rung der Objekte vom Menschen zu selbstgenugsamem Zusammenschluss. Das restlose Beispiel für diesen mechanischen Charakter der modernen Wirtschaft ist der Warenautomat; mit ihm wird nun auch aus dem Detailverkauf, in dem noch am längsten der Umsatz durch Beziehung von Person zu Person getragen worden ist, die menschliche Vermittlung völlig ausgeschaltet und das Geldäquivalent maschinenartig in die Ware umgesetzt. Auf anderer Stufe wird dasselbe Prinzip auch schon in dem Fünfzig-Pfennig-Bazar und ähnlichen Geschäften wirksam, in denen der wirtschaftspsychologische Prozess nicht von der Ware zum Preise, sondern vom Preise zur Ware geht. Denn hier werden durch die apriorische Preisgleichheit sämtlicher Gegenstände vielerlei Über- legungen und Abwägungen des Käufers, vielerlei Bemühungen und Explikationen des Verkäufers wegfallen und so der wirtschaftliche Akt seine personalen Instanzen sehr schnell und gegen sie indifferent durchlaufen.
Auf den gleichen Erfolg wie diese Differenzierung im Neben- einander, führt die im Nacheinander. Der Wechsel der Mode unter- bricht jenen inneren Aneignungs- und Einwurzelungsprozess zwischen Subjekt und Objekt, der es zur Diskrepanz beider nicht kommen lässt. Die Mode ist eines jener gesellschaftlichen Gebilde, die den Reiz von Unterschied und Abwechslung mit dem von Gleichheit und Zusammen- schluss in einer besonderen Proportion vereinen. Jede Mode ist ihrem Wesen nach Klassenmode, d. h. sie bezeichnet jedesmal eine Gesell- schaftsschicht, die sich durch die Gleichheit ihrer Erscheinung ebenso- wohl nach innen einheitlich zusammenschliesst, wie nach aussen gegen andere Stände abschliesst. Sobald nun die untere Schicht, die es der oberen nachzuthun sucht, ihrerseits die neue Mode aufgenommen hat, wird sie von der letzteren verlassen und eine neue kreiert. Deshalb hat es freilich wohl überall Moden gegeben, wo soziale Unterschiede sich einen Ausdruck in der Sichtbarkeit gesucht haben. Allein die soziale Bewegung seit hundert Jahren hat ihr ein ganz besonderes Tempo verliehen. Und zwar einerseits durch das Flüssigwerden der klassenmässigen Schranken und das vielfache individuelle, manchmal auch ganze Gruppen umfassende Aufsteigen von einer Schicht in die höhere, andrerseits durch die Vorherrschaft des dritten Standes. Der erstere Umstand bewirkt, dass die Moden der in dieser Hinsicht führen- den Schichten äusserst schnell wechseln müssen, denn das Nachdrängen der unteren, das der bestehenden Mode ihren Sinn und Reiz raubt, erfolgt jetzt sehr bald. Das zweite Moment wird dadurch wirksam, dass der Mittelstand und die städtische Bevölkerung, im Gegensatz zu dem Konservativismus der höchsten und der bäurischen Stände, der der
rung der Objekte vom Menschen zu selbstgenugsamem Zusammenschluſs. Das restlose Beispiel für diesen mechanischen Charakter der modernen Wirtschaft ist der Warenautomat; mit ihm wird nun auch aus dem Detailverkauf, in dem noch am längsten der Umsatz durch Beziehung von Person zu Person getragen worden ist, die menschliche Vermittlung völlig ausgeschaltet und das Geldäquivalent maschinenartig in die Ware umgesetzt. Auf anderer Stufe wird dasselbe Prinzip auch schon in dem Fünfzig-Pfennig-Bazar und ähnlichen Geschäften wirksam, in denen der wirtschaftspsychologische Prozeſs nicht von der Ware zum Preise, sondern vom Preise zur Ware geht. Denn hier werden durch die apriorische Preisgleichheit sämtlicher Gegenstände vielerlei Über- legungen und Abwägungen des Käufers, vielerlei Bemühungen und Explikationen des Verkäufers wegfallen und so der wirtschaftliche Akt seine personalen Instanzen sehr schnell und gegen sie indifferent durchlaufen.
Auf den gleichen Erfolg wie diese Differenzierung im Neben- einander, führt die im Nacheinander. Der Wechsel der Mode unter- bricht jenen inneren Aneignungs- und Einwurzelungsprozeſs zwischen Subjekt und Objekt, der es zur Diskrepanz beider nicht kommen läſst. Die Mode ist eines jener gesellschaftlichen Gebilde, die den Reiz von Unterschied und Abwechslung mit dem von Gleichheit und Zusammen- schluſs in einer besonderen Proportion vereinen. Jede Mode ist ihrem Wesen nach Klassenmode, d. h. sie bezeichnet jedesmal eine Gesell- schaftsschicht, die sich durch die Gleichheit ihrer Erscheinung ebenso- wohl nach innen einheitlich zusammenschlieſst, wie nach auſsen gegen andere Stände abschlieſst. Sobald nun die untere Schicht, die es der oberen nachzuthun sucht, ihrerseits die neue Mode aufgenommen hat, wird sie von der letzteren verlassen und eine neue kreiert. Deshalb hat es freilich wohl überall Moden gegeben, wo soziale Unterschiede sich einen Ausdruck in der Sichtbarkeit gesucht haben. Allein die soziale Bewegung seit hundert Jahren hat ihr ein ganz besonderes Tempo verliehen. Und zwar einerseits durch das Flüssigwerden der klassenmäſsigen Schranken und das vielfache individuelle, manchmal auch ganze Gruppen umfassende Aufsteigen von einer Schicht in die höhere, andrerseits durch die Vorherrschaft des dritten Standes. Der erstere Umstand bewirkt, daſs die Moden der in dieser Hinsicht führen- den Schichten äuſserst schnell wechseln müssen, denn das Nachdrängen der unteren, das der bestehenden Mode ihren Sinn und Reiz raubt, erfolgt jetzt sehr bald. Das zweite Moment wird dadurch wirksam, daſs der Mittelstand und die städtische Bevölkerung, im Gegensatz zu dem Konservativismus der höchsten und der bäurischen Stände, der der
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[493/0517]
rung der Objekte vom Menschen zu selbstgenugsamem Zusammenschluſs.
Das restlose Beispiel für diesen mechanischen Charakter der modernen
Wirtschaft ist der Warenautomat; mit ihm wird nun auch aus dem
Detailverkauf, in dem noch am längsten der Umsatz durch Beziehung von
Person zu Person getragen worden ist, die menschliche Vermittlung
völlig ausgeschaltet und das Geldäquivalent maschinenartig in die
Ware umgesetzt. Auf anderer Stufe wird dasselbe Prinzip auch schon
in dem Fünfzig-Pfennig-Bazar und ähnlichen Geschäften wirksam, in
denen der wirtschaftspsychologische Prozeſs nicht von der Ware zum
Preise, sondern vom Preise zur Ware geht. Denn hier werden durch
die apriorische Preisgleichheit sämtlicher Gegenstände vielerlei Über-
legungen und Abwägungen des Käufers, vielerlei Bemühungen und
Explikationen des Verkäufers wegfallen und so der wirtschaftliche Akt
seine personalen Instanzen sehr schnell und gegen sie indifferent
durchlaufen.
Auf den gleichen Erfolg wie diese Differenzierung im Neben-
einander, führt die im Nacheinander. Der Wechsel der Mode unter-
bricht jenen inneren Aneignungs- und Einwurzelungsprozeſs zwischen
Subjekt und Objekt, der es zur Diskrepanz beider nicht kommen läſst.
Die Mode ist eines jener gesellschaftlichen Gebilde, die den Reiz von
Unterschied und Abwechslung mit dem von Gleichheit und Zusammen-
schluſs in einer besonderen Proportion vereinen. Jede Mode ist ihrem
Wesen nach Klassenmode, d. h. sie bezeichnet jedesmal eine Gesell-
schaftsschicht, die sich durch die Gleichheit ihrer Erscheinung ebenso-
wohl nach innen einheitlich zusammenschlieſst, wie nach auſsen gegen
andere Stände abschlieſst. Sobald nun die untere Schicht, die es der
oberen nachzuthun sucht, ihrerseits die neue Mode aufgenommen hat,
wird sie von der letzteren verlassen und eine neue kreiert. Deshalb
hat es freilich wohl überall Moden gegeben, wo soziale Unterschiede
sich einen Ausdruck in der Sichtbarkeit gesucht haben. Allein die
soziale Bewegung seit hundert Jahren hat ihr ein ganz besonderes
Tempo verliehen. Und zwar einerseits durch das Flüssigwerden der
klassenmäſsigen Schranken und das vielfache individuelle, manchmal
auch ganze Gruppen umfassende Aufsteigen von einer Schicht in die
höhere, andrerseits durch die Vorherrschaft des dritten Standes. Der
erstere Umstand bewirkt, daſs die Moden der in dieser Hinsicht führen-
den Schichten äuſserst schnell wechseln müssen, denn das Nachdrängen
der unteren, das der bestehenden Mode ihren Sinn und Reiz raubt,
erfolgt jetzt sehr bald. Das zweite Moment wird dadurch wirksam,
daſs der Mittelstand und die städtische Bevölkerung, im Gegensatz zu
dem Konservativismus der höchsten und der bäurischen Stände, der der
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/517>, abgerufen am 22.11.2024.
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