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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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dieses eigentlich unbeschreibliche Wirklichkeitsgefühl nennen mag, her-
vorrufen. Dieses bildet das psychologische Vehikel zwischen den beiden
erkenntnistheoretischen Kategorien: dem gültigen, durch seinen inneren
Zusammenhang getragenen, jedem Element seine Stelle anweisenden
inhaltlichen Sinn der Dinge und unserem Vorstellen ihrer, das ihre
Wirklichkeit innerhalb eines Subjekts bedeutet.

Dieses allgemeine und grundlegende Verhältnis findet nun in dem
zwischen dem vergegenständlichten Geist und Kultur und dem indivi-
duellen Subjekt eine Analogie in engeren Massen. Wie wir unsere
Lebensinhalte, erkenntnistheoretisch betrachtet, einem Reiche des sach-
lich Geltenden entnehmen, so beziehen wir, historisch angesehen, ihren
überwiegenden Teil aus jenem Vorrat aufgespeicherter Geistesarbeit
der Gattung; auch hier liegen präformierte Inhalte vor, der Verwirk-
lichung in individuellen Geistern sich darbietend, aber auch jenseits
solcher ihre Bestimmtheit festhaltend, die doch auch hier keineswegs
die eines materiellen Gegenstandes ist; denn selbst wenn der Geist an
Materien gebunden ist, wie in Geräten, Kunstwerken, Büchern, so fällt
er doch nie mit dem zusammen, was an diesen Dingen sinnlich wahr-
nehmbar ist. Er wohnt ihnen in einer nicht weiter definierbaren
potenziellen Form ein, aus der heraus ihn das individuelle Bewusst-
sein aktualisieren kann. Die objektive Kultur ist die historische Dar-
stellung oder -- vollkommenere oder unvollkommenere -- Verdichtung
jener sachlich gültigen Wahrheit, von der unsere Erkenntnis eine Nach-
zeichnung ist. Wenn wir sagen dürfen, das Gravitationsgesetz habe
gegolten, bevor Newton es aussprach, so ruht das Gesetz als solches
doch nicht in den realen Materienmassen, da es nur die Art bedeutet,
in der sich deren Verhältnisse in einem bestimmt organisierten Geist
darstellen, und da die Gültigkeit dieses Gesetzes gar nicht davon ab-
hängt, dass es in der Wirklichkeit Materie giebt. Insofern also liegt
es weder in den objektiven Dingen selbst, noch in den subjektiven
Geistern, sondern in jener Sphäre des objektiven Geistes, von der unser
Wahrheitsbewusstsein einen Abschnitt nach dem andern zur Wirklich-
keit in ihm verdichtet. Wenn dies nun aber an dem fraglichen Ge-
setze durch Newton vollbracht ist, so ist es in den objektiven histo-
rischen Geist eingerückt und seine ideelle Bedeutung innerhalb dieses
ist nun wieder von seiner Wiederholung in einzelnen Individuen prin-
zipiell unabhängig.

Indem wir diese Kategorie des objektiven Geistes als der histo-
rischen Darstellung des gültigen Geistesgehaltes der Dinge überhaupt
gewinnen, zeigt sich, wieso der Kulturprozess, den wir als eine sub-
jektive Entwicklung erkannten -- die Kultur der Dinge als eine Kultur

dieses eigentlich unbeschreibliche Wirklichkeitsgefühl nennen mag, her-
vorrufen. Dieses bildet das psychologische Vehikel zwischen den beiden
erkenntnistheoretischen Kategorien: dem gültigen, durch seinen inneren
Zusammenhang getragenen, jedem Element seine Stelle anweisenden
inhaltlichen Sinn der Dinge und unserem Vorstellen ihrer, das ihre
Wirklichkeit innerhalb eines Subjekts bedeutet.

Dieses allgemeine und grundlegende Verhältnis findet nun in dem
zwischen dem vergegenständlichten Geist und Kultur und dem indivi-
duellen Subjekt eine Analogie in engeren Maſsen. Wie wir unsere
Lebensinhalte, erkenntnistheoretisch betrachtet, einem Reiche des sach-
lich Geltenden entnehmen, so beziehen wir, historisch angesehen, ihren
überwiegenden Teil aus jenem Vorrat aufgespeicherter Geistesarbeit
der Gattung; auch hier liegen präformierte Inhalte vor, der Verwirk-
lichung in individuellen Geistern sich darbietend, aber auch jenseits
solcher ihre Bestimmtheit festhaltend, die doch auch hier keineswegs
die eines materiellen Gegenstandes ist; denn selbst wenn der Geist an
Materien gebunden ist, wie in Geräten, Kunstwerken, Büchern, so fällt
er doch nie mit dem zusammen, was an diesen Dingen sinnlich wahr-
nehmbar ist. Er wohnt ihnen in einer nicht weiter definierbaren
potenziellen Form ein, aus der heraus ihn das individuelle Bewuſst-
sein aktualisieren kann. Die objektive Kultur ist die historische Dar-
stellung oder — vollkommenere oder unvollkommenere — Verdichtung
jener sachlich gültigen Wahrheit, von der unsere Erkenntnis eine Nach-
zeichnung ist. Wenn wir sagen dürfen, das Gravitationsgesetz habe
gegolten, bevor Newton es aussprach, so ruht das Gesetz als solches
doch nicht in den realen Materienmassen, da es nur die Art bedeutet,
in der sich deren Verhältnisse in einem bestimmt organisierten Geist
darstellen, und da die Gültigkeit dieses Gesetzes gar nicht davon ab-
hängt, daſs es in der Wirklichkeit Materie giebt. Insofern also liegt
es weder in den objektiven Dingen selbst, noch in den subjektiven
Geistern, sondern in jener Sphäre des objektiven Geistes, von der unser
Wahrheitsbewuſstsein einen Abschnitt nach dem andern zur Wirklich-
keit in ihm verdichtet. Wenn dies nun aber an dem fraglichen Ge-
setze durch Newton vollbracht ist, so ist es in den objektiven histo-
rischen Geist eingerückt und seine ideelle Bedeutung innerhalb dieses
ist nun wieder von seiner Wiederholung in einzelnen Individuen prin-
zipiell unabhängig.

Indem wir diese Kategorie des objektiven Geistes als der histo-
rischen Darstellung des gültigen Geistesgehaltes der Dinge überhaupt
gewinnen, zeigt sich, wieso der Kulturprozeſs, den wir als eine sub-
jektive Entwicklung erkannten — die Kultur der Dinge als eine Kultur

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[482/0506] dieses eigentlich unbeschreibliche Wirklichkeitsgefühl nennen mag, her- vorrufen. Dieses bildet das psychologische Vehikel zwischen den beiden erkenntnistheoretischen Kategorien: dem gültigen, durch seinen inneren Zusammenhang getragenen, jedem Element seine Stelle anweisenden inhaltlichen Sinn der Dinge und unserem Vorstellen ihrer, das ihre Wirklichkeit innerhalb eines Subjekts bedeutet. Dieses allgemeine und grundlegende Verhältnis findet nun in dem zwischen dem vergegenständlichten Geist und Kultur und dem indivi- duellen Subjekt eine Analogie in engeren Maſsen. Wie wir unsere Lebensinhalte, erkenntnistheoretisch betrachtet, einem Reiche des sach- lich Geltenden entnehmen, so beziehen wir, historisch angesehen, ihren überwiegenden Teil aus jenem Vorrat aufgespeicherter Geistesarbeit der Gattung; auch hier liegen präformierte Inhalte vor, der Verwirk- lichung in individuellen Geistern sich darbietend, aber auch jenseits solcher ihre Bestimmtheit festhaltend, die doch auch hier keineswegs die eines materiellen Gegenstandes ist; denn selbst wenn der Geist an Materien gebunden ist, wie in Geräten, Kunstwerken, Büchern, so fällt er doch nie mit dem zusammen, was an diesen Dingen sinnlich wahr- nehmbar ist. Er wohnt ihnen in einer nicht weiter definierbaren potenziellen Form ein, aus der heraus ihn das individuelle Bewuſst- sein aktualisieren kann. Die objektive Kultur ist die historische Dar- stellung oder — vollkommenere oder unvollkommenere — Verdichtung jener sachlich gültigen Wahrheit, von der unsere Erkenntnis eine Nach- zeichnung ist. Wenn wir sagen dürfen, das Gravitationsgesetz habe gegolten, bevor Newton es aussprach, so ruht das Gesetz als solches doch nicht in den realen Materienmassen, da es nur die Art bedeutet, in der sich deren Verhältnisse in einem bestimmt organisierten Geist darstellen, und da die Gültigkeit dieses Gesetzes gar nicht davon ab- hängt, daſs es in der Wirklichkeit Materie giebt. Insofern also liegt es weder in den objektiven Dingen selbst, noch in den subjektiven Geistern, sondern in jener Sphäre des objektiven Geistes, von der unser Wahrheitsbewuſstsein einen Abschnitt nach dem andern zur Wirklich- keit in ihm verdichtet. Wenn dies nun aber an dem fraglichen Ge- setze durch Newton vollbracht ist, so ist es in den objektiven histo- rischen Geist eingerückt und seine ideelle Bedeutung innerhalb dieses ist nun wieder von seiner Wiederholung in einzelnen Individuen prin- zipiell unabhängig. Indem wir diese Kategorie des objektiven Geistes als der histo- rischen Darstellung des gültigen Geistesgehaltes der Dinge überhaupt gewinnen, zeigt sich, wieso der Kulturprozeſs, den wir als eine sub- jektive Entwicklung erkannten — die Kultur der Dinge als eine Kultur

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/506>, abgerufen am 22.11.2024.