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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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aus den gleichen Voraussetzungen, wie wir sie der Intellektualität
gegenüber beobachten konnten. Die Allgemeinheit im logisch-inhalt-
lichen Sinne und die im sozial-praktischen Sinne fallen in diesen
beiden Provinzen auseinander. In anderem gehen sie oft genug
zusammen: so ist es das Wesen der Kunst, in ihrem Inhalt die
typisch-allgemeinen Züge der Erscheinungen darzustellen, damit aber
auch an die typischen Seelenregungen der Gattung in uns zu
appellieren, ihren prinzipiellen Anspruch auf allgemeine subjektive
Anerkennung auf die Ausschaltung alles Zufällig-Individuellen in
ihrem Objekte zu gründen. So erheben sich die Gebilde der Reli-
gion ihrem Begriff nach über alle Besonderheit irdischer Gestaltung
zum Absolut-Allgemeinen und gewinnen eben dadurch die Beziehung
zu dem Allgemeinsten und alle Individuen Verbindenden in der
Menschenwelt; sie erlösen uns von dem bloss Individuellen in uns,
indem sie dieses durch die All-Einheit ihres Inhalts auf die fundamen-
talen, als die gemeinsamen Wurzeln alles Menschlichen empfundenen
Züge zurückführen. Ebenso verhält sich die Moral im Sinne Kants.
Die Handlungsweise, welche eine logische Verallgemeinerung verträgt,
ohne mit sich selbst in Widerspruch zu geraten, sei zugleich sittliches,
für jeden Menschen ohne Ansehn der Person gültiges Gebot, das Kri-
terium: dass man sich die praktische Maxime als Naturgesetz denken
könne, also ihre begriffliche, objektive Allgemeinheit, entscheidet über
die Allgemeinheit für alle Subjekte, die sie als moralische Forderung
besitzt. Im Gegensatz zu diesen Gebilden scheint das moderne Leben
an anderen grade eine Spannung zwischen der sachlich-inhaltlichen und
der praktisch-personalen Allgemeinheit aufwachsen zu lassen. Gewisse
Elemente gewinnen immer grössere Allgemeinheit ihres Inhalts, ihre
Bedeutung wird über immer mehr Einzelheiten und Beziehungen
mächtig, ihr Begriff schliesst, unmittelbar oder mittelbar, einen immer
grösseren Teil der Wirklichkeit ein; so das Recht, die Prozesse und
Ergebnisse der Intellektualität, das Geld. Hand in Hand damit geht
aber die Zuspitzung derselben zu subjektiv differenzierten Lebens-
gestaltungen, die Ausnutzung ihrer ausgreifenden, allen Interessenstoff
ergreifenden Bedeutung für die Praxis des Egoismus, die erschöpfende
Entwicklung personaler Unterschiede an diesem nivellierten, allgemein
zugängigen und gültigen, und deshalb jedem Sonderwillen gegenüber
widerstandslosen Material. Die Wirrnis und das Gefühl geheimen
Selbstwiderspruches, das den Stil der Gegenwart an so vielen Punkten
charakterisiert, wird zum Teil auf dieser Unausgeglichenheit und
Gegenbewegung beruhen, die zwischen dem Sachgehalt, der objek-
tiven Bedeutung jener Gebiete und ihrer personalen Verwendung

aus den gleichen Voraussetzungen, wie wir sie der Intellektualität
gegenüber beobachten konnten. Die Allgemeinheit im logisch-inhalt-
lichen Sinne und die im sozial-praktischen Sinne fallen in diesen
beiden Provinzen auseinander. In anderem gehen sie oft genug
zusammen: so ist es das Wesen der Kunst, in ihrem Inhalt die
typisch-allgemeinen Züge der Erscheinungen darzustellen, damit aber
auch an die typischen Seelenregungen der Gattung in uns zu
appellieren, ihren prinzipiellen Anspruch auf allgemeine subjektive
Anerkennung auf die Ausschaltung alles Zufällig-Individuellen in
ihrem Objekte zu gründen. So erheben sich die Gebilde der Reli-
gion ihrem Begriff nach über alle Besonderheit irdischer Gestaltung
zum Absolut-Allgemeinen und gewinnen eben dadurch die Beziehung
zu dem Allgemeinsten und alle Individuen Verbindenden in der
Menschenwelt; sie erlösen uns von dem bloſs Individuellen in uns,
indem sie dieses durch die All-Einheit ihres Inhalts auf die fundamen-
talen, als die gemeinsamen Wurzeln alles Menschlichen empfundenen
Züge zurückführen. Ebenso verhält sich die Moral im Sinne Kants.
Die Handlungsweise, welche eine logische Verallgemeinerung verträgt,
ohne mit sich selbst in Widerspruch zu geraten, sei zugleich sittliches,
für jeden Menschen ohne Ansehn der Person gültiges Gebot, das Kri-
terium: daſs man sich die praktische Maxime als Naturgesetz denken
könne, also ihre begriffliche, objektive Allgemeinheit, entscheidet über
die Allgemeinheit für alle Subjekte, die sie als moralische Forderung
besitzt. Im Gegensatz zu diesen Gebilden scheint das moderne Leben
an anderen grade eine Spannung zwischen der sachlich-inhaltlichen und
der praktisch-personalen Allgemeinheit aufwachsen zu lassen. Gewisse
Elemente gewinnen immer gröſsere Allgemeinheit ihres Inhalts, ihre
Bedeutung wird über immer mehr Einzelheiten und Beziehungen
mächtig, ihr Begriff schlieſst, unmittelbar oder mittelbar, einen immer
gröſseren Teil der Wirklichkeit ein; so das Recht, die Prozesse und
Ergebnisse der Intellektualität, das Geld. Hand in Hand damit geht
aber die Zuspitzung derselben zu subjektiv differenzierten Lebens-
gestaltungen, die Ausnutzung ihrer ausgreifenden, allen Interessenstoff
ergreifenden Bedeutung für die Praxis des Egoismus, die erschöpfende
Entwicklung personaler Unterschiede an diesem nivellierten, allgemein
zugängigen und gültigen, und deshalb jedem Sonderwillen gegenüber
widerstandslosen Material. Die Wirrnis und das Gefühl geheimen
Selbstwiderspruches, das den Stil der Gegenwart an so vielen Punkten
charakterisiert, wird zum Teil auf dieser Unausgeglichenheit und
Gegenbewegung beruhen, die zwischen dem Sachgehalt, der objek-
tiven Bedeutung jener Gebiete und ihrer personalen Verwendung

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[471/0495] aus den gleichen Voraussetzungen, wie wir sie der Intellektualität gegenüber beobachten konnten. Die Allgemeinheit im logisch-inhalt- lichen Sinne und die im sozial-praktischen Sinne fallen in diesen beiden Provinzen auseinander. In anderem gehen sie oft genug zusammen: so ist es das Wesen der Kunst, in ihrem Inhalt die typisch-allgemeinen Züge der Erscheinungen darzustellen, damit aber auch an die typischen Seelenregungen der Gattung in uns zu appellieren, ihren prinzipiellen Anspruch auf allgemeine subjektive Anerkennung auf die Ausschaltung alles Zufällig-Individuellen in ihrem Objekte zu gründen. So erheben sich die Gebilde der Reli- gion ihrem Begriff nach über alle Besonderheit irdischer Gestaltung zum Absolut-Allgemeinen und gewinnen eben dadurch die Beziehung zu dem Allgemeinsten und alle Individuen Verbindenden in der Menschenwelt; sie erlösen uns von dem bloſs Individuellen in uns, indem sie dieses durch die All-Einheit ihres Inhalts auf die fundamen- talen, als die gemeinsamen Wurzeln alles Menschlichen empfundenen Züge zurückführen. Ebenso verhält sich die Moral im Sinne Kants. Die Handlungsweise, welche eine logische Verallgemeinerung verträgt, ohne mit sich selbst in Widerspruch zu geraten, sei zugleich sittliches, für jeden Menschen ohne Ansehn der Person gültiges Gebot, das Kri- terium: daſs man sich die praktische Maxime als Naturgesetz denken könne, also ihre begriffliche, objektive Allgemeinheit, entscheidet über die Allgemeinheit für alle Subjekte, die sie als moralische Forderung besitzt. Im Gegensatz zu diesen Gebilden scheint das moderne Leben an anderen grade eine Spannung zwischen der sachlich-inhaltlichen und der praktisch-personalen Allgemeinheit aufwachsen zu lassen. Gewisse Elemente gewinnen immer gröſsere Allgemeinheit ihres Inhalts, ihre Bedeutung wird über immer mehr Einzelheiten und Beziehungen mächtig, ihr Begriff schlieſst, unmittelbar oder mittelbar, einen immer gröſseren Teil der Wirklichkeit ein; so das Recht, die Prozesse und Ergebnisse der Intellektualität, das Geld. Hand in Hand damit geht aber die Zuspitzung derselben zu subjektiv differenzierten Lebens- gestaltungen, die Ausnutzung ihrer ausgreifenden, allen Interessenstoff ergreifenden Bedeutung für die Praxis des Egoismus, die erschöpfende Entwicklung personaler Unterschiede an diesem nivellierten, allgemein zugängigen und gültigen, und deshalb jedem Sonderwillen gegenüber widerstandslosen Material. Die Wirrnis und das Gefühl geheimen Selbstwiderspruches, das den Stil der Gegenwart an so vielen Punkten charakterisiert, wird zum Teil auf dieser Unausgeglichenheit und Gegenbewegung beruhen, die zwischen dem Sachgehalt, der objek- tiven Bedeutung jener Gebiete und ihrer personalen Verwendung

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/495>, abgerufen am 25.11.2024.