch einem Ideal absolut reinlicher Scheidung zu- streben: in dem aller Sachgehalt des Lebens immer sachlicher und unpersönlicher wird, damit der nicht zu verdinglichende Rest desselben um so persönlicher, ein um so unbestreitbareres Eigen des Ich werde. Ein bezeichnender Einzelfall dieser Bewegung ist die Schreibmaschine; das Schreiben, ein äusserlich-sachliches Thun, das doch in jedem Fall eine charakteristisch-individuelle Form trägt, wirft diese letztere nun zu gunsten mechanischer Gleichförmigkeit ab. Damit ist aber nach der anderen Seite hin das Doppelte erreicht: einmal wirkt nun das Geschriebne seinem reinen Inhalte nach, ohne aus seiner Anschau- lichkeit Unterstützung oder Störung zu ziehen, und dann entfällt der Verrat des Persönlichsten, den die Handschrift so oft begeht und zwar vermöge der äusserlichsten und gleichgültigsten Mitteilungen nicht weniger als bei den intimsten. So sozialisierend also auch alle der- artigen Mechanisierungen wirken, so steigern sie doch das verbleibende Privateigentum des geistigen Ich zu um so eifersüchtigerer Ausschliess- lichkeit. Freilich ist diese Vertreibung der subjektiven Seelenhaftig- keit aus allem Äusserlichen dem ästhetischen Lebensideal ebenso feind- lich, wie sie dem der reinen Innerlichkeit günstig sein kann -- eine Kombination, die ebenso die Verzweiflung rein ästhetisch gestimmter Persönlichkeiten an der Gegenwart erklärt, wie die leise Spannung, die zwischen derartigen Seelen und solchen, die nur auf das innere Heil gerichtet sind, jetzt in gleichsam unterirdischeren Formen -- ganz anderen als zur Zeit Savonarolas -- aufwächst. Indem das Geld ebenso Symbol wie Ursache der Vergleichgültigung und Veräusser-
zwischen ihnen her. Es ist andrerseits dem Blut zu vergleichen, dessen kontinuierliche Strömung alle Verästelungen der Glieder durchdringt, und, alle gleichmäſsig ernährend, die Einheit ihrer Funktionen trägt. Und was das zweite betrifft: so ermöglicht das Geld, indem es zwischen den Menschen und die Dinge tritt, jenem eine sozusagen abstrakte Existenz, ein Freisein von unmittelbaren Rücksichten auf die Dinge und von unmittelbarer Beziehung zu ihnen, ohne das es zu gewissen Ent- wicklungschancen unserer Innerlichkeit nicht käme; wenn der moderne Mensch unter günstigen Umständen eine Reserve des Subjektiven, eine Heimlichkeit und Abgeschlossenheit des persönlichsten Seins erringt, die etwas von dem religiösen Lebensstil früherer Zeiten ersetzt, so wird das dadurch bedingt, daſs das Geld uns in immer steigendem Maſs die unmittelbaren Berührungen mit den Dingen erspart, während es uns doch zugleich ihre Beherrschung und die Auswahl des uns Zusagenden unendlich erleichtert.
Und deshalb mögen diese Gegenrichtungen, da sie nun einmal eingeschlagen sind, auch einem Ideal absolut reinlicher Scheidung zu- streben: in dem aller Sachgehalt des Lebens immer sachlicher und unpersönlicher wird, damit der nicht zu verdinglichende Rest desselben um so persönlicher, ein um so unbestreitbareres Eigen des Ich werde. Ein bezeichnender Einzelfall dieser Bewegung ist die Schreibmaschine; das Schreiben, ein äuſserlich-sachliches Thun, das doch in jedem Fall eine charakteristisch-individuelle Form trägt, wirft diese letztere nun zu gunsten mechanischer Gleichförmigkeit ab. Damit ist aber nach der anderen Seite hin das Doppelte erreicht: einmal wirkt nun das Geschriebne seinem reinen Inhalte nach, ohne aus seiner Anschau- lichkeit Unterstützung oder Störung zu ziehen, und dann entfällt der Verrat des Persönlichsten, den die Handschrift so oft begeht und zwar vermöge der äuſserlichsten und gleichgültigsten Mitteilungen nicht weniger als bei den intimsten. So sozialisierend also auch alle der- artigen Mechanisierungen wirken, so steigern sie doch das verbleibende Privateigentum des geistigen Ich zu um so eifersüchtigerer Ausschlieſs- lichkeit. Freilich ist diese Vertreibung der subjektiven Seelenhaftig- keit aus allem Äuſserlichen dem ästhetischen Lebensideal ebenso feind- lich, wie sie dem der reinen Innerlichkeit günstig sein kann — eine Kombination, die ebenso die Verzweiflung rein ästhetisch gestimmter Persönlichkeiten an der Gegenwart erklärt, wie die leise Spannung, die zwischen derartigen Seelen und solchen, die nur auf das innere Heil gerichtet sind, jetzt in gleichsam unterirdischeren Formen — ganz anderen als zur Zeit Savonarolas — aufwächst. Indem das Geld ebenso Symbol wie Ursache der Vergleichgültigung und Veräuſser-
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zwischen ihnen her. Es ist andrerseits dem Blut zu vergleichen, dessen
kontinuierliche Strömung alle Verästelungen der Glieder durchdringt,
und, alle gleichmäſsig ernährend, die Einheit ihrer Funktionen trägt.
Und was das zweite betrifft: so ermöglicht das Geld, indem es zwischen
den Menschen und die Dinge tritt, jenem eine sozusagen abstrakte
Existenz, ein Freisein von unmittelbaren Rücksichten auf die Dinge und
von unmittelbarer Beziehung zu ihnen, ohne das es zu gewissen Ent-
wicklungschancen unserer Innerlichkeit nicht käme; wenn der moderne
Mensch unter günstigen Umständen eine Reserve des Subjektiven, eine
Heimlichkeit und Abgeschlossenheit des persönlichsten Seins erringt,
die etwas von dem religiösen Lebensstil früherer Zeiten ersetzt, so
wird das dadurch bedingt, daſs das Geld uns in immer steigendem
Maſs die unmittelbaren Berührungen mit den Dingen erspart, während
es uns doch zugleich ihre Beherrschung und die Auswahl des uns
Zusagenden unendlich erleichtert.
Und deshalb mögen diese Gegenrichtungen, da sie nun einmal
eingeschlagen sind, auch einem Ideal absolut reinlicher Scheidung zu-
streben: in dem aller Sachgehalt des Lebens immer sachlicher und
unpersönlicher wird, damit der nicht zu verdinglichende Rest desselben
um so persönlicher, ein um so unbestreitbareres Eigen des Ich werde.
Ein bezeichnender Einzelfall dieser Bewegung ist die Schreibmaschine;
das Schreiben, ein äuſserlich-sachliches Thun, das doch in jedem Fall
eine charakteristisch-individuelle Form trägt, wirft diese letztere nun
zu gunsten mechanischer Gleichförmigkeit ab. Damit ist aber nach
der anderen Seite hin das Doppelte erreicht: einmal wirkt nun
das Geschriebne seinem reinen Inhalte nach, ohne aus seiner Anschau-
lichkeit Unterstützung oder Störung zu ziehen, und dann entfällt der
Verrat des Persönlichsten, den die Handschrift so oft begeht und zwar
vermöge der äuſserlichsten und gleichgültigsten Mitteilungen nicht
weniger als bei den intimsten. So sozialisierend also auch alle der-
artigen Mechanisierungen wirken, so steigern sie doch das verbleibende
Privateigentum des geistigen Ich zu um so eifersüchtigerer Ausschlieſs-
lichkeit. Freilich ist diese Vertreibung der subjektiven Seelenhaftig-
keit aus allem Äuſserlichen dem ästhetischen Lebensideal ebenso feind-
lich, wie sie dem der reinen Innerlichkeit günstig sein kann — eine
Kombination, die ebenso die Verzweiflung rein ästhetisch gestimmter
Persönlichkeiten an der Gegenwart erklärt, wie die leise Spannung,
die zwischen derartigen Seelen und solchen, die nur auf das innere
Heil gerichtet sind, jetzt in gleichsam unterirdischeren Formen —
ganz anderen als zur Zeit Savonarolas — aufwächst. Indem das Geld
ebenso Symbol wie Ursache der Vergleichgültigung und Veräuſser-
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 504. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/528>, abgerufen am 22.11.2024.
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