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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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Wesentliche aber ist die allgemeine, nach ihrem Zustandekommen
bereits früher besprochene Thatsache, dass das Geld allenthalben als
Zweck empfunden wird und damit ausserordentlich viele Dinge, die
eigentlich den Charakter des Selbstzwecks haben, zu blossen Mitteln
herabdrückt. Indem nun aber das Geld selbst überall und zu allem
Mittel ist, werden dadurch die Inhalte des Daseins in einen ungeheuren
teleologischen Zusammenhang eingestellt, in dem keiner der erste und
keiner der letzte ist. Und da das Geld alle Dinge mit unbarm-
herziger Objektivität misst und ihr Wertmass, das sich so herausstellt,
ihre Verbindungen bestimmt -- so ergiebt sich ein Gewebe sachlicher
und persönlicher Lebensinhalte, das sich an ununterbrochener Verknüpft-
heit und strenger Kausalität dem naturgesetzlichen Kosmos nähert und
von dem alles durchflutenden Geldwert so zusammengehalten wird, wie
die Natur von der alles belebenden Energie, die sich ebenso wie jener
in tausend Formen kleidet, aber durch die Gleichmässigkeit ihres eigent-
lichen Wesens und die Rückverwandelbarkeit jeder ihrer Umsetzungen
jedes mit jedem in Verbindung setzt und jedes zur Bedingung eines
jeden macht. Wie nun aus der Auffassung der natürlichen Prozesse
alle Gefühlsbetonungen verschwunden und durch die eine objektive
Intelligenz ersetzt worden sind, so scheiden die Gegenstände und Ver-
knüpfungen unserer praktischen Welt, indem sie mehr und mehr zu-
sammenhängende Reihen bilden, die Einmischungen des Gefühles aus,
die sich nur an teleologischen Endpunkten einstellen, und sind nur
noch Objekte der Intelligenz, die wir an der Hand dieser benutzen,
wie wir die Ursächlichkeiten der materiellen Natur benutzen. Die
steigende Verwandlung aller Lebensbestandteile in Mittel, die gegen-
seitige Verbindung der sonst mit selbstgenügsamen Zwecken ab-
geschlossenen Reihen zu einem Komplex relativer Elemente ist nicht
nur das praktische Gegenbild der wachsenden Kausalerkenntnis der
Natur und der Verwandlung des Absoluten in ihr in Bewegungen und
Relativitäten; sondern, da alle Struktur von Mitteln nur eine von vor-
wärts betrachtete Kausalverbindung ist, so wird damit auch die prak-
tische Welt mehr und mehr zu einem Problem für die Intelligenz;
oder vielleicht genauer: die vorstellungsmässigen Elemente des Handelns
wachsen objektiv und subjektiv zu berechenbaren, rationalen Ver-
bindungen zusammen und schalten dadurch die gefühlsmässigen Be-
tonungen und Entscheidungen mehr und mehr aus, die sich nur an die
Cäsuren des Lebensverlaufes, an die Endzwecke in ihm, anschliessen.

Diese Beziehung zwischen der Bedeutung des Intellekts und der
des Geldes für das Leben lässt die Epochen oder Interessengebiete,
wo beides herrscht, zunächst negativ bestimmen: durch eine gewisse

Wesentliche aber ist die allgemeine, nach ihrem Zustandekommen
bereits früher besprochene Thatsache, daſs das Geld allenthalben als
Zweck empfunden wird und damit auſserordentlich viele Dinge, die
eigentlich den Charakter des Selbstzwecks haben, zu bloſsen Mitteln
herabdrückt. Indem nun aber das Geld selbst überall und zu allem
Mittel ist, werden dadurch die Inhalte des Daseins in einen ungeheuren
teleologischen Zusammenhang eingestellt, in dem keiner der erste und
keiner der letzte ist. Und da das Geld alle Dinge mit unbarm-
herziger Objektivität miſst und ihr Wertmaſs, das sich so herausstellt,
ihre Verbindungen bestimmt — so ergiebt sich ein Gewebe sachlicher
und persönlicher Lebensinhalte, das sich an ununterbrochener Verknüpft-
heit und strenger Kausalität dem naturgesetzlichen Kosmos nähert und
von dem alles durchflutenden Geldwert so zusammengehalten wird, wie
die Natur von der alles belebenden Energie, die sich ebenso wie jener
in tausend Formen kleidet, aber durch die Gleichmäſsigkeit ihres eigent-
lichen Wesens und die Rückverwandelbarkeit jeder ihrer Umsetzungen
jedes mit jedem in Verbindung setzt und jedes zur Bedingung eines
jeden macht. Wie nun aus der Auffassung der natürlichen Prozesse
alle Gefühlsbetonungen verschwunden und durch die eine objektive
Intelligenz ersetzt worden sind, so scheiden die Gegenstände und Ver-
knüpfungen unserer praktischen Welt, indem sie mehr und mehr zu-
sammenhängende Reihen bilden, die Einmischungen des Gefühles aus,
die sich nur an teleologischen Endpunkten einstellen, und sind nur
noch Objekte der Intelligenz, die wir an der Hand dieser benutzen,
wie wir die Ursächlichkeiten der materiellen Natur benutzen. Die
steigende Verwandlung aller Lebensbestandteile in Mittel, die gegen-
seitige Verbindung der sonst mit selbstgenügsamen Zwecken ab-
geschlossenen Reihen zu einem Komplex relativer Elemente ist nicht
nur das praktische Gegenbild der wachsenden Kausalerkenntnis der
Natur und der Verwandlung des Absoluten in ihr in Bewegungen und
Relativitäten; sondern, da alle Struktur von Mitteln nur eine von vor-
wärts betrachtete Kausalverbindung ist, so wird damit auch die prak-
tische Welt mehr und mehr zu einem Problem für die Intelligenz;
oder vielleicht genauer: die vorstellungsmäſsigen Elemente des Handelns
wachsen objektiv und subjektiv zu berechenbaren, rationalen Ver-
bindungen zusammen und schalten dadurch die gefühlsmäſsigen Be-
tonungen und Entscheidungen mehr und mehr aus, die sich nur an die
Cäsuren des Lebensverlaufes, an die Endzwecke in ihm, anschlieſsen.

Diese Beziehung zwischen der Bedeutung des Intellekts und der
des Geldes für das Leben läſst die Epochen oder Interessengebiete,
wo beides herrscht, zunächst negativ bestimmen: durch eine gewisse

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[458/0482] Wesentliche aber ist die allgemeine, nach ihrem Zustandekommen bereits früher besprochene Thatsache, daſs das Geld allenthalben als Zweck empfunden wird und damit auſserordentlich viele Dinge, die eigentlich den Charakter des Selbstzwecks haben, zu bloſsen Mitteln herabdrückt. Indem nun aber das Geld selbst überall und zu allem Mittel ist, werden dadurch die Inhalte des Daseins in einen ungeheuren teleologischen Zusammenhang eingestellt, in dem keiner der erste und keiner der letzte ist. Und da das Geld alle Dinge mit unbarm- herziger Objektivität miſst und ihr Wertmaſs, das sich so herausstellt, ihre Verbindungen bestimmt — so ergiebt sich ein Gewebe sachlicher und persönlicher Lebensinhalte, das sich an ununterbrochener Verknüpft- heit und strenger Kausalität dem naturgesetzlichen Kosmos nähert und von dem alles durchflutenden Geldwert so zusammengehalten wird, wie die Natur von der alles belebenden Energie, die sich ebenso wie jener in tausend Formen kleidet, aber durch die Gleichmäſsigkeit ihres eigent- lichen Wesens und die Rückverwandelbarkeit jeder ihrer Umsetzungen jedes mit jedem in Verbindung setzt und jedes zur Bedingung eines jeden macht. Wie nun aus der Auffassung der natürlichen Prozesse alle Gefühlsbetonungen verschwunden und durch die eine objektive Intelligenz ersetzt worden sind, so scheiden die Gegenstände und Ver- knüpfungen unserer praktischen Welt, indem sie mehr und mehr zu- sammenhängende Reihen bilden, die Einmischungen des Gefühles aus, die sich nur an teleologischen Endpunkten einstellen, und sind nur noch Objekte der Intelligenz, die wir an der Hand dieser benutzen, wie wir die Ursächlichkeiten der materiellen Natur benutzen. Die steigende Verwandlung aller Lebensbestandteile in Mittel, die gegen- seitige Verbindung der sonst mit selbstgenügsamen Zwecken ab- geschlossenen Reihen zu einem Komplex relativer Elemente ist nicht nur das praktische Gegenbild der wachsenden Kausalerkenntnis der Natur und der Verwandlung des Absoluten in ihr in Bewegungen und Relativitäten; sondern, da alle Struktur von Mitteln nur eine von vor- wärts betrachtete Kausalverbindung ist, so wird damit auch die prak- tische Welt mehr und mehr zu einem Problem für die Intelligenz; oder vielleicht genauer: die vorstellungsmäſsigen Elemente des Handelns wachsen objektiv und subjektiv zu berechenbaren, rationalen Ver- bindungen zusammen und schalten dadurch die gefühlsmäſsigen Be- tonungen und Entscheidungen mehr und mehr aus, die sich nur an die Cäsuren des Lebensverlaufes, an die Endzwecke in ihm, anschlieſsen. Diese Beziehung zwischen der Bedeutung des Intellekts und der des Geldes für das Leben läſst die Epochen oder Interessengebiete, wo beides herrscht, zunächst negativ bestimmen: durch eine gewisse

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/482>, abgerufen am 25.11.2024.